Die Optikerkette Pearle bewarb im Februar und März 2012 in einem TV-Werbespot eine Preisnachlassaktion. Im musikalisch untermalten TV-Werbespot wurde ein EUR 100-Rabatt u.a. folgendermaßen beworben:
Gesprochener Text: "Die schönsten Brillen - die beste Auswahl!". Dann folgt für vier Sekunden lang eine Einblendung auf grauem Hintergrund in weißen groß gehaltenen Buchstaben mit folgenden in großer grüner Schrift gehaltenen Worten: "Sparen Sie jetzt 100" und direkt unterhalb dieses Betrags in - auch im Vergleich zu obigem Hinweis "Sparen Sie jetzt" - kleinerer, allerdings gut lesbarer weißer Schrift, der Hinweis "gültig beim Kauf einer optischer Brille (Fassung + Gläser) ab 200,-". Sowohl die Ankündigung des Angebots als auch diese Einschränkung wurden zeitgleich für vier Sekunden eingeblendet, wobei die Preisangabe "100,-" zusätzlich hervorgehoben wurde, in dem sie gleichsam in einem kurzen Aufblinken herangezoomt wurde. Gleichzeitig spricht die Stimme eines Mannes: "Sparen Sie jetzt 100 EUR und mehr bei jeder Brille! 100 x in Österreich!".
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte Pearle auf Unterlassung. Nach Ansicht des VKI darf Pearle in ihrer Fernsehwerbung nicht den unrichtigen Eindruck erwecken, sie gewährt einen Rabatt in bestimmter Höhe, etwa von 100 EUR, auf den Kauf jeder Brille, etwa durch Werbeversprechen wie "Sparen Sie jetzt 100 EUR und mehr bei jeder Brille!" oder sinngleiche Werbeaussagen, wenn dieser Rabatt tatsächlich nur bei Überschreitung eines bestimmten Mindestpreises, etwa von 200 EUR für Fassung und Gläser und/oder nicht auf nicht optische Sonnenbrillen gewährt wird. Gemäß der Werbung wird eine Ersparnis von 100 EUR bei jeder Brille versprochen, tatsächlich ist die Aktion gewissen Einschränkungen unterworfen. In der Werbung erschien die Einschränkung des Angebots "gültig beim Kauf einer optischen Brille (Fassung + Gläser) ab 200,-" bloß 4 Sekunden lang. Diese war zwar deutlich lesbar, allerdings ging diese unter der angekündigten Aktion "Sparen Sie jetzt 100,-", wobei "100,-" beträchtlich hervorgehoben war, völlig unter. Akustisch erfolgte kein Hinweis auf die Einschränkung. Im Hinblick auf die blickfangartige Ankündigung ist der einschränkende Kleindruckhinweis nicht ausreichend deutlich.
Der OGH gab bei der Prüfung des Irreführungstatbestands - a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Interessenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte - dem VKI recht. Unter anderem führte der OGH aus:
Der Bedeutungsinhalt von Äußerungen richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Eindruck, den ein redlicher Mitteilungsempfänger gewinnt. Der Gesamteindruck ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Gesamtinhalt der Ankündigung, weil der Gesamteindruck durch einzelne Teile der Ankündigung, die als Blickfang besonders herausgestellt sind, bereits entscheidend geprägt werden kann (4 Ob 224/08g mwN). Von einem Blickfang wird gesprochen, wenn in einer Gesamtankündigung einzelne Angaben im Vergleich zu den sonstigen Angaben besonders herausgestellt sind; sie dürfen für sich allein genommen nicht zur Irreführung geeignet sein (4 Ob 112/11s mwN; RIS-Justiz RS0078535).
Ein aufklärender Hinweis kann eine Täuschung durch eine - wie hier - umfassend formulierte und daher in ihrer Unvollständigkeit irreführungsgeeignete Werbeaussage nur verhindern, wenn er von den angesprochenen Verkehrskreisen auch wahrgenommen wird. Diese Voraussetzungen erfüllt der von der Beklagten vorgesehene Hinweis über die einschränkenden Voraussetzungen des beworbenen Rabatts nicht.
Der bloß für vier Sekunden in gegenüber der blickfangartig herausgestellten Werbung wesentlich kleinerer Schrift gehaltene Hinweis - mag dieser auch allein unter dem Aspekt der Schriftgröße betrachtet durchaus wahrnehmbar sein - ist im Gesamtzusammenhang so unauffällig, dass auch der der Maßfigur entsprechende Verbraucher ihn letztlich kaum zur Kenntnis nehmen wird. In diesem Zusammenhang verdient auch der Umstand Beachtung, dass der optisch hervorgehobene 100 EUR-Rabatt auch noch durch einen entsprechend formulierten und vorgetragenen Begleittext akustisch unterstrichen wird, der aufklärende Hinweis hingegen dem Publikum nicht akustisch zur Kenntnis gebracht wird (vergleichbar etwa den gesprochenen Hinweisen auf Gebrauchsinformation, Arzt und Apotheker bei Arzneimittelwerbung).
Der OGH beurteilte den Werbespot, auch ohne Abstellen auf ein sehschwaches Publikum, als irreführend.
OGH 09.07.2013, 4 Ob 68/13y
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Klagevertreter: Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG, Wien, Wien