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Urteil: Zinsenstreit: HG Wien zur Verjährung

Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht in einem Verfahren über den Rückforderungsanspruch wegen einer unkorrekten Zinsanpassungsklausel festgehalten, dass das Wissen einer Stelle, die für den Kreditnehmer den Zinsschaden berechnet, nicht dem Kreditnehmer zugerechnet werden kann.

Die Klägerin, eine Kreditnehmerin, hatte bei der Beklagten einen Kredit, welchen sie im Jahre 1996 zur Gänze zurückzahlte. Der Klägerin, fiel im Jahr 2000 durch Medienberichte auf, dass Banken Kreditzinsen zu Lasten von Verbrauchern festlegten und dass Verbraucher ihre Kredite bei Konsumentenschutzverbänden nachrechnen lassen sollten. Die Klägerin rief daraufhin die Arbeiterkammer Wien an, welche ihr die Unterlagen, die diese zur Nachrechnung benötigte, nannte. Die Klägerin musste diese Unterlagen von der Beklagten anfordern, was drei bis vier Monate dauerte. Ende 2000 hatte die Klägerin alle Unterlagen zusammen und schickte sie an die Arbeiterkammer Wien zur Überprüfung.

Ende des Jahres 2001/Anfang 2002 urgierte die Klägerin die Berechnung, wobei sie von der AK Wien informiert wurde, die Berechnung würde dauern, da 3500 Akten zur Berechnung dort lägen. Die Abrechnung der AK Wien wurde am 31.08.2001 erstellt. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 19.07.2002 davon verständigt, dass nach Nachrechnung des Kredites die Klägerin nach der Berechnung der AK Wien eine Überzahlung in Höhe von EUR 2.623,77 geleistet hätte. Am 18.02.2005 brachte die Klägerin die Klage auf diesen Betrag ein.

Das Erstgericht wies die Klage zur Gänze ab, weil sowohl der Bereicherungs- als auch der Schadenersatzanspruch verjährt seien.

Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht ausgesprochen, dass noch keine Verjährung des Schadenersatzanspruches eingetreten sei.
Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Schädiger so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann. Die Kenntnis muss dabei den ganzen, den Anspruch begründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhanges zwischen Schaden und einem bestimmten, den Schädiger anzulastenden Verhalten, und die Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt. Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen nicht. Hat der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Umstände, so beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen.

Den Geschädigten soll aber bei entsprechend verdichteten Verdachtsmomenten, die Bank könnte ihre Verhaltenspflichten verletzt haben, eine Erkundigungsobliegenheit treffen. Diese Erkundigungspflicht darf allerdings nicht überspannt werden.

Bei komplizierten Sachverhalten wie vorliegend scheint es unangemessen, den Geschädigten in überspannter Weise dazu anhalten zu wollen, selbst die Frage des Schadenseintrittes bzw des Rechts- und Ursachenzusammenhangs aufzuklären. Dass hier die Klägerin ohne fremde Hilfe nicht in der Lage war, die entsprechenden Umstände aufzuklären, ist wohl evident.
Der Klägerin kann hier kein Verhalten zur Last gelegt werden, wonach sie ihre Erkundigungsobliegenheit verletzt haben könnte. So nahm sie bei der Arbeiterkammer Wien fachkundige Beratung in Anspruch und urgierte in der Folge die Berechnung ihres Kredites.

Die Klägerin wurde am 19.7.2002 von der Arbeiterkammer Wien vom Vorliegen eines Zinsschadens verständigt. Dass intern diese Berechung schon weit früher erstellt worden war, ist der Klägerin nicht anzulasten. So ist jedenfalls die Arbeiterkammer Wien nicht als Wissensvertreter der Klägerin zu betrachten (mit Verweis auf SZ 68/179; JBl 1983, 485). Die am 18.02.2005 bei Gericht eingebrachte Klage unterbrach sohin die Verjährung.

Daneben erwähnte das Handelsgericht Wien auch, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gäbe, dass die Klägerin als Konsumentin dazu verhalten gewesen wäre, die Unterlagen über den von ihr bereits 1996 rückerstatteten Kredit so lückenlos und vollständig präsent zu erhalten, dass eine Nachberechnung des Kredites jederzeit möglich wäre.
Das Handelsgericht Wien hat das Ersturteil aufgehoben und dem Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung zurückverwiesen.

HG Wien 26.01.06, 1 R 248/05z
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Klagevertreter: Dr. Alexander Klauser, RA in Wien

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