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Urteil: Wieder Urteil: Änderung von Vertragshauptpunkten über Erklärungsfiktion unzulässig

Die Allgemeinen Bankbedingungen sehen vor, dass die Bank die Entgelte und den Leistungsumfang in der Weise ändern kann, dass die Bank dies dem Kunden mitteilt und die Änderung wirksam wird, wenn der Kunde nicht binnen 2 Monaten widerspricht. Nun gibt es ein zweites Urteil, in dem die Unzulässigkeit dieser Klausel festgestellt wurde.

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Steiermark die Volksbank Graz-Bruck. Die Klage war darauf gerichtet, dass diese Klausel, die auch von den anderen österreichischen Banken verwendet wird, unzulässig ist. Weiters ging der VKI im Auftrag der AK Stmk auch dagegen vor, dass die Volksbank Graz-Bruck aufgrund dieser Klausel die Entgelte für die Kontoführung änderte. 

Die Allgemeinen Bankbedingungen enthalten folgende Klausel:
"Über die vorstehenden Absätze (1) oder (2) hinausgehende Änderungen der Entgelte sowie Änderungen des Leistungsumfangs oder der Verzinsung sind nur mit Zustimmung des Kunden möglich. Solche Änderungen werden 2 Monate nach Verständigung des Kunden über die vom Kreditinstitut gewünschte Änderung wirksam, sofern nicht bis dahin ein schriftlicher Widerspruch des Kunden beim Kreditinstitut einlangt. Das Kreditinstitut wird den Kunden in der Verständigung auf die jeweils gewünschte Änderung sowie darauf aufmerksam machen, dass sein Stillschweigen mit Fristablauf als Zustimmung gilt. Der Kunde hat das Recht, seinen Girokontovertrag bis zum Inkrafttreten der Änderung kostenlos fristlos zu kündigen. Das Kreditinstitut wird den Kunden anlässlich der Mitteilung auf dieses Kündigungsrecht aufmerksam machen." (Z 45 Abs 3 AGB);

Vor kurzem hatte das LG ZRS Graz bereits in einem anderen Verfahren diese Klausel - nicht rechtskräftig - als gesetzwidrig eingestuft. Durch diese Klausel wird fingiert, dass ein bestimmtes Verhalten des Vertragspartners (zB ein Schweigen) als Zustimmung gilt (sog. Erklärungsfiktion).

Das Gericht stufte diese Klausel aus mehreren Gründen als gesetzwidrig ein: 
Die Klausel widerspricht der Geltungskontrolle von § 864a ABGB: Die Klausel ist für den Kunden nachteilig wegen der Möglichkeit einseitig durch die Bank, Hauptleistungspflichten des abgeschlossenen Vertrages im Wege einer Zustimmungsfiktion abändern zu können. Durch den ersten Satz der Klausel ("Änderungen…sind nur mit Zustimmung des Kunden möglich") wird auch bei einem durchschnittlich sorgfältigen Leser der Eindruck erweckt, es bedürfe einer ausdrücklichen Zustimmung. Das Wort "Zustimmung" ist im allgemeinen Sprachgebrauch positiv mit "Ausdrücklichkeit" besetzt, sodass zu befürchten ist, dass durch die Verwendung des Begriffs Zustimmung der nachfolgenden Wortfolge, die jedoch das Wesentliche dieser Klausel enthalten, nicht mehr die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt wird bzw. nicht mehr die erforderliche Bedeutung zugemessen wird.

Ebenso verstößt die Klausel gegen die Inhaltskontrolle gem § 879 Abs 3 ABGB: Da die inkriminierte Klausel Änderungen der Hauptleistungspflichten des Vertrages einseitig durch die Bank ermöglichen soll und dies in krassem Gegensatz zu den Grundsätzen des Vertragsabschlusses steht, zumal die betroffenen Kunden widersprechen müssen, um nicht Gefahr zu laufen, nach Ablauf der Widerspruchsfrist mit völlig anderen Konditionen als den Vereinbarten konfrontiert zu sein, ist die Klausel als sittenwidrig im Sinne der Bestimmung des § 879 Abs 3 ABGB zu betrachten, dies umso mehr, als die beklagte Partei durch die Anwendung dieser Klausel und die Änderung von Hauptleistungspflichten die Möglichkeit bekäme, zwingende Bestimmungen des VKrG zu umgehen und durch die Änderung von vereinbarten Konditionen ein massiver Eingriff in die Interessen des Verbrauchers erfolgt, der bei Abschluss des Vertrages mit der Bank darauf vertraut, dass sich wesentliche Elemente des Vertrages, wie beispielsweise Vertragslaufzeit oder Kreditrückzahlungsraten, nur im gesetzlich festgeschriebenen Umfang ändern können. 

Überdies widerspricht die Klausel § 6 Abs 1 Z 2 KSchG: Aus der Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG ergibt sich grundsätzlich die Wirkungslosigkeit vertraglicher Erklärungsfiktionen. Unter gewissen Voraussetzungen ist eine Erklärungsfiktion nach dieser Bestimmung aber zulässig (Es muss eine bestimmte und angemessene Frist für die fragliche Äußerung vorgesehen sein, der Unternehmer muss das Erfordernis des Hinweises auf die Bedeutung des Verhaltens des Verbrauchers einhalten.). Grundsätzlich kann nach der Judikatur nur ein berechtigtes Verwenderinteresse derartige vorformulierte Erklärungsfiktionen rechtfertigen (zB automatische Verlängerung diverser Vertragsverhältnisse). Die in der Vergangenheit als zulässige Beispiele einer Erklärungsfiktion genannten Beispiele betrafen aber Nebenpflichten oder Nebenabreden der entsprechenden Verträge, nicht jedoch Änderungen der Hauptleistungspflichten des Vertrages. Es ergibt sich aus der zitierten Gesetzeslage und dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers kein Anhaltspunkt dafür, dass auch Änderungen der essentialia negotii mittels Erklärungsfiktion zulässig seien.

Die inkriminierte Klausel widerspricht der Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Grundsätzlich können einseitige Änderungen von Entgelten oder Leistungen in Geschäftsbedingungen nur in sehr engen Grenzen vereinbart werden. Eine Entgeltänderungsklausel muss zweiseitig formuliert sein, die maßgeblichen Umstände müssen - klar und verständlich - im Vertrag unterschrieben werden und sachlich gerechtfertigt sein, ihr Eintritt darf nicht vom Willen des Unternehmers abhängen. Da durch die inkriminierte Klausel grundsätzlich einseitig eine wesentliche Änderung des Entgeltes erfolgen kann und dem Determinierungsgebot der zitierten Bestimmung durch diese Klausel nicht entsprochen wird, liegt ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG vor.

Da nach § 6 Abs 2 Z 3 KSchG der Unternehmer eine von ihm zu erbringende Leistung auch nicht einseitig ändern oder von ihr abweichen kann, es sei denn, die Änderung bzw Abweichung ist dem Verbraucher zumutbar, besonders weil sie geringfügig und sachlich gerechtfertigt ist, die inkriminierte Klausel durch die einseitige Möglichkeit von  maßgeblichen Leistungsänderungen seitens der Bank die Überprüfung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, jedoch nicht erlaubt, verstößt die inkriminierte Klausel auch gegen die Bestimmung des § 6 Abs 2 Z 3 KSchG.

Auch der letzte vom VKI vorgebrachte Verstoß, nämlich gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG, wurde vom Gericht bejaht: Aus der Klausel Z 45 Abs 3 ABGB ist auf Grund ihrer Formulierung nicht erkennbar, dass auf diesem Weg Hauptleistungspflichten des Vertrages, sogenannte essentialia negotii über einseitigen Vorschlag der Bank mit Hilfe der in dieser Vertragsklausel formulierten Zustimmungsfiktion möglich sind, sodass die Klausel auch dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG widerspricht.

Aufgrund obiger Klausel teilte die Bank ihren Kunden in Kontoauszügen in Kreditverträgen Folgendes mit: "Änderungsmitteilung gemäß Paragraph 11 bzw Paragraph 22 VKrG. Die Entgelte für die Kontoführung und mit dieser in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen werden mit Wirkung vom 01.01.2011 geändert. Bitte wenden Sie sich an Ihren Kundenberater, der Sie über die geltenden Sätze gerne informiert und Ihnen auf Wunsch eine detaillierte Aufstellung ausfolgt. Ihre Zustimmung zur Entgeltänderung gilt als erteilt, wenn Sie nicht binnen 2 Monaten schriftlich widersprechen." 

Diese Mitteilung der Beklagten selbst enthält keine Information über den Inhalt der Änderung. Durch den Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 11 und 22 VKrG entsteht beim Konsument als Leser der Eindruck, die von der Beklagten gewählte Vorgehensweisewerde vom Gesetz gefordert. Die Vorgehensweise der Beklagten wird von den genannten Gesetzesbestimmungen jedoch weder gefordert, noch gedeckt. Diese Mitteilung ist daher unter dem Blickwinkel des § 6 Abs 3 KSchG intransparent und verstößt überdies gegen die Bestimmung des § 869 ABGB, wonach Erklärungen eines Vertragspartners, die Vertragsänderungen betreffen, im Sinne des allgemeinen Vertragsrechtes ausreichend bestimmt und verständlich sein müssen. 

Die einseitige Änderung der Entgelte ohne Auflistung ihres Inhalts im Wege einer Erklärungsfiktion ist auch aus den oben angeführten Gründen auch als sittenwidrig im Sinne des § 879 ABGB zu beurteilen.

Soweit auf die zu Grunde liegenden Vertragsverhältnisse das Zahlungsdienstgesetz anzuwenden ist, liegt ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 29 ZaDiG vor. Wenn die betreffenden Kreditkonten dem Verbraucher nicht nur für die Bezahlung der Zinsen und Kreditraten zur Verfügung stehen, sondern er von diesen Konten auch überweisen kann, liegt
ein Zahlungskonto im Sinne des § 3 Z 13 ZaDiG vor. In diesem Fall müsste bei einer Änderung der Entgelte § 29 ZaDiG eingehalten werden, was mit der vorliegenden Mitteilung nicht geschieht, da die Beklagte dem Verbraucher die angestrebte Änderung im Sinne des § 26 Abs 1 Z 1 ZaDiG nicht mitgeteilt hat. Das Übermitteln von Informationen per Kontoauszug gilt nicht als Mitteilung im Sinne des Zahlungsdienstgesetzes.

Das Urteil ist nicht rechtkräftig. (Stand: 7.5.2012).

Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien
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LG für ZRS Graz 23.04.2012, 14 Cg 102/11g

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