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Urteil: OGH: Bank haftet bei ausgespähtem PIN-Code für Schaden nach missbräuchlicher Bankomat-Behebung

In einem Musterprozess des VKI im Auftrag des BMSK geht der OGH davon aus, dass die Bank im Normalfall für den Schaden durch den Missbrauch einer Bankomatkarte nach Ausspähung des Codes und Diebstahl der Karte aus dem Rucksack des Karteninhabers haftet.

Ein Konsument behob bei einem Bankomaten einen Betrag von € 90,--. Er achtete dabei darauf, dass sich niemand im unmittelbaren Umkreis von rund 2 Metern befand. Da ihm nicht auffiel, dass er beobachtet wurde, setzte er keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen zur Abdeckung der Eingabetastatur des Bankomaten. Nach Beendigung der Behebung steckte er seine Geldbörse in das Hauptfach seines Rucksackes auf andere darin verwahrte Sachen oben darauf und schloss den Reisverschluss. Anschließend schulterte er gegen 14:30 Uhr den Rucksack und bestieg eine U-Bahn. Beim Aussteigen bemerkte er, dass seine Geldbörse samt Bankomatkarte fehlte. Der Konsument veranlasste zwar sofort eine Sperre, dennoch hatte zuvor ein unbekannter Täter einen Betrag von € 310,-- missbräuchlich behoben. Den PIN-Code hatte der Täter offenbar ausgespäht.

Der Oberste Gerichsthof  sieht keine Sorgfaltspflichtverletzung beim Konsumenten, und zwar weder bei der Behebung noch bei der Verwahrung der Bankomatkarte im Rucksack.

Nach Einschätzung des OGH würde es eine Überspannung der Sorgfaltspflichten darstellen, würde man bei einer alltäglichen (und auch von Kreditinstituten zwecks Rationalisierung geforderten und geförderten) Bargeldbehebung bei einem Bankomaten verlangen, stets auf Ausspähversuche zu achten. Die im Allgemeinen recht leicht einsehbaren Tastenfelder des Bankomaten müssen daher nicht mit der zweiten Hand oder durch eine besondere Körperhaltung vor seitlicher Einsicht geschützt werden. Schließlich muss sich der Karteninhaber auf die Bedienung konzentrieren, was mitunter ohnehin die volle Aufmerksamkeit erfordert.

Zur Verwahrungspflicht weist der OGH zunächst darauf hin, dass auf Grund der Regelungen in den AGB der Bank bereits eine Verletzung der Verwahrungspflicht alleine (also etwa ohne Verletzung der Geheimhaltunsgpflicht)  zu einer Haftung des Karteninhabers für Missbrauchsschäden führen würde. Eine derartige Risikoverteilung sei auch gerechtfertigt, weil das Diebstahlsrisiko vom Karteninhaber im Vergleich zur Bank leichter zu beherrschen ist. Allerdings sehen die AGB ("Kundenrichtlinien") der Bank vor, dass nur eine schuldhafte Verletzung der Verwahrungspflicht zur Haftung des Kontoinhabers führt.

Der OGH weist auf dieser Basis zwar darauf hin, dass die Gefahr von Taschendiebstählen allgemein bekannt ist. Dennoch ist nicht zu verlangen, dass man ständig die Aufmerksamkeit auf die Abwehr von Diebstahlsgefahren richtet. Die Verwahrung in einem abgeschlossenen Behältnis in körperlicher Nähe (wie etwa der mit einem Reisverschluss verschlossene Rucksack) oder in einer Tasche unmittelbar am Körper (Hosen-, Jacken- oder Manteltasche) reicht für den OGH im Normalfall (also ohne besondere gefahrenerhöhende Momente) daher aus. Eine strengere Sicht würde ein unzumutbare Einschränkung der Bewegungsfreiheit (ständiges Ansichpressen des Wertgegenstandes oder des diesen beinhaltenden Behältnisses) darstellen, andererseits würde gerade ein derartiges Verhalten die Aufmerksamkeit von Dieben erregen. Der OGH weist dabei richtigerweise darauf hin, dass der Verlust der Bankomatkarte für sich alleine noch nicht automatisch zu einem Schaden führt, weil auch der PIN-Code erforderlich ist.

Die Bank muss daher dem betroffenen Konsumenten den missbräuchlich behobenen Betrag zurückerstatten


OGH 22.2.2007, 3 Ob 248/06a
Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

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