Eine nach UWG jedenfalls unzulässige, weil aggressive Geschäftspraktik liegt vor, wenn in der Werbung Kinder direkt zum Kauf von Produkten aufgefordert werden (Fall 1) oder sie dazu aufgefordert werden, ihre Eltern zum Kauf der Produkte zu überreden (Fall 2; Z 28 des Anhangs zum UWG).
1. Gegen ersteres Verbot hat die Supermarktkette Billa nach der E des OGH verstoßen, indem unter Verwendung des Imperativs ("Hol dir jetzt dein Stickerbuch!") zum Erwerb des Sammelalbums aufgefordert wurde.
2. Nicht unter Z 28 des Anhangs subsumiert wurde vom OGH dagegen die Werbung für die Sammelaktion im Allgemeinen. Der OGH ist damit in der strittigen Frage, ob der Tatbestand voraussetzt, dass sich die Aufforderung zum Kauf auf in der Werbung genannte, bestimmte Produkte bezieht oder aber auch Aufforderungen inkriminiert, die sich allgemein auf den Kauf von Produkten des jeweiligen Unternehmens beziehen, - anders als noch das OLG Wien als Berufungsgericht - ersterer Auslegung gefolgt. Die konkret zu beurteilende Zugabenaktion, die bloß mittelbar einen Anreiz zum Erwerb nicht näher bestimmter Waren schafft, ist nach dem OGH insofern nicht verboten.
3. Klargestellt hat der OGH, dass es bei den im Anhang zum UWG angeführten Geschäftspraktiken (der sogenannten Schwarzen Liste) nicht darauf ankommt, ob sie im Einzelfall irreführend (iSd § 2 UWG) oder aggressiv (iSd § 1a UWG) sind (vgl schon § 1a Abs 3 UWG, § 2 Abs 2 UWG). Diese sind aber auch unabhängig davon verboten, ob sie iSd § 1 Abs 1 UWG geeignet sind, die wirtschaftliche Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers oder den Wettbewerb zwischen Unternehmen spürbar zu beeinflussen (vgl schon EuGH C-228/11 - Purely Creative Ltd).
4. Eine restriktive Haltung nimmt der 4. Senat auch in der Frage ein, ob der von Billa beabsichtigte Einsatz von Kindern als Kaufmotivatoren für Erwachsene (Schlagwort: Quengelfaktor) als gem § 1a UWG unzulässige aggressive Geschäftspraktik anzusehen und daher unzulässig ist. Die Werbung mit einer Zugabenaktion allein reiche dafür nicht aus. Ob das Ausnutzen des Sammeltriebs der Kinder und das Erzeugen von Gruppendruck hier eine auch lauterkeitsrechtlich relevante Belästigung der Eltern begründet, ist eine Wertungsfrage, die das OLG Wien im konkreten Fall bejahte. Mit dem Argument, dass hier auch die Freude miteinzubeziehen sei, "die Kinder mit den Sammelbildern der Beklagten und ihrer Mitbewerber haben", wird das Vorliegen einer aggressiven Geschäftspraktik dagegen vom 4. Senat verneint.
OGH 19.03.2013, 4 Ob 244/12d
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Klagevertreter: Kosesnik-Wehrle und Langer Rechtsanwälte KG in Wien