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Urteil: VKI-Erfolg gegen aggressive Schulwerbung

Auf eine Verbandsklage des VKI - im Auftrag des Sozialministeriums verpflichtete sich die Raiffeisen NÖ-Wien zur Unterlassung von aggressiven Geschäftspraktiken, die sich an Schüler richteten. Die Verfahren zur Schulwerbung haben darüber hinaus auch verfassungsrechtliche Dimension.

Ziffer 28 Anhang UWG untersagt direkte Kaufaufforderungen an Kinder (dh jedenfalls Minderjährige bis 14 Jahren, vgl 4 Ob 110/12y), ein Produkt zu kaufen oder entsprechend auf Erwachsene einzuwirken. In der Aufforderung der Beklagten, und zwar im direkten Gespräch mit Schülern im Unterricht als auch auf ihren an Schulen ausgeteilten Werbefoldern, "Besuch uns mit deinen Eltern in der nächsten R-Filiale und hol dir deinen persönlichen Burton-Rucksack und deine Junior-Card!" liegt nach Ansicht des VKI ein Verstoß gegen Z 28 UWG-Anhang, wobei der OGH diese Ziffer bisher äußerst restriktiv ausgelegt hat (4 Ob 95/13v).

Nachdem es sich um eine vollharmonisierende Regelung handelt, müsste über ihre Auslegung letztendlich der EuGH entscheiden.

Die Bank verpflichtete sich hier allerdings zur Unterlassung der beanstandeten Geschäftspraktik.

Datensammlung

Gemäß § 1a UWG gilt eine Geschäftspraktik als aggressiv, wenn sie geeignet ist, die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Marktteilnehmers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung oder unzulässige Beeinflussung wesentlich zu beeinträchtigen und ihn dazu zu veranlassen, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Abzustellen ist auf den Empfängerhorizont, wobei hinsichtlich Minderjähriger als besonders verletzliche Zielgruppe ein niedrigerer Bewertungsmaßstab anzulegen ist.

Die Beklagte bot einen für Kinder besonders attraktiven Anreiz, nämlich den Rucksack einer beliebten und teuren Marke. Um diesen zu erhalten mußten sie nichts tun, als ihre Daten zur Verfügung zu stellen, was aus kindlicher Sicht wohl als extrem vorteilhafter Tausch zu werten ist. Dazu wurde durch die Präsentation im Unterricht, das Herumreichen von Unterschriftslisten, und die Möglichkeit, den Rucksack auch durch das Anwerben von Freunden zu gewinnen, noch zusätzlich Gruppendruck erzeugt.

Die Kinder sind in so einem Fall nicht in der Lage, die Tragweite ihrer geschäftlichen Entscheidung - etwa die Datenherausgabe, aber auch der Besuch der Bankfiliale (vgl. EuGH 19.12.2013, C-281/12 Trento Sviluppo) - zu erkennen, noch dazu, weil sie auf die Situation von Werbung in der Schule kaum vorbereitet sind - Eltern werden vielleicht zur Vorsicht mit der Datenbekanntgabe bei der Benutzung des Internet mahnen, eine solche Warnung für die Schule aber kaum in Betracht ziehen.

Auch diese Praktik verpflichtete sich die Bank in Zukunft zu unterlassen.

Verfassungsrechtliches Indoktrinationsverbot


Unabhängig vom lauterkeitsrechtlichen Aspekt müßten Schulen bzw der Staat allerdings darauf achten, dass derartige Werbung an Schulen gar nicht stattfindet. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) leitet aus Art 2 1. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention, die in Österreich in Verfassungsrang steht, ein Indoktrinationsverbot ab - Schulen müssen frei von einseitiger und/oder manipulativer Gestaltung des Unterrichts sein (Stichwort:Kruzifix in Schulen).

"Dies umfasst auch das räumliche und zeitliche Umfeld der Schule. Wenn nun Schüler für geschäftliche Interessen Dritter während der Schulöffnungszeiten auf dem Schulgelände vereinnahmt werden, wäre das eine Indoktrination, die von der Schule zu unterbinden ist. Schulorganisationsgesetz (SchOG) § 2 SchOG erläutert die Aufgaben der Schule - die Mitwirkung an der Entwicklung der Anlagen junger Menschen, die sich unter anderem an den Werten des "Guten, Wahren, Schönen" zu orientieren hat. Ein Ziel ist die Befähigung der jungen Menschen zur selbständigen Urteilsfindung. Gerade dieses Ziel wird durch -mehr oder minder subtile Werbung an Schulen, wobei an die als Mitteilungsheft getarnte Werbung an Volksschüler, die Marketingveranstaltungen der Bank während des Unterrichts und die Alkohol verherrlichende Maturareisenkataloge zu denken ist - wohl nicht gefördert.

 Im Rahmen der Schulautonomie entscheiden zwar die Direktoren über die Zulässigkeit von Werbung und Marketing an ihrer jeweiligen Schule, sie haben aber für die Einhaltung aller Gesetze zu sorgen - inklusive UWG, SchUG, SchOG und Menschenrechtskonvention.

HG Wien, 17.10.2014, 43 Cg 18/14s
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Klagevertreterin: Dr. Anne Marie Kosesnik-Wehrle, RA in Wien

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