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Urteil: Obliegenheiten bei der Reisestornoversicherung

Konsumenten müssen eine Reise nicht schon bei Eintritt einer schweren Erkrankung stornieren sondern erst, wenn das Nichtantreten der Reise zu erwarten ist.

Ein Ehepaar buchte im Jahr 2002 eine Thailandreise und schloss dabei auch eine Reisestornoversicherung ab. Nach den einschlägigen Versicherungsbedingungen übernimmt der Versicherer die Annullierungskosten unter anderem dann, wenn die Reise wegen einer plötzlich eintretenden schweren Erkrankung nicht angetreten werden kann. Der Versicherte ist verpflichtet, "bei der Buchungsstelle unverzüglich nach Eintritt oder nach Kenntnisnahme eines versicherten Ereignisses die Stornierung der gebuchten Reise zu beantragen." Bei Verletzung dieser Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, die Leistung zu verweigern.

Etwa 5 Wochen vor Reisebeginn brach sich die Frau die linke Schulter. Auf ihre Frage wegen der bevorstehenden Reise meinte der behandelnde Arzt, dass sie die Reise ohne weiteres antreten können und das Schwimmen im Meer sogar eine gute Therapie sei. Erst bei der Nachuntersuchung zwei Wochen vor der Abreise wurde von den Ärzten eine Verzögerung des Heilungsverlaufes festgestellt und vom Antritt der Reise abgeraten. Am selben Tag stornierte das Ehepaar die Reise.

Die Versicherung übernahm die Stornokosten nur im Ausmaß von 10 %, also jenen Betrag, welcher bei Stornierung unmittelbar nach dem Schulterbruch angefallen wäre. Der Restbetrag wurde über die Bundesarbeiterkammer eingeklagt.

Der OGH hält dazu fest, dass der Eintritt einer schweren Erkrankung erst dann als Versicherungsfall anzusehen ist, wenn das Nichtantreten der gebuchten Reise infolge einer solchen Erkrankung zu erwarten ist. Solange noch keine gesicherte ärztliche Diagnose vorliegt und der Krankheitswert nicht auf der Hand liegt, trifft den Konsumenten noch keine Stornierungsobliegenheit. Im Zweifelsfall muss sich der Konsument erkundigen, ob seine Reisefähigkeit beeinträchtigt sein könnte, damit er rechtzeitig stornieren kann. Nur die bloße subjektive Hoffnung, eine schwere Erkrankung werde sich bis zum Antritt der Reise bessern, entlastet den Konsumenten allerdings nicht vom Vorwurf einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung.

Im vorliegenden Fall musste daher die Reiseversicherung mangels Obliegenheitsverletzung die vollen Stornokosten übernehmen.

OGH 16.6.2004, 7 Ob 124/04t
Klagevertreter: Dr. Aldo Frischenschlager

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