Zum Inhalt

Urteil: Produkthaftung - Beweislast zum "Stand der Technik"

Wenn das Produkt beim In-Verkehr-Bringen dem "Stand der Technik" entspricht, obliegt dem Geschädigten der Gegenbeweis, daß dennoch eine abweichende Sicherheitserwartung des Verbrauchers vorliegt.

Der beklagte Hersteller verkaufte 1990 einer Großküche für die gewerbliche Nutzung geeigneten Küchenofen. Dieser Ofen wies eine Kerntemperatur-Mess- und Regeleinrichtung auf. Bei Erreichen der eingestellten Temperatur wurden die Heizelemente abgeschaltet. Bei Ausfall eines Heizelementes verringerte sich die Heizleistung. Eine Warn-Einrichtung, die den Ausfall des Heizelementes optisch oder akustisch anzeigt, existierte nicht. Der Ausfall konnte nur durch Ablesen einer vorhandenen Digitalanzeige der Innentemperatur des Ofens festgestellt werden.

Im Jahr 1992 wurden in dem Ofen Speisen fertiggegart. Durch Ausfall eines Heizelementes kam es zu einem Abfallen der Heizleistung und wiesen an einen Kindergarten ausgelieferte Speisen Salmonellenbelastung auf. Die Kinder erkrankten und machten - im übrigen mit Unterstützung des VKI OÖ - erfolgreich gegen die Großküche Schadenersatzansprüche geltend. Nunmehr klagte die Haftpflichtversicherung der Großküche den Hersteller auf Ersatz der an die erkrankten Kinder geleisteten Zahlungen.

Die Vorinstanzen stellten fest, dass der Ofen zum Zeitpunkt des Verkaufs dem "Stand der Technik" entsprochen und den Zeichengenehmigungsausweis der VdE-Prüfstelle (Verband deutscher Elektrotechniker) erhalten habe. In der Revision vertrat die klagende Partei die Ansicht, dass trotz der Prüfzeichen ein Produktfehler vorliege, da durch die fehlende Warneinrichtung berechtigte Sicherheitserwartungen der Verwender beeinträchtigt würden.

Der OGH setzte sich mit der Frage der Beweislast auseinander. Er hielt zunächst fest, dass in der OGH-Entscheidung (SZ 67/105) die Ansicht vertreten wurde, dass ein Konstruktionsfehler dann nicht in Frage komme, wenn das in Verkehr gebrachte Produkt dem Stand der Technik entsprochen hätte. Der OGH ließ dahingestellt, ob diese Ansicht aufrecht erhalten werden könne, da doch ein Unterschied zwischen der Auslieferung eines Produktes nach dem "Stand der Technik" und einer allfälligen davon abweichenden Sicherheitserwartung der maßgeblichen Verkehrskreise durchaus denkbar sei. Der OGH musste sich mit dieser Frage aber nicht auseinandersetzen, da er im vorliegenden Fall davon ausging, dass dem beklagten Hersteller die Beweislastumkehr und Beweiserleichterung des § 7 Abs 2 PHG zugute komme. Danach habe der Hersteller bloß als wahrscheinlich darzutun, dass das Produkt zur Zeit, zu der es in Verkehr gebracht worden war, noch nicht den schadenskausalen Fehler hatte. Dieser Beweis ist mit der Feststellung, dass das Produkt dem Stand der Technik entsprach, als erbracht anzusehen. Es wäre nun Aufgabe des Klägers gewesen, zu behaupten und zu beweisen, dass eine davon abweichende Sicherheitserwartung von Verbrauchern gegeben gewesen sei. Die normgerechte oder anderen technischen Standards entsprechende übliche Herstellungsart indiziere die Fehlerfreiheit des Produktes; dass entgegen den getroffenen Feststellungen das Gerät schon zum Zeitpunkt des Verkaufes fehlerhaft gewesen wäre, hätte der Kläger zu beweisen gehabt.

OGH 16.7.1998, 6 Ob 157/98a

Volltextservice

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail
unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang