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Urteil: VKI gewinnt Verbandsklage gegen Fernwärme Wien

OLG Wien bestätigt, dass überlange Vertragsbindung gesetzwidrig ist.

Wie in VR-Info 4/2003 bereits berichtet, haben wir gegen die Fernwärme Wien die Verbandsklage wegen überlanger Vertragsbindungen eingebracht und das Verfahren in erster Instanz gewonnen. Erwartungsgemäß hat die Gegenseite Berufung erhoben, die allerdings nicht zum Erfolg führte. Das OLG Wien hat das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichtes vollinhaltlich bestätigt. Diese Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig, da die Gegenseite noch Revision an den Obersten Gerichtshof erheben könnte.

Folgende Klauseln waren strittig:

1) Die Vertragsdauer sowie die Kündigungsbestimmungen werden in Übereinstimmung mit § 15 Abs 3 KSchG wie folgt vereinbart:

Der Wärmelieferungsvertrag wird grundsätzlich auf die Dauer des Mietverhältnisses zwischen dem Großkunden und dem Kunden geschlossen und ist während dieser Zeit - unbeschadet von Punkt VII.1 - beiderseits unkündbar. Er endet jedenfalls mit dem Mietverhältnis sowie mit dem Ende des Vertrages zwischen dem Großkunden und Fernwärme Wien. Der Vertrag kann vom Kunden nur gleichzeitig mit dem Mietvertrag aufgekündigt werden.

2) Im Falle von Wohnungseigentum wird der Vertrag auf die Dauer des Eigentumsrechts des Kunden am Nutzungsobjekt abgeschlossen und ist während dieser Zeit - unbeschadet von Punkt VII.1 - beiderseits unkündbar. Er kann vom Kunden nur bei gleichzeitiger Übertragung des Eigentumsrechts aufgekündigt werden und endet jedenfalls bei Erlöschen des Eigentumsrechts sowie bei Auflösung des Vertrages zwischen der Eigentümergemeinschaft und Fernwärme Wien.

3) Bei Änderung der Besitz-, Eigentums- oder Miteigentumsverhältnisse hat der Kunde dafür zu sorgen, dass der Nachfolger in die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag eintritt. Innerhalb eines Monats, nachdem dies geschehen ist und der Veräußerer der Fernwärme Wien eine schriftliche Mitteilung gemacht hat, erlischt die Haftung aus diesem Vertrag.

Nach der ersten und zweiten Klausel sollte der Vertrag für die Dauer des Mietverhältnisses bzw. für die Dauer des Eigentumsrechtes nicht kündbar sein. Wir haben darin einen Verstoß gegen § 15 Abs 3 KSchG gesehen. Gemäß § 15 Abs 3 KSchG können den Umständen angemessene, vom Absatz 1 und 2 abweichende Kündigungstermine und Kündigungsfristen nur dann vereinbart werden, wenn die Erfüllung des Vertrages erhebliche Aufwendungen des Unternehmers erfordert. In den AGB der Fernwärme Wien findet sich zwar ein Hinweis auf "erhebliche Aufwendungen" , allerdings - so meinten wir - reicht die bloße Behauptung besonderer Aufwendungen ohne diese nach Art und Umfang nachvollziehbar darzulegen, nicht aus. Vielmehr hat der Unternehmer dem Verbraucher die Mehrleistung genau zu erklären. Fehlt eine solche Konkretisierung, so kann der Wärmeliefervertrag eben nur unter Einhaltung der Kündigungsfristen gemäß § 15 Abs 1 KSchG gekündigt werden.

Das Berufungsgericht führte aus, dass der Verbraucher hinsichtlich der Dauer einer vertraglichen Bindung besonders schutzbedürftig sei. Mit der Kündigungsmöglichkeit nach § 15 KSchG soll der Verbraucher vor überlangen Vertragsbindungen geschützt werden. Zu berücksichtigen sei allerdings auch, dass Energieversorgungsunternehmer in der Regel erhebliche Kosten aufwenden müssen, um ein geeignetes Versorgungsnetz aufzubauen. Sie hätten daher das Bedürfnis, Abnehmer entsprechend lange an das Unternehmen zu binden. Wäre es Verbrauchern gestattet, die Versorgungsverträge sehr bald wieder zu lösen, würde sich die Versorgung der Abnehmer verteuern oder überhaupt unmöglich gemacht.

Die Bestimmung des § 15 Abs 3 KSchG komme deshalb den Anliegen der Energieversorger aber auch dem Wunsch der Verbraucher nach möglichst günstiger Energieversorgung dadurch entgegen, dass längerfristige Bindungen an derartige Verträge erlaubt werden. Voraussetzung dafür sei aber das Erfordernis erheblicher Aufwendungen zur Erfüllung des Vertrages sowie die Bekanntgabe dieser Umstände an die Betroffenen bei der Vertragsschließung. Vage Hinweise des Unternehmers reichen dabei nicht aus. Die alleinige Bekanntgabe des Umstandes, dass die Erfüllung bestimmter Verträge erhebliche Aufwendungen des Unternehmers erfordere, habe reine Alibifunktion; sie erlaube dem Verbraucher jedenfalls keine Beurteilung der für die Kalkulation maßgeblichen Umstände vor Vertragsabschluss. Vielmehr müsse dem Verbraucher erkennbar sein, welche besonderen Mehraufwendungen das Unternehmen treffen.

Sollte der Unternehmer nicht dazu in der Lage sein, eine Formulierung in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu finden, die den Verbraucher in verständlicher Form erkennen lässt, welche besonderen Mehraufwendungen das Unternehmen treffen, so stehen dem Unternehmer abweichende Kündigungstermine im Sinn des § 15 Abs 3 KSchG eben nicht zu.

Die dritte Klausel hielt das Berufungsgericht für gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB, da schon im Vorhinein von "außen" eine Umstellung auf ein anderes System unmöglich gemacht werde. Der Mieter oder Miteigentümer könne nicht einmal dann, wenn er die Absicht habe, die Wohnung zu verlassen, aus dem von der Beklagten oktroyierten Verhältnis ausscheiden. Findet der Kunde nämlich keinen Nachfolger für seine Wohnung, würde er weiterhin aus dem Vertrag haften. Diese Klausel schaffe ein eklatantes Ungleichgewicht zu Lasten des Konsumenten, der solange an den Vertrag gebunden bleibe, bis sein Nachfolger in den Vertrag mit der Beklagten eintrete.

OLG Wien 6.6.2003, 1 R 91/03i nk
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

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