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Urteil: Tatsachenbestätigungen können dem Transparenzgebot widersprechen

Verbandsverfahren der BAK gegen ein Kreditinstitut im Zusammenhang mit Klauseln in den AGB bzw Vertragsformblättern bei Wertpapieraufträgen und Wertpapierdepots.

Intransparente Tatsachenbestätigungen in Vertragsformblättern
[1] Ich bestätige, dass ich über alle wesentlichen Bedingungen und Konsequenzen betreffend das oben angeführte Geschäft im Rahmen meiner Kundenangaben verständlich informiert wurde. [...]
[4] Ich/Wir wurde(n) vorab über etwaige anfallende Kosten und Vorteile dieses Auftrages [...] informiert [...].
[5] Ich/Wir wurde(n) vorab [...] über den konkreten Ausführungsplatz informiert [...].
[6] [...] Es wurden mir/uns sämtliche Produktunterlagen angeboten.
[9] Mit ihrer Unterschrift bestätigen Sie, dass Sie über die Chancen und Risiken von Veranlagungsprodukten aufgeklärt wurden.
[10] Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie, dass Sie über die Risiken der Veranlagung aufgeklärt und über Ihre Einstufung als Kunde informiert wurden.
[11] Ich bestätige hiermit, dass ich über die Risiken der angeführten Produkte aufgeklärt wurde und diese verstanden habe.

Nach § 6 Abs 1 Z 11 KSchG sind für den Verbraucher besonders solche Vertragsbestimmungen iSd § 879 ABGB nicht verbindlich, nach denen ihm eine Beweislast auferlegt wird, die ihn von Gesetzes wegen nicht trifft. Diese Bestimmung ist analog anzuwenden, wenn zwar keine formelle Beweislastvereinbarung getroffen wird, der Konsument aber eine Wissenserklärung abgibt, die zumindest im Ergebnis den Wirkungen einer entsprechenden Vereinbarung nahekommen kann. Immer ist aber zu fordern, dass durch eine in AGB enthaltene Tatsachenbestätigung eine Erschwerung der Beweissituation für den Konsumenten denkbar ist. Im Fall einer fehlerhaften Anlegerberatung muss der Geschädigte nach st Rsp des OGH die unterbliebene Aufklärung beweisen. Die Bestätigung der erfolgten Aufklärung bewirkt deshalb keine Verschiebung der Beweislast, wodurch die genannten Klauseln nicht gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG verstoßen.

Nach der Rsp müssen AGB so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält. Der Kunde darf insbesondere durch die Formulierung einer Klausel in AGB nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden. Unzulässig sind Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung geschaffene weite Beurteilungsspielraum schließt es aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann. Wenn die genannten Klauseln auf "alle wesentlichen Bedingungen und Konsequenzen", "etwaige anfallende Kosten und Vorteile", "sämtliche Produktunterlagen" und auf die Aufklärung "über die Chancen und Risiken" abstellen, so sind sie aufgrund der Unbestimmtheit dieser Begriffe unklar iSd § 6 Abs 3 KSchG. Wenn Informationen über den "konkreten Ausführungsplatz" bestätigt werden, so ist dies unverständlich iS dieser Bestimmung.

Ob Tatsachenbestätigungen in Vertragsformblättern dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG unterliegen, wurde bislang in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht beantwortet. Der Wortlaut des § 6 Abs 3 KSchG bezieht sich ausdrücklich auf in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene "Vertragsbestimmungen", was gegen die Anwendbarkeit auf Tatsachenbestätigungen spricht. Im Ergebnis macht es aber keinen Unterschied, ob der Verbraucher regelungstechnisch von der Durchsetzung seiner Rechte durch eine Vertragsklausel oder durch eine vorgefertigte intransparente Bestätigung abgehalten wird. Der OGH geht davon aus, dass der österreichische Gesetzgeber in § 6 Abs 3 KSchG nicht danach differenzieren wollte, ob es sich bei der in ein Vertragsformular aufgenommenen, die Rechtsposition des Verbrauchers verschleiernden Klausel um eine Willenserklärung oder eine Wissenserklärung handelt, weshalb eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt. Völlig unklare Tatsachenbestätigungen zu Lasten des Verbrauchers in Vertragsformblättern und AGB unterliegen daher in analoger Anwendung der Kontrolle des § 6 Abs 3 KSchG im Verbandsprozess. Solche Tatsachenbestätigungen, die als wenig aussagekräftiges, aber doch Indizien für die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten enthaltendes Beweismittel Verwendung finden können, sind für den Verbraucher insofern nachteilig, als beim typischen Durchschnittskunden der Eindruck erweckt wird, durch die (Blanko-)Bestätigung der erfolgten Aufklärung habe er sich im Falle einer tatsächlich erfolgten Aufklärungspflichtverletzung der Möglichkeit der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen begeben. Zudem kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass in den Klauseln dem Verbraucher überhaupt nicht eindeutig dargelegt wird, in welchem Umfang ihm Informationen erteilt worden, Unterlagen angeboten worden und er über Risiken der Finanzprodukte aufgeklärt worden sein soll(en). Inhalt und Tragweite der Klauseln sind damit für den Verbraucher nicht durchschaubar.


Beweislastverschiebung in Klauseln
[2] Ich bestätige, dass diese Transaktion über meinen ausdrücklichen Wunsch durchgeführt wird.
[8] Das gegenständliche Geschäft erfolgt auf meinen ausdrücklichen Wunsch und nicht auf Empfehlung des Beraters. Eine Eignungsprüfung gemäß § 44 WAG wurde daher nicht durchgeführt. Auch im Fall eines negativen Ergebnisses bei der Angemessenheitsprüfung gem. § 45 WAG bestehe ich dennoch auf der Buchführung des gegenständlichen Auftrages.

Grundsätzlich trägt der Kunde die Beweislast für die Aufklärungspflichtverletzung. Dabei ist es aber ausreichend, dass der Geschädigte die Voraussetzungen der Verpflichtung zur Angemessenheitsprüfung nach § 45 WAG 2007 nachweist, woraufhin die Umstände, welche nach § 46 WAG 2007 eine Ausnahme von dieser Verpflichtung begründen können, vom Wertpapierdienstleister zu beweisen wären. Ausnahmen sind regelmäßig von demjenigen zu beweisen, der sich darauf beruft. Wenn sich die Beklagte auf das Vorliegen eines beratungsfreien Geschäfts nach § 46 WAG 2007 beruft, muss sie den Umstand beweisen, dass sie ihre Leistungen "auf Veranlassung des Kunden" erbracht hat. Die Klauseln 2 und 8 ändern demnach die Beweislastverteilung für das Vorliegen eines beratungsfreien Geschäfts nach § 46 WAG 2007 zu Lasten des Konsumenten, weshalb diese Klauseln nach § 6 Abs 1 Z 11 KSchG unzulässig sind.

[7] Vorbehaltlich einer von mir/uns ausdrücklich erteilten Weisung akzeptiere(n) ich/wir die mir/uns übermittelten Durchführungsgrundsätze des Kreditinstitutes.

Da dem Konsumenten, wenn er hinsichtlich der Durchführungsgrundsätze seine Möglichkeit zur Kenntnisnahme und damit die Einbeziehung in das Vertragsverhältnis bestreitet, die Beweislast dafür auferlegt wird, dass ihm die Durchführungsgrundsätze nicht übermittelt wurden, verstößt die Klausel 7 gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG.


Intransparenter Verweis auf Börsenusancen
[3] Für die Abwicklung von Wertpapieraufträgen gelten insbesondere die in- und ausländischen Börsenusancen.
Die Bedeutung des Verweises auf die Börsenusancen ist für den durchschnittlichen Verbraucher nicht verständlich und es bleibt unklar, inwieweit diese Börsenusancen die im Wertpapierauftrag getroffenen Vereinbarungen abändern oder zumindest dispositives Auftragsrecht verdrängen, und unklar bleibt auch, welche Börsenusancen gemeint sind und wie der Kunde den Inhalt dieser Usancen in Erfahrung bringen kann. Insofern liegt jedenfalls die Intransparenz der Klausel nach § 6 Abs 3 KSchG vor.


OGH 30.8.2017, 1 Ob 113/17z
Klagsvertreter: Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien

Das Urteil in Vollversion.

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