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Urteil: Zinsenstreit bei Unternehmerkredit - KSchG dient als Anhaltspunkt

Der OGH hat zu einer Preisanpassungsklausel in einem Unternehmerkredit ausdrücklich ausgesprochen, dass die Einzeltatbestände des § 6 KSchG zur Auslegung der "gröblichen" Benachteiliung iSd § 879 Abs 3 ABGB auch bei Verträgen herangezogen werden können, die keine Verbrauchergeschäfte iSd § 1 KSchG sind, sofern eine vergleichbare Ungleichgewichtslage besteht.

Ein Landwirt hatte im Jahr 1992 bei einem Kreditinstitut einen Abstattungskreditvertrag abgeschlossen, der folgende Zinsklausel enthielt: "Der Kreditgeber ist berechtigt, die vereinbarten Konditionen entsprechend den Geld-, Kredit- oder Kapitalmarktverhältnissen zu ändern. Eine solche Änderung kann eintreten zum Beispiel durch Erhöhungen der Einlagenzinssätze oder der Bankrate oder der Kapitalmarktrendite oder durch kredit- und währungspolitische Maßnahmen hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft, des Kreditvolumens oder der Mindestreserven oder durch Änderung der Bestimmungen über die Verzinsung von geförderten Krediten."

Der Kläger begehrte die Zahlung von EUR 20.631,17 wegen Gesetzwidrigkeit der Zinsklausel und ua die Feststellung, dass die Pauschalraten zur Tilgung des restlichen Saldos auf der Basis der Zinsanpassung nach der derzeit gültigen Zinsklausel der Beklagten (in eventu eine anderen, vom Gericht als richtig erachteten Maßstabes, wie zB nach SMR+VIBOR (EURIBOR)/2) zu berechnen und vorzuschreiben seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab ua mit der Begründung, dass die für die Anwendbarkeit von § 879 Abs 3 ABGB notwendige "gröbliche Benachteiligung" nicht eine der beiden Hauptleistungen betreffen darf. § 6 Abs 1 Z 5 KSchG sei nicht anwendbar, da der Kreditnehmer den Kreditvertrag im Rahmen seiner Landwirtschaft abgeschlossen hatte und daher das Konsumentenschutzgesetz nicht heranzuziehen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Klagebegehrens auf Zahlung von EUR 20.631,17, hob im Übrigen das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Gegen den Aufhebungsbeschluss richtete sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss hinsichtlich seiner Begründung abzuändern. Der Rekurs richtet sich gegen zwei Begründungselemente des Berufungsgerichtes, nämlich

a) die Unanwendbarkeit des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG auf die Zinsanpassungsklausel, weil die vom OGH zu Zinsanpassungsfällen entwickelten Grundsätze allgemein zivilrechtlichen Hintergrund aufweisen und

b) gegen die Heranziehung der "jeweils für derartige Kredite in Österreich verlangten üblichen Sätze" als Überprüfungsmaßstab, weil nach den allgemeinen Regeln der Vertragsinterpretation der konkrete Vertrag maßgeblich sei und nicht die "üblichen Sätze".

Der OGH führte dazu aus:

1.) Zur Zweiseitigkeit der Zinsanpassungsklausel:
In Hinblick auf das Erfordernis der Zweiseitigkeit von Preisänderungsklauseln auch im Unternehmergeschäft ist im Zweifel eine Zinsanpassungsklausel so zu verstehen, dass sie auch für den Fall des Sinkens der preisrelevanten Faktoren eine entsprechende Preissenkungspflicht besteht. Hat das Kreditinstitut den Zinssatz entsprechend gewissen Umständen zu "ändern", so ist es auch zu einer allfälligen Senkung verpflichtet, wenn sich die Faktoren dementsprechend ändern.

2.) Zur Heranziehung von Wertungen aus § 6 Abs 1 Z 5 KSchG:
Die analoge Anwendung von § 6 Abs 1 Z 5 KSchG auf Kredite zwischen zwei Unternehmern wird abgelehnt, da es diesbezüglich im Hinblick auf die Bestimmung des § 1056 ABGB an einer Gesetzeslücke fehlt. Aus § 1056 ABGB wird abgeleitet, dass das einer Vertragspartei eingeräumte Gestaltungsrecht auf Leistungsbestimmung nur im Rahmen der Billigkeit auszuüben ist. Im Unterschied zu Verbraucherkrediten, bei denen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG nicht nur inhaltliche Schranken, sondern auch Informationspflichten für einseitiges Entgeltsänderungsrecht seitens des Unternehmers vorsieht, bietet das ABGB ausschließlich inhaltliche Schranken in Form eines relativ grobmaschigen Ermessensspielraumes.

3.) Zur Frage der Unzulässigkeit der Zinsanpassungsklausel nach § 879 Abs 3 ABGB:
Der Klauselkatalog des § 6 KSchG kann nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung als Konkretisierungsmaßstab für die gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB dienen, weil diese Bestimmungen erkennen lassen, welche Regelungen der Gesetzgeber für ungültig erachtet, wenn ungleich starke Vertragspartner einander gegenüberstehen. Die Einzeltatbestände des § 6 KSchG können daher zur Auslegung der "gröblichen" Benachteiliung iSd § 879 Abs 3 ABGB auch bei Verträgen herangezogen werden, die keine Verbrauchergeschäfte iSd § 1 KSchG sind, sofern eine vergleichbare Ungleichgewichtslage besteht.
Die Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB beschränkt sich auf Nebenbestimmungen. Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Abgrenzung der Haupt- von der Neben-(leistungs-)pflichten so zu ziehen, dass die Ausnahmen von § 879 Abs 3 ABGB möglichst eng verstanden werden: Hauptpunkte sind nur diejenigen Vertragsbestandteile, die die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen festlegen, nicht aber Bestimmungen, die die Preisberechnung in allgemeiner Form regeln. Die hier strittige Zinsanpassungsklausel unterliegt daher grundsätzlich der Inhaltskontrolle iSv § 879 Abs 3 ABGB. Der OGH erachtet aber die vorliegende Zinsanpassungsklausel nicht als iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend. Unwirksam gemäß § 879 Abs 3 ABGB wäre eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Klausel, die dem Kreditgeber bloß das Recht zur Erhöhung des Zinssatzes einräumt, ohne ihn auch bei Veränderung der Umstände zu einer entsprechenden Senkung zu verpflichten.

4.) Zur Ausübung des Zinsgestaltungsrechtes iSd § 1056 ABGB:
Nach herrschender Auffassung schafft die Vereinbarung der Preisfestsetzung durch einen der Vertragspartner zwischen den Parteien grundsätzlich verbindliches Recht, sofern der Gestaltungsberechtigte nicht die ihm schon durch den Vertrag selbst gesetzten Grenzen überschreitet oder das Ergebnis offenbar unbillig ist.

Zur Frage, ob die beklagte Partei durch die Änderung bzw Nichtänderung die durch die vertragliche Vereinbarung selbst gesetzten Grenzen überschritten hat oder das Ergebnis offenbar unbillig ist, kann aber erst dann abschließend beurteilt werden, wenn feststeht, was bei Vertragsabschluss mit den in der vereinbarten Zinsanpassungsklausel angeführten Umständen gemeint war, und ob es dafür objektive Parameter gibt. Sofern der hypothetische Parteiwille nicht feststellbar sein sollte, ist hilfsweise auf die redliche Verkehrsübung sowie Treu und Glaube abzustellen. Ob die vom Kläger ins Treffen geführten Kriterien (zB Entwicklung des ungewichteten Mittels aus Sekundärmarktrendite Emittenten gesamt und des VIBOR) als geeignete Parameter herangezogen werden können, wird insbesondere an diesem Horizont zu messen sein.

Da im fortzusetzenden Verfahren die vom OGH als wesentlich erachteten rechtlichen Gesichtspunkte entsprechend zu erörtern und die zur Klärung dieser Fragen notwendigen Beweise aufzunehmen sind, bleibt es bei der Aufhebung des Ersturteils und Zurückweisung an das Erstgericht.

OGH 13.06.2006, 10 Ob 145/05d
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Klagevertreter: Dr. Alexander Klauser, RA in Wien

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