Rund 7000 Beschwerden über den AWD im Zusammenhang mit der Vermittlung von Immofinanz- und Immoeast-Aktien führten zu einer der größten Sammelklagen Österreichs (rund 2500 TeilnehmerInnen - Gesamtstreitwert rund 40 Mio Euro). Der VKI klagt - unterstützt von FORIS und vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Alexander Klauser - den AWD auf Schadenersatz wegen falscher Anlageberatung. Konkret werden dem AWD folgende Punkte vorgeworfen:
1. Systematische Fehlberatung
In den Jahren ab etwa 1990 wurden konservativen Anlegern im großen Stil Immobilienaktien (insb Immofinanz und auch Immoeast) als besonders sicheres Investment vermittelt.
Die Berater des AWD waren geschult worden, klassische Sparprodukte (Sparbuch, Bausparvertrag, …) schlecht zu reden und statt dessen als ertragreichere (6 - 8 Prozent) und gleich sichere Alternative Immobilienaktien anzubieten.
Diese Aktien wurden verschämt als "Immobilienfonds" bezeichnet, ein Gutachten im Auftrag der Constantia Privatbank diente als Beleg für die "Mündelsicherheit" des Investments und es wurde argumentiert, dass Immobilien besonders sicher - nur durch unwahrscheinliche Ereignisse wie Kriege bedroht seien. Die besonderen Risken von Aktien wurden dagegen - so die Aussagen der Beschwerdeführer - nicht dargestellt.
Dazu kam, dass - entgegen der Fachliteratur - auch nicht zur Streuung von Anlagen geraten wurde. In vielen Fällen wurde alles Vermögen auf eine Karte gesetzt; oder auf ziemlich gleiche Karten, wenn man zwischen verschiedenen Immobilienaktien "gestreut" hat.
Diese Fehlberatungen sind nicht wenige Ausreisser, sondern hatten offenbar System:
- Der AWD ist ein Strukturvertrieb und organisiert, wie eine auf dem Kopf stehende Pyramide. Zum Aufstieg im System sind zweierlei Erfolge nötig: Zum einen muss man bestimmte Vorgaben an Verkaufszahlen erreichen, zum anderen hat es Vorteile, wenn man viele neue Berater dem System zuführt. An der Basis werken nämlich die "Agenten" und diese sind in vielen Fällen Berufseinsteiger aus ganz anderen Berufen (Bäcker, Mechaniker, Musiker, …). Als Einsteiger wurde man gezielt angehalten, zunächst den eigenen Bekanntenkreis abzugrasen: Wer könnte Produkte kaufen? Wer könnte auch als Agent in Frage kommen? So hat man ziemlich flächendeckend den Zutritt zu den Wohnzimmern der Bevölkerung geschafft. Dazu kommt, dass hier Bekannte oder Verwandte als Berater auftreten, Vorschuss-Vertrauen in Anspruch nehmen und so ist es auch erklärlich, weshalb die Beratenen zwar in der Regel die vorbereiteten Gesprächsprotokolle unterzeichnet, aber nicht gelesen haben. "Eine Formalität" hieß es - wesentlich war das Gespräch zuvor. Das Problem: Zwischen dem Gesagten und dem Geschriebenen liegen Welten.
- Der AWD hat ein Anreizsystem durch Provisionen geschaffen, das dazu führen musste, dass insbesondere Immobilienaktien vermittelt wurden. Für einen Bausparvertrag bekam der Agent 0,34 Einheiten zugezählt, für Immo-Aktien dagegen bis zu 3,8 Einheiten. Diese Einheiten waren wichtig, für die Berechnung der Provisionen und für den Aufstieg im System. Neben den Abschlussprovisionen bekamen die Agenten - entsprechende Verkaufserfolge vorausgesetzt - unter dem Titel "Mandantenbetreuungsprovision" auch Anteile an den Bestandsprovisionen, die der AWD von der Constantia Privatbank bezogen hat. Immerhin 0,5 Prozent des gesamten Depotwertes aller AWD-Kunden bei der Constantia wurden da an den AWD geleitet. Defacto zahlten die Kunden an die Constantia zwischen 2 und 5 Prozent des Kaufpreises als Spesen - dieses Geld wurde - so die Constantia heute - direkt an den AWD geleitet. Den Kunden hat das der AWD in dieser Klarheit nie dargestellt.
- Neben allgemeinen Grundschulungen gab es zum einen sogenannte Produkt-Schulungen. Diese Schulungen wurden von Mitarbeitern der Constantia anhand von Materialien der Constantia durchgeführt. Wenn dort die Aktien als Fonds bezeichnet wurden, dann hat das den AWD nicht gestört. Der AWD machte dann - über seine Direktoren - auch noch Verkaufsschulungen. "Wenn der Kunde fragt … ... dann sagen Sie ……" -Kataloge wurden den Beratern eingetrichtert, Verkaufsargumente getrommelt und Verkaufsmotivationsevents wie "Telefonwettkämpfe" zwischen verschiedenen Direktionen veranstaltet.
2. Irreführende Werbung als "unabhängiger Finanzoptimierer"
2.1. "Unabhängigkeit"
Der AWD betonte seine "Unabhängigkeit". Den Kunden gegenüber sollten die Agenten betonen, dass der AWD für alle Produkte gleich viel Provision bekomme. Tatsächlich galt dies nur für Produktgruppen. Von Gruppe zu Gruppe gab es saftige Unterschiede. Und davon, dass man auch Bestandsprovisionen kassierte, sagte man den Kunden gar nichts.
Das Verschweigen dieser Interessenskonflikte führt zur Forderung nach Schadenersatz im Lichte der deutschen und der österreichischen Judikatur zu Kick-Back-Zahlungen. Wenn der BGH auch unlängst judiziert hat, dass der Finanzberater ungefragt nicht über Provisionen aufklären müsse, so geht dieses Urteil am hier vorliegenden Sachverhalt vorbei. Bestandsprovisionen bei Aktien sind ungewöhnlich und die unrichtige Information über die Provisionshöhe verschleiert ebenfalls den Interessenskonflikt.
2.2. "Finanzoptimierer"
Dem Kunden gegenüber hatten die Agenten des AWD als Finanzexperten aufzutreten, die "Wirtschaftsbilanzen" erstellen, Vermögensberatung machen und sich auch künftig um alle finanziellen Belange kümmern wollten. Man gab sich den Anschein besonderer Sachkenntnis und einer laufenden Betreuung der Kunden.
Tatsächlich hat der AWD offenbar alle Informationen rund um die Aktien von Immofinanz und Immoeast ungeprüft von der Constantia bzw der Immofinanz und Immoeast übernommen. Hätte der AWD selbst fachliche Prüfungen vorgenommen, dann hätte er spätestens ab 2006 - 2007 ein hohes Risiko bei diesen Aktien erkennen und seinen Kunden rechtzeitig zum Umschichten raten müssen. Das Gegenteil ist geschehen: Die Agenten wurden instruiert, den Kunden das Halten der Aktien, ja den Nachkauf zu empfehlen. Hier stellt sich die Frage, ob diese Entscheidung des AWD nicht sehr wohl durch den Bezug von Bestandsprovisionen beeinflusst war.
Der AWD verteidigt sich damit, dass er nicht als Vermögensverwalter tätig geworden sei; an die Zusagen, sich auch künftig um alle finanziellen Angelegenheiten der Kunden kümmern zu wollen, sieht er sich nun nicht gebunden. Die Kunden hätten das Horten und Halten der Aktien selbst zu verantworten.
In den nun anlaufenden Gerichtsverfahren werden eine Reihe von Ex-AWD-Beratern bis hin zu den Geschäftsführern als Zeugen beantragt werden, wir werden verschiedenste Privatgutachten zur Erkennbarkeit des Risikos der Aktien und zu den Verhaltenspflichten eines Anlageberaters vorlegen und es werden tausende Geschädigte zu Wort kommen und berichten, was sich in der Realität abgespielt hat. Wenn dieses Monster-Verfahren zu Ende ist, wird klar sein, wie das "System AWD" funktioniert hat und auch die Politik wird sich fragen müssen, ob man diese Vertriebsform weiter als zulässig ansehen will.