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Urteil: VKI-Erfolg gegen "Österreich"

Der VKI erreichte aktuell ein Unterlassungsurteil gegen die Mediengruppe Österreich wegen aggressiver Geschäftspraktiken iSd Z 29 Anh-UWG. Das Handelsgericht Wien sah in der Praktik der Beklagten, AbonnentInnen unaufgefordert Magazine zu schicken, und sie dann zu informieren, dass es sich um ein Testabo handle, das abzubestellen sei, eine verbotene unverlangte Warenzusendung.

Mehrere KonsumentInnen beschwerten sich beim VKI. Einer davon hatte seit 2010 "Österreich" mit der Samstagsbeilage "Madonna" abonniert, und im Februar 2016 dazu zwei weitere Magazine erhalten. Irgendwann schrieb ihm die Beklagte, dass er die neuesten Magazine "Reiselust" und "Naturlust" einen Monat völlig gratis erhalten habe, dieser Test aber mit 05.03.2016 ende.

Falls die AbonnentInnen diese Magazine weiter zugesandt erhalten wollten, habe sie für sie ein besonders günstiges Angebot, nämlich die Übersendung dieser beiden Magazine für EUR 4,00/Monat. Wer dieses einmalige Sonderangebot nicht in Anspruch nehmen wolle, könne die Magazine per Fax, Mail oder einem Anruf bei der Abo-Hotline abbestellen.

Der VKI brachte eine Verbandsklage auf Unterlassung ua wegen Verstoßes gegen Z 29 Anh-UWG ein.

Zur Anwendbarkeit des UWG

Die Bestimmung gilt auch für Zeitschriftenverlage und ist nicht auf UnternehmerInnen iSd Gewerbeordnung beschränkt (sondern Unternehmerbegriff des KSchG und UGB), wie die Beklagte im Verfahren vorbrachte. Dass der Begriff "Gewerbetreibende" sehr weit zu verstehen ist, hat auch der EuGH in seinem Urteil vom 3.10.2013, C-59/12 BKK Mobil Oil festgehalten.

Der Umstand, dass der Verbraucher im Anlassfall vor Jahren eine gewerbliche Webseite betrieben hatte, schadete ebenfalls der Anwendbarkeit des UWG nicht, weil er die Webseite nicht mehr gewerblich betreut. In jedem Fall kommen aber auch UnternehmerInnen, wenn sie privat agieren, in den Genuss der Verbraucherschutzregeln.

Veranlasste oder bestellte Warenzusendung?

Gemäß Z 29 Anh-öUWG stellt die Aufforderung des Verbrauchers/der Verbraucherin zur sofortigen oder späteren Zahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der/die Gewerbetreibende ohne Veranlassung des Verbrauchers/der Verbraucherin geliefert hat (unbestellte Waren und Dienstleistungen) eine jedenfalls aggressive Geschäftspraktik dar. Hier hat sich der Gesetzgeber offensichtlich an den in Österreich schon zuvor geltenden § 864 Abs 2 ABGB betreffend die Folgen einer Warenzusendung, die ohne Veranlassung des Verbrauchers/der Verbraucherin erfolgt ist, angelehnt. Der Richtlinientext der Anhangsziffer 29 ist allerdings etwas weiter gefasst, denn diese verbietet die Aufforderung des Verbrauchers/der Verbraucherin ua zur Bezahlung von Produkten, die dieser/diese nicht bestellt hat. Es ist davon auszugehen, dass eine Bestellung wohl iaR ausdrücklich bzw aktiv erfolgen wird, wohingegen die Veranlassung nicht notwendigerweise ein aktives Tun verlangt.

Die nationalen Regeln sind, umso mehr weil die UGP-Richtlinie 2005/29/EG vollharmonisiert, jedenfalls im Sinn der strengeren RL-Bestimmung auszulegen. 

Im Verfahren argumentierte die Beklagte damit, dass der Verbraucher die Warenzusendung veranlasst habe. Schon allein in der Tatsache, dass jemand die Tageszeitung abonniert habe, läge die Veranlassung der Zusendung weiterer Zeitungen/Zeitschriften, so die Beklagte.

Das Gericht verneinte das:

Eine Warenlieferung war durch die Zusendung von Magazinen nach Ansicht des Gerichts gegeben. Ohne Veranlassung sei dies dann der Fall, wenn die Zusendung ohne adäquate Verursachung des Empfängers/der Empfängerin erfolgt. Dies liege auch vor, wenn im Rahmen eines bestehenden Vertrages nicht vereinbarte Zusatzlieferungen erbracht werden (mVa Burgstaller in Wiebe/Kodek, UWG2 Anhang zu § 1a  Rz 111). 

Gleichzeitige Zusendung von Ware und Zahlungsaufforderung?

Als unlauter ist ein solches Verhalten anzusehen, wenn der Warenlieferung eine Zahlungsaufforderung beigegeben wird. Die gleichzeitige Zusendung von Ware und Zahlungsaufforderung wird weder im Gesetzestext noch in der Literatur gefordert. Daher ist es irrelevant, ob die Beklagte dem Abonnenten zuvor angekündigt hat, die Ware in weiterer Folge zu einem Gratistest zuzustellen und erst in einem späteren Schreiben auf die künftige Zahlungspflicht aufmerksam machte. 

Im vorliegenden Fall hatte der Kunde zwar auch eine Leistung des Unternehmers bezogen, jedoch eine andere. Im Rahmen der Vertragsbeziehung wurden weitere, neue Waren geliefert. Nach der erstmaligen Lieferung wurde eine Vertragsänderung angestrebt. Es sollten die unbestellten Magazine in das bestehende Abonnement integriert werden und dafür ein neuer höherer Preis gezahlt werden. Hier liegt also eine unbestellte Ware iSd Z 29 UWG-Anhang vor, nicht eine allgemeinere aggressive Geschäftspraktik. Die Entscheidung des OGH 4 Ob 27/13v (SMS-Zusatzoption) war nach Ansicht des Gerichts daher hier nicht einschlägig.

HG Wien 24.8.2017, 68 Cg 38/17w

Klagevertreterin: Dr. Anne Marie Kosesnik-Wehrle, RA in Wien

Anm: Das Urteil wurde durch den OGH 29.5.2018, 4 Ob 68/18f bestätigt.

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