Der VKI hatte im Auftrag des BMSK unter anderem die Wr. Städtishe Allgemeine Versicherungs AG wegen intransparenter Bestimmungen in Lebensversicherungsverträgen geklagt. Nach Einschätzung des VKI bleibt nämlich unklar, mit welchen Rückkaufswerten Konsumenten im Fall einer vorzeitigen Auflösung rechnen können.
Das Oberlandesgericht Wien (OLG Wien) gibt dem VKI in seinem aktuellen Urteil Recht. Das Urteil bezieht sich auf folgende Klauseln:
Aus den "Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Kapitalversicherung auf den Todesfall":
1. Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämien. Er errechnet sich wegen des gebotenen Versicherungsschutzes und der angefallenen Kosten nach den hiefür geltenden Vorschriften und tariflichen Grundlagen.
2. Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämien. Der Rückkaufswert bzw die prämienfreie Versicherungssumme errechnet sich wegen des gebotenen Versicherungsschutzes, der angefallenen Kosten und nach Berücksichtigung eines Abschlages auf die tarifliche Deckungsrückstellung nach den tariflichen Grundsätzen. Aufgrund der bei Vertragsabschluss anfallenden Abschlusskosten steht in der ersten Zeit nach Versicherungsbeginn noch kein Rückkaufswert zur Verfügung. Erst in den Folgsjahren entwickelt sich ein Rückkaufswert, der durch die notwendige laufende Amortisation der angefallenen Kosten anfangs noch sehr niedrig ist, dann jedoch progressiv ansteigt, bis er zu Vertragsende die vereinbarte garantierte Erlebensleistung (Versicherungssumme) erreicht. Die individuellen vertragsbezogenen Werte entnehmen sie bitte den besonderen Versicherungsbedigungen (Anhang zur Polizze RP 1), die Bestandteil des Vertrages sind.
3. Alle Erklärungen, die wir abgeben, sind ebenfalls nur dann gültig, wenn sie schriftlich erfolgen und firmenmäßig gezeichnet sind.
4. Ihnen gegenüber abgegebene Erklärungen werden wirksam, wenn sie an Ihrer uns bekanntgegebenen Adresse bei Ihrer Anwesenheit zugegangen wären.
Zur 1. Klausel (welche jedenfalls bis zur Neufassung im Oktober 2002 in Verwendung stand) hält das OLG Wien fest, dass es nach § 173 Abs 3 und § 176 Abs 3 VersVG einer Vereinbarung in den AVB des Versicherers bedarf, wie der Rückkaufswert berechnet wird. Diese Vereinbarung muss dem Transparenzgebot entsprechen. Die Klausel ist aber selbst unter Bedachtnahme auf die Rückkaufswerttabelle nicht hinreichend klar, zumal diese die dahinterstehenden Berechnungsgrundlagen und damit die Höhe des Abzuges nicht erkennen lässt. Allerdings verweist die Klausel nicht einmal konkret auf die Rückkaufswerttabelle und nicht einmal auf die Polizze sondern lediglich auf die hiefür geltenden Vorschriften und tariflichen Grundlagen. Im Übrigen weist das OLG Wien darauf hin, dass die Polizze nur mehr eine Beweisurkunde über einen bereits abgeschlossenen Vertrag darstellt. Die Klausel verstößt daher gegen § 6 Abs 3 KSchG.
Zur 2. Klausel verweist das OLG Wien auf die Ausführungen zur 1. Klausel. Auch in der 2. Klausel ist die Höhe des Abschlages nicht klar ersichtlich. Dem Verrsicherungsnehmer ist daher die Konsequenz seiner Zustimmung nicht hinreichend erkennbar. Auch diese Klausel verstößt daher gegen § 6 Abs 3 KSchG.
Die 3. und 4. Klausel waren schon Ggeenstand zahlreicher - auch oberstgerichtlicher - Entscheidungen. Die 3. Klausel verstößt gegen § 10 Abs 3 KSchG, die 4. Klausel gegen § 6 Abs 1 Z 3 KSchG.
Aus den "Allgemeinen Versicherungsbedingungen der fondsgebundenen Lebensversicherung mit unbestimmter Vertragslaufzeit":
5. Soweit Ihre Prämien nicht zur Deckung der Kosten bestimmt ist, führen wir sie den von Ihnen gewählten Investmentfonds zu, indem wir Fondsanteile erwerben. Diese bilden die Deckungsrückstellung Ihres Vertrages.
6. Wir entnehmen der Deckungsrückstellung alle anfallenden Kosten und die zur Deckung des Ablebensrisikos bestimmten Risikoprämien. Die kann dazu führen, dass die Deckungsrückstellung vollständig aufgebraucht wird. In diesem Fall tritt der Vertrag ohne Ansprüche außer Kraft.
7. Die Folgeprämien können nur im Lastschriftverfahren bezahlt werden. Wir buchen sie jeweils bei Fälligkeit von dem uns angegebenen Konto ab. Zahlungen die auf andere Weise erfolgen, brauchen wir nicht anzunehmen oder können wir binnen 14 Tagen zurückweisen. In diesen Fällen tritt Zahlungsverzug ein.
8. Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämien, sondern bemisst sich an der Deckungsrückstellung abzüglich noch nicht amortisierter Vertragserrichtungskosten und einer Bearbeitungsgebühr von 1 %.
9. Rückkauf und Prämienfreistellung - Falls Sie Ihren Vertrag kündigen, sind wir verpflichtet, den Rückkaufswert zu erstatten. Sie können auch eine Umwandlung des Vertrages in einen prämienfreien verlangen. Die Mindesttodesfallsumme entfällt sodann. Wir weisen darauf hin, daß der Rückkaufswert innerhalb der ersten 10 Jahre nicht der Summe der eingezahlten Prämien entspricht, sondern sich an der Deckungsrückstellung gemäß nachstehender Tabelle bemisst.
Versicherungsjahr Rückkaufswert Versicherungsjahr Rückkaufswert
1 0,0 % 1 62,5 %
2 40,0 % 2 70,0 %
3 40,0 % 3 77,5 %
4 47,5 % 4 85,0 %
5 55,0 % 5 92,5 %
Bei Kündigung nach 10 Jahren Prämienzahlungsdauer entspricht unsere Leistung dem Geldwert der Deckungsrückstellung.
Zur 5. und 6. Klausel hatte das Erstgericht festgehalten, dass sich die Wr. Städtische ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einräumen wolle, da die Kostenhöhe nicht ersichtlich ist. Das OLG Wien weist ergänzend darauf hin, dass den Klauseln nicht einmal zu entnehmen ist, welche Kosten verrechnet werden. Auf eine Modellrechnung nehmen die Klauseln keinen Bezug, im Übrigen wird die Modellrechnung nicht als Vertragsgrundlage erwähnt und außerdem ausdrücklich als unverbindlich bezeichnet.Ob die FMA die Verrechnung der Kosten überwache ist nach dem OLG Wien unerheblich, es komme darauf an, dass der Verbraucher unter dem Blickwinkel des § 6 Abs 3 KSchG die Auswirkungen der Klausel erkennen kann.
Die 7. Klausel ist nach dem OLG Wien auf Grund der Folge des Zahlungsverzuges und den daraus resultierenden Folgen gröblich benachteiliegend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB.
Die 8. Klausel verstößt nach dem OLG Wien nicht nur gegen das Transparenzgebot sondern auch gegen § 176 Abs 4 VersVG. Die noch nicht armortisierten Vertragserrichtungskosten werden der Höhe nach nicht bestimmt, auch wird keine Bemessungsgrundlage für die Bearbeitungsgebühr von 1% angeführt.
Auch die 9. Klausel ist aus den schon angeführten Gründen unzulässig, da unklar bleibt, ob sich die Höhe der Rückkaufswerte auf Grund eines Kostenabzuges oder wegen zusätzlicher Berücksichtigung eines Stornoabschlages ergeben. Außerdem stellt es eine gröbliche Benachteiligung dar wenn der Verbraucher im ersten Jahr die gesamte Deckungsrückstellung verliert.
Kunden der Wr. Städtischen dürfen auf höhere Rückkaufswerte hoffen, denn im Fall der Rechtskraft des Urteiles dürfen Kosten nicht mehr in dieser Weise verrechnet werden. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits für die Situation in Deutschland festgehalten. Bei Rückkäufen innerhalb der letzten drei Jahre besteht somit unter Umständen ein Anspruch auf Nachforderung gegen die Versicherung.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
OLG Wien 12.4.2007, 5 R 190/06g
Volltextservice
Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien