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Urteil: OGH schränkt "Vorfälligkeitsgebühr" bei vorzeitiger Kreditrückzahlung ein

Bei Krediten zur Schaffung oder Sanierung von Gebäuden mit einer Laufzeit von zumindest zehn Jahren und bei hypothekarisch gesicherten Krediten können die Parteien zwar ein besonderes Entgelt für die vorzeitige Rückzahlung vereinbaren. Diese Vereinbarung ist aber nur für den Fall zulässig und wirksam, dass der Verbraucher eine nach § 33 Abs 8 Z 1 oder 2 BWG vereinbarte Kündigungsfrist nicht einhält.

Ein Verbraucher nahm bei der Beklagten einen Hypothekarkredit in Höhe von € 44.000,-- auf. Für den Kredit war ein variabler Zinssatz vereinbart worden. Nach den Geschäftsbedingungen stand dem Verbraucher das Recht zu, den Kredit vorzeitig zurückzuzahlen. Für diesen Fall war eine "Vorfälligkeitsgebühr" vorgesehen, die nach folgender Formel zu berechnen war: Kreditbetrag mal 5 % mal Restlaufzeit durch Vertragslaufzeit.

Der Konsument zahlte den Kredit vorzeitig zurück, worauf ihm die Bank nach obiger Formel eine Vorfälligkeitsgebühr in Höhe von € 2.046,-- sowie € 34,-- an Gebühren für die vorzeitige Abrechnung des Kredites verrechnete. Der Konsument zahlte, verlangte diese Beträge dann aber zurück. Da sich die Beklagte weigerte, trat der Konsument seinen Anspruch an den VKI ab. Der VKI klagte - im Auftrag der AK Vorarlberg - die Bank auf Rückzahlung der verrechneten Gebühren.

Das Erstgericht wies die Klage ab, das Handelsgericht Wien als Berufungsgericht hingegen verpflichtete die Beklagte zur Zahlung, da aus § 33 Abs 8 BWG folge, dass eine solche Vorfälligkeitsgebühr nur für den Fall zulässig sei, dass die Bank auf die Einhaltung einer nach dieser Bestimmung zulässig vereinbarten Kündigungsfrist verzichte. Dagegen erhob die Beklagte Revision.

§ 33 Abs 8 BWG lautet: "Der Verbraucher ist berechtigt, seine Verbindlichkeiten aus einem Verbraucherkreditvertrag ganz oder teilweise vorzeitig zu erfüllen. In diesem Fall hat das Kreditinstitut die Gesamtbelastung um jenen Betrag an Zinsen und laufzeitabhängigen Kosten zu vermindern, der bei kontokorrentmäßiger Abrechnung des vorzeitig zurückgezahlten Betrages nicht anfällt. Die Vereinbarung oder Verrechnung darüber hinausgehender Entgelte für den Fall vorzeitiger Rückzahlung ist außer in Fällen der Z 1 und Z 2 nicht zulässig. Für die vorzeitige Rückzahlung kann eine Kündigungsfrist vereinbart werden im Ausmaß
1. von höchstens sechs Monaten bei Krediten, die nachweislich zur Schaffung oder Sanierung von Gebäuden bestimmt sind und eine Laufzeit von zumindest zehn Jahren aufweisen, sowie bei hypothekarisch besicherten Krediten (§ 18 Hypothekenbankgesetz bleibt unberührt), oder
2. der allfällig vereinbarten Festzinsperiode bei Krediten nach Z 1."

Nach § 33 Abs 8 BWG, der eine über § 12a KSchG hinausgehende lex specialis für Verbraucherkreditverträge mit Kreditinstituten darstellt, ist die Vorfälligkeitsgebühr jedenfalls möglich, wenn die Parteien eine nach dieser Bestimmung zulässige Kündigungsfrist vereinbart hatten. Strittig war bislang, ob solche Entgelte auch dann wirksam vereinbart werden können, wenn die Parteien zwar eine Kündigungsfrist hätten vereinbaren können, das aber - wie hier - nicht getan haben. Nach der Auffassung der Beklagten ist das möglich, nach jener des klagenden VKI nicht. In der Literatur sind hierzu beide Meinungen zu finden.

Der OGH hat in der Entscheidung die Bestimmung einer umfassenden Interpretation unterzogen:

Der in § 33 Abs 8 Satz 3 BWG enthaltene Verweis ("außer in Fällen der Z 1 und Z 2") sei unklar. Der Wortlaut der Bestimmung lasse beide Auslegungen zu.

Eine systematische Auslegung spreche für die Auffassung des klagenden VKI. Wenn § 33 Abs 8 Satz 3 BWG auf die "Fälle der Z 1 und 2" verweist, ist anzunehmen, dass damit zwei verschiedene Konstellationen erfasst werden sollten. Das wäre aber, folgt man dem Standpunkt der Beklagten, nicht der Fall: Danach wäre ein zusätzliches Entgelt für die vorzeitige Rückzahlung immer zulässig, wenn irgendeine Kündigungsfrist vereinbart werden konnte. Der Verweis auf die Z 2 hätte keine eigenständige Bedeutung; dem Gesetzgeber kann aber nicht unterstellt werden, dass er eine Bestimmung geschaffen hat, die (teilweise) keinen normativen Inhalt hat. Die historische Auslegung hilft hier nicht weiter.

Die objektiv-teleologische Auslegung spricht ebenfalls für die Auffassung des VKI. Die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung nach § 33 Abs 8 BWG solle es dem Verbraucher ermöglichen, sich von einem Kredit zu lösen, der für ihn von Anfang an unwirtschaftlich war oder durch eine Änderung der Umstände unwirtschaftlich geworden ist. Für Kredite zur Schaffung oder Sanierung von Gebäuden und für hypothekarisch gesicherte Kredite werden in § 33 Abs 8 Satz 4 BWG bestimmte Befristungen erlaubt. Es liege nahe, dass für die Entlassung aus dieser Bindung ein besonders Entgelt vereinbart werden könne. Dieser Gesetzeszweck decke aber nicht Fälle, in denen die vereinbarte Frist ohnehin eingehalten werde. Wäre die Vereinbarung einer Vorfälligkeitsgebühr auch bei Einhaltung der Kündigungsfrist wirksam, so könnte dieser Schutz ganz einfach unterlaufen werden. Die Bank könnte zwar keine längere Kündigungsfrist durchsetzen; sie könnte aber dasselbe Ergebnis durch Vereinbarung einer entsprechend hohen Vorfälligkeitsgebühr erzielen. Bei Einhaltung der Frist könne daher keine Vorfälligkeitsgebühr verlangt werden.

Umgekehrt könne der Verbraucher die Zahlung der Vorfälligkeitsgebühr dadurch vermeiden, dass er die Kündigungsfrist einhalte. Um die für ihn günstigere Variante zu wählen, muss er nur die jeweiligen finanziellen Folgen miteinander vergleichen.

Zu der Frage, ob eine Vorfälligkeitsgebühr auch dann vereinbart werden kann, wenn die Bank von vornherein auf eine zulässige Befristung verzichtet, wird im Urteil ausgeführt, dass das besondere Entgelt für die vorzeitige Rückzahlung in einem angemessenen Verhältnis zu der nach dieser Bestimmung möglichen Kündigungsfrist stehen müsste. Wurde zwar eine Vorfälligkeitsgebühr, aber keine Kündigungsfrist vereinbart, wäre dieser Zusammenhang kaum erkennbar; es gäbe es keinen konkreten Anlass, die Höhe der Vorfälligkeitsgebühr zu hinterfragen. Zudem könnte der Verbraucher - anders als bei Vereinbarung eine Kündigungsfrist - nicht zwischen der Einhaltung der Kündigungsfrist und der Zahlung der Vorfälligkeitsgebühr wählen. Der Verbraucher wäre daher schlechter gestellt als bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Kündigungsfrist.

Als Ergebnis ist daher Folgendes festzuhalten: Bei Krediten zur Schaffung oder Sanierung von Gebäuden mit einer Laufzeit von zumindest zehn Jahren und bei hypothekarisch gesicherten Krediten (§ 33 Abs 8 Z 1 BWG) können die Parteien zwar ein besonderes Entgelt für die vorzeitige Rückzahlung vereinbaren. Diese Vereinbarung ist aber nur für den Fall zulässig und wirksam, dass der Verbraucher eine nach § 33 Abs 8 Z 1 oder 2 BWG vereinbarte Kündigungsfrist nicht einhält.

Der OGH gab der Revision der Beklagten daher nicht Folge; das Urteil ist rechtskräftig.

OGH 23.05.2006, 4 Ob 60/06m
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

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