Der Oberste Gerichtshof klärte einige wesentliche und höchst umstrittene Rechtsfragen rund um sogenannte "Haushaltsbeiträge", das sind Zahlungen, die ein Heimbewohner zusätzlich an den Heimträger zu entrichten hat:
- Eine Vereinbarung über ein Zusatzentgelt, das für vom Sozialhilfeträger finanzierte Leistungen verrechnet wird, ist gesetz- und sittenwidrig.
- Heimverträge nach der derzeitigen Rechtslage bedürfen der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung.
- Die Aufschlüsselungspflicht nach § 27d Abs 1 Z 6 KSchG richtet sich nicht nach dem Vertragsabschlusszeitpunkt, sondern nach der Abrechnungsperiode für das Entgelt und gilt daher auch für Altverträge, sofern Haushaltsbeiträge nach dem 1.7.2004 in Rechnung gestellt werden.
Im konkreten Fall hatte das Land Wien als Sozialhilfeträger dem geistig und körperlich behinderten Beklagten einen Heimplatz zugewiesen. Der klagende Heimträger und die Sachwalterin des Beklagten vereinbarten auf dieser Basis, dass der Beklagte unabhängig von dem für ihn gezahlten Tagessatz des Landes Wien einen Eigenbetrag für den Heimplatz zu leisten habe. Der Beklagte wurde 1998 in ein Heim des Klägers aufgenommen und dort betreut, er ist dort auch gut integriert. Er erhält die vom Kläger üblicherweise erbrachten Leistungen, wird etwa von dessen Mitarbeitern öfter beim U-Bahnfahren begleitet. In seiner WG muss immer ein Betreuer anwesend sein, manchmal sind auch mehr Betreuer anwesend.
Daneben erhält der Beklagte eine Beschäftigungstherapie, die vom Land Wien gesondert abgegolten wird. Der vom Land Wien an den Heimträger bezahlte Tagessatz betrifft nur die Wohnunterbringung. Der Beklagte kann auch an Urlauben teilnehmen, wofür dem Kläger höhere Personalkosten entstehen. Für solche Urlaube hat der Beklagte einen eigenen Beitrag zu leisten, den Rest übernimmt der Kläger. Nach Abzug des nach dem Wiener Behindertengesetzes dem Land Wien zu leistenden Kostenersatzes verbleiben ihm monatlich 165,40 EUR zzgl der erhöhten Familienbeihilfe iHv 341,90 EUR.
2003 forderte die Sachwalterin des Beklagten unter der Androhung, ansonsten die Zahlungen einzustellen, den Kläger auf, ihr bekannt zu geben, welche konkreten, nachvollziehbaren Leistungen dem Beklagten für die Bezahlung des Kostenbeitrages ("Haushaltsbeitrages" ) in der Höhe von 215,98 Euro monatlich erbracht würden. Darauf reagierte der Kläger nicht; die Zahlungen wurden eingestellt. Bis Juli 2005 lief so ein Rückstand von 4751,56 Euro auf, den der Kläger auf Basis der privatrechtlich abgeschlossenen Vereinbarung gerichtlich einforderte.
Der Beklagte argumentierte damit, dass seine Sachwalterin die bei Eintritt in das Heim geschlossene Vereinbarung gekündigt habe, weil der Kläger keine Gegenleistung erbringe; er habe die angeblich erbrachten Leistungen nicht konkretisieren können. Die Leistungen des Klägers gelte das Land Wien ab, sodass die Vereinbarung über den Haushaltsbeitrag (für die daher schon abgegoltenen Leistungen) gesetz- und sittenwidrig sei, darüber hinaus intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG, außerdem umgehe sie das sich aus § 12a FLAG ergebende Verbot der Heranziehung der Familienbeihilfe zum Kostenersatz, müsse doch der Haushaltsbeitrag aus der Familienbeihilfe bezahlt werden. Auch gegen die §§ 27d Abs 1 Z 6 und § 27g Abs 5 KSchG werde verstoßen: diese verlangen eine Kosten-Aufschlüsselung im Heimvertrag und verbieten die Verpflichtung von Zahlungen ohne gleichwertige Gegenleistung des Heimträgers.
Der Kläger berief sich darauf, dass die Beziehungen zwischen Heimträger und Bewohner nicht nur dem öffentlichen Recht unterlägen. Da der jeweilige Sozialhilfeträger nur einen Zuschuss leiste, seien daneben privatrechtliche Vereinbarungen zulässig, die nicht von § 12a FLAG berührt würden. Die vom Beklagten ins Treffen geführten Bestimmungen seien für "Altverträge" vor dem 1.7.2004 (Inkrafttreten des Heimvertrags-Gesetzes) nicht anwendbar.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Ergebe sich doch aus den §§ 24 Abs 1 und § 43 Abs 1 WBHG, dass die privatrechtliche Vereinbarung zur Abdeckung von Betreuungsleistungen zulässig sei, sehe es doch schon das Gesetz vor, dass neben den öffentlich-rechtlichen Tagsätzen des Landes auch ein Beitrag des Behinderten zu leisten sei. Die Vereinbarung sei nicht rechtmäßig gekündigt worden, eine Kostenaufschlüsselung der einzelnen Leistungen im Rahmen des "Betreuungs-Gesamtpakets" sei nicht erforderlich gewesen. § 11 Abs 2 Z 1 WBHG umgehe den § 12a FLAG nicht, die §§ 27b bis i KSchG seien gemäß § 41a Abs 17 KSchG nicht anwendbar, weil die Vereinbarung aus 1998 datiere.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil teilweise ab und erklärte die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zur vorliegenden Frage für zulässig.
Die vor Schaffung des Heimvertragsrechts abgeschlossene Pauschalvereinbarung habe den Kläger nicht zur Kostenaufschlüsselung verpflichtet. Der Kläger habe im Rahmen des Gesamtpakets Zusatzleistungen erbracht,, der Beklagte wohne auf hohem Niveau und erhalte über die Unterbringung iSd § 24 WBHG hinausgehende Leistungen. Die Vereinbarung sei transparent und keine gesetzwidrige Umgehung des 3 12a FLAG. Im Gegensatz zum Erstgericht ging die Instanz aber davon aus, dass die Bestimmungen zur Aufschlüsselung des Entgelts iSd KSchG auf die nach 1.7.2004 begehrten Haushaltsbeiträge anzuwenden seien. Ein Abstellen nur auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses widerspräche dem Schutzgedanken des Heimvertragsgesetzes. Ansonsten käme es zu einer nicht vertretbaren Ungleichbehandelung von Bewohnern mit "Altverträgen" und den erst nach dem 1.7.2004 eintretenden Bewohnern. Für den Zeitraum nach diesem Tag wies es daher das Klagebegehren ab.
Der OGH hob die Entscheidungen auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht.
Nach dem WBHG könne dem Behinderten ein Kostenbeitrag vorgeschrieben werden, wenn ihm gemäß § 24 WNHG Unterbringung, Verpflegung und Betreuung gewährt wird. Auf die Heimunterbringung im Rahmen der Sozialhilfe bestehe ein öffentlich-rechtlicher Anspruch. Dabei bediene sich der Sozialhilfeträger oft des privaten Heimträgers, zu dem privatrechtliche Beziehungen (z.B. über die Höhe der Kostenerstattung durch den Sozialhilfeträger) bestünden. Können Zusatzleistungen vom Bewohner in Anspruch genommen werden, tritt der Betroffene in eine eigenständige privatrechtliche Beziehung zum Heimträger, die dem HeimVertragsG unterliegt. Zur Vermeidung von Doppelzahlungen können Gegenstand solcher Vereinbarung nur solche Leistungen sein, die nicht schon vom Sozialhilfeträger abgegolten werden. Eine Entgeltvereinbarung über Zusatzleistungen, die über den Umfang der vom Sozialhilfeträger geschuldeten Leistung hinausgehen, wäre nicht von vornherein gesetzwidrig.
Beim Leistungsumfang ist zwischen Grundleistungen und Zusatzleistungen zu unterscheiden. Zur Grundleistung zählt laut Ansicht des OGH die Unterkunft samt Beheizung, allgemeine Verpflegung und Grundbetreuung. Typischerweise nicht dazu zählten die Kosten für unmittelbare persönliche Bedürfnisse (z.B. Kleidung, Rauchwaren, Getränke, Ausflüge), wofür dem Betroffenen nach den Sozialhilfevorschriften ein "Taschengeld" zur freien Disposition verbleiben muss, sowie zusätzliche Verpflegungs- und Betreuungsleistungen wie vegetarisches Essen, Sonderernährung, medizinische und therapeutische Sonderleistungen, soziale und kulturelle Sonderbetreuung.
Im konkreten Fall müsse als Vorfrage dazu, ob der Kläger zusätzliche monatliche "Haushaltsbeiträge" verlangen dürfe, noch geklärt werden, welche konkreten Leistungen des Klägers vom Land Wien schon abgedeckt würden. Diese Frage sei vom Erstgericht zu erheben. Sollte sich daraus ergeben, dass Zusatzleistungen erbracht wurden, seien diese in Höhe eines jeweils angemessenen Entgelts für die Einzelleistungen grundsätzlich erstattungsfähig.
Der OGH warf außerdem die Frage auf, ob die gegenständliche Vereinbarung zu ihrer Wirksamkeit pflegschaftsbehördlich zu genehmigen sei, wozu er sich noch nicht ausdrücklich geäußert habe. Unter Berufung auf das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 (BGBl I Nr. 2006/92) , das die dauerhafte Änderung des Wohnortes des Besachwalterten pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen sie, bejahte er dieses Erfordernis auch auf Verträge vor der Gesetzesänderung.
Im Rahmen der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung sei dann zu prüfen, ob §§ 27 d Abs 1 Z 6 KSchG entsprechend das Entgelt aufgeschlüsselt werde.
Verstöße gegen das Heimvertragsgesetz seien insbesondere durch Verbandsklagen zu ahnden, können aber auch der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung entgegenstehen.
Die Frage der Anwendbarkeit des Heimvertragsgesetzes auf davor abgeschlossene Verträge beantwortete er unter Verweis auf die Rechtsprechung des OGH zu Fällen der Gesetzesänderung bei Dauerrechtsverhältnissen: vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes endgültig und abschließend verwirklichte Sachverhalte sind nach bisheriger Rechtslage zu beurteilen, der in den zeitlichen Geltungsbereich reichende Teil des Dauertatbestandes fällt mangels abweichender Übergangsregelung unter das neue Gesetz. Nach diesen Grundsätzen ist der für die Anwendung des § 27d Abs 1 Z 6 KSchG maßgebliche Sachverhalt iSd § 41a Abs 17 KSchG nicht der Vertragsabschluss, sondern der Ablauf jeder Rechnungsperiode, für die den Heimbewohner ein Haushaltsbetrag für erbrachte (Zusatz-)Leistungen vorgeschrieben wird. Nur diese Auslegung verwirkliche den Schutzzweck des Heimvertragsgesetzes, dass klare und transparente Rechtsverhältnisse geschaffen werden sollen, die eine informierte Entscheidung der Konsumenten ermöglichen.
Erst gemäß dem Heimvertragsgesetz vorgenommene Entgeltaufschlüsselung biete dem Bewohner die Entscheidungsgrundlage, weiterhin im Heim zu bleiben, zu wechseln oder auf allfällige Zusatzleistungen zu verzichten.
OGH vom 21.11.2006, 4 Ob 188/06k
Beklagtenvertreter : Mag.Nikolaus Weiser, RA in Wels und Wien