Ein rechtsschutzversicherter Verbraucher hat uns die nachfolgende OGH-Entscheidung übermittelt, die für die Frage des "Wiederaufrollens" von bereits abgeschlossenen Aktivklagen von Banken gegen Kreditnehmer von Bedeutung sein kann:
Die Bank hatte den Kreditnehmer nach Fälligstellung des Kredites geklagt und mit einem überwiegenden Teilbetrag durch drei Instanzen obsiegt.
Nach der Presseaussendung der EU-Kommission in Sachen "Lombard-Kartell" im Sommer vergangenen Jahres hat der Kreditnehmer gegen dieses abgeschlossene Verfahren eine Wiederaufnahmeklage eingebracht. Diese wurde zurückgewiesen. Das Rekursgericht hat diese Entscheidung bestätigt. Der OGH hat die Zurückweisung nunmehr aber aufgehoben und ausgeführt:
Der Wiederaufnahmekläger berufe sich auf die neue Tatsache, dass die Bank in unzulässiger (=sittenwidriger) Weise nicht marktkonforme Zinssätze vereinbart und in Rechnung gestellt habe. Diese neue Tatsache sei dem Kläger erst durch die Pressemitteilung der EU-Kommission vom 11.6.2002 bekannt geworden. Da diese Tatsache - im vorangegangenen Verfahren nicht zur Sprache gebracht - a priori nicht ungeeignet sei, eine für den Wiederaufnahmekläger günstigere Entscheidung im Vorprozess herbeizuführen, liege ein tauglicher Wiederaufnahmegrund vor. Einer ursprünglich beklagten Partei stehe es nämlich frei, mit ihrer Wiederaufnahmeklage auch gänzlich neue Einwendungen gegen den ursprünglichen Klagsanspruch geltend zu machen.
Ob eine Wiederaufnahme nun tatsächlich bewilligt wird, hat nunmehr das Erstgericht zu prüfen.
OGH 28.2.2003, 1 Ob 5/03x
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Anm.: Gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO kann eine Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Verfahrens beantragt werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung in früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Allerdings ist gemäß § 534 ZPO die Klage binnen vier Wochen zu erheben, ab dem Zeitpunkt, an welchem die Partei imstande war, die rechtskräftige Entscheidung zu benützen oder die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Klage offenbar unmittelbar nach bekannt werden der Entscheidung der EU-Kommission eingebracht. Wollte man sich heute darauf berufen, wäre eine Klage (ohne besonderes Vorbringen zur verspäteten Kenntnisnahme) verfristet. Allerdings kann die Entscheidung allenfalls auch dann eine Rolle spielen, wenn der OGH in Sachen Zinsanpassungsklausel im Sinn des Konsumentenschutzes entscheiden würde und sich für Kreditnehmer gegen die seitens von Banken rechtskräftige Urteile vorliegen, die Frage stellt, ob sie die falsche Zinsanpassung noch relevieren können.