Die Bundesarbeitskammer hat im September 2008 26 Klauseln eines Kreditvertragsformulars des Österreichischen Genossenschaftsverbands als sitten- bzw gesetzeswidrig abgemahnt. Bezüglich 8 der abgemahnten Klauseln hat der ÖGV die geforderte vorbehaltslose Unterlassungserklärung abgegeben, bezüglich 3 weiterer Klauseln hat er keine Unterlassungserklärung abgegeben, und hinsichtlich 15 Klauseln hat er zwar eine Unterlassungserklärung abgegeben, diese jedoch mit Ersatzklauseln ergänzt, die nach Ansicht des ÖGV als nicht sitten- bzw gesetzeswidrig beurteilt wurden und deren Verwendung er sich an Stelle der abgemahnten Klauseln vorbehalten hat.
Die AK brachte bezüglich der 3 strittigen und der 15 mit Ersatzklauseln ergänzten Klauseln Verbandsklage ein, das Handelsgericht Wien (10.02.2010, 39 Cg130/08y) gab der Klage in vollem Umfang statt, das OLG Wien (21.10.2010, 4 R 89/10b) bestätigte mit Ausnahme der Klausel 6 des klagstattgebende Urteil des Erstgerichts. Eine Leistungsfrist wurde nicht zuerkannt, da der beklagten Partei nur die Unterlassung einer Empfehlung auferlegt wird. Die ordentliche Revision wurde als zulässig erkannt, weil die Rechtsprechung zur Frage des Wegfalls der Wiederholungsgefahr bei einer Ersatzklauseln enthaltenden Unterlassungserklärung auf bisher nicht ausführlich behandelte Kritik in der Lehre gestoßen sei.
Der OGH verstärkte sich bezüglich der Frage der Wiederholungsgefahr durch Unterlassungserklärung mit Vorbehalt von Ersatzklauseln sowie zur Frage, ob 6 Abs 1 Z 11 KSchG auf Tatsachenbestätigungen anwendbar ist oder nicht.
Erfreulich ist, dass der verstärkte Senat des OGH die ständige Judikatur bestätigt hat, dass jeglicher Vorbehalt in der abgegebenen Unterlassungserklärung zur Folge hat, dass die Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. Das geht so weit, dass auch im Fall der „Übermaßabmahnung“ eine bloß teilweise Unterwerfungserklärung die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. Nach Ansicht des OGH handelt es sich nämlich bei Abmahnung und Unterlassungserklärung um rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, sodass nur die völlig vorbehaltslose Unterlassungserklärung die Willenseinigung herbeiführen kann und dann konstitutive Wirkung hat, die zur Folge hat, dass bei Weiterverwendung der Klausel die Konventionalstrafe auch zu zahlen ist, wenn die Klausel gar nicht gesetzwidrig sein sollte. Der verstärkte Senat hat ausgesprochen, dass den gegenteiligen Auffassungen in 2 Ob 198/10x und 10 Ob 25/09p nicht zu folgen sei.
In einer Presseaussendung stellt der OGH zusammenfassend klar: Eine Unterlassungserklärung darf weder Vorbehalte noch Ersatzklauseln enthalten, sonst bleibt die Wiederholungsgefahr aufrecht und es kann Verbandsklage geführt werden.
Auch hat der OGH (nicht verstärkt) bezüglich zweier strittiger Klauseln die stattgebende Entscheidung des OLG Wien bestätigt.
Danach wurde eine Klausel, die vorsieht, dass künftige Änderungen der Entgelte in der vereinbarten Weise bekanntgegeben werden, als intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG bestätigt. Es ist für den Durchschnittsverbraucher nicht leicht verständlich, auf welche Vereinbarung tatsächlich Bezug genommen wird (Klausel 5).
Weiters hat der OGH bestätigt, dass Klausel 16, die eine Kündigung aus wichtigem Grund vorsieht, gegen § 6 Abs 2 Z 1 KSchG und gegen § 879 Abs 3 ABGB verstößt. Ein wichtiger Grund, der eine Kündigung rechtfertigt, ist erst dann erfüllt, wenn der in der Klausel angeführte Umstand die Erfüllung der Verbindlichkeiten gegenüber der Bank auch tatsächlich gefährden kann. Dies sei aber etwa dann nicht der Fall, wenn – trotz wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse – weitere Sicherheiten vorhanden sind oder vom Kreditnehmer oder dritter Seite gestellt werden können. Da die Klausel nicht auf die Gefährdung der Rechtsposition der Bank abstellt, fehlt es an der sachlichen Rechtfertigung des Rücktrittsrechts.
Weniger erfreulich ist, dass der OGH die Revision der AK bezüglich Klausel 6 abgewiesen hat, ohne aber eine Entscheidung darüber zu treffen, ob § 6 Abs 1 Z 11 KSchG auf Tatsachenbestätigungen anwendbar ist oder nicht. Er hat sich vielmehr der Ansicht des Berufungsgerichtes angeschlossen, wobei die Klausel 6. gar keine die Beweislast verschiebende Tatsachenbestätigung sei, sodass sich die Frage der Anwendbarkeit von § 6 Abs 1 Z 11 KSchG gar nicht stelle. Aus diesem Grund hat der verstärkte Senat dazu auch keinen Rechtssatz gebildet. Es ging dabei um eine Klausel, in der der Kreditnehmer die Kenntnisnahme des effektiven Jahreszinssatzes bestätigt.
Weiters hat der OGH zu zwei weiteren von den Unternehmen in der letzten Zeit verstärkt eingewendeten Themen zu Gunsten der Unternehmen Position bezogen, und zum Veröffentlichungsbegehren der beklagten Unternehmen bezüglich der von ihr obsiegten Klauseln sowie zur Leistungsfrist. In beiden Fällen handelt es sich um keine Entscheidung des verstärkten Senats, der OGH hat sich nur zu 2 Themen verstärkt, nämlich zur Frage der Wiederholungsgefahr bei den Ersatzklauseln bzw sonstigen Vorbehalten sowie zur Frage der Anwendbarkeit des § 6 Abs 1 Z 11 KSchG auf Tatsachenbestätigungen.
Bezüglich des Veröffentlichungsbegehrens hinsichtlich des abweisenden Teils des Urteilsspruchs bleibt zu hoffen, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, wie sie schon einmal im Verfahren des VKI gegen Visa getroffen wurde (10 Ob 70/07b). Befremdend ist dabei die Argumentation des OGH, wonach das Veröffentlichungsinteresse sei schon deswegen zu bejahen, weil der effektive Jahreszinssatz zu den zwingenden Angaben zählt. Wird diese Rechtsprechung verfolgt, müsste man für jede abgewiesene Klausel separat die Berechtigung eines Veröffentlichungsbegehrens prüfen. Sollte sich die Rechtsprechung verfestigen, würde dies das Kostenrisiko der Verbandsklageverfahren naturgemäß wesentlich erhöhen.
Weiters hat der OGH der beklagten Partei eine Leistungsfrist von 3 Monaten für die Abänderung der Klauseln, die im Verbandsklagsverfahren materiell strittig waren, eingeräumt, das OLG Wien hatte eine solche nicht zuerkannt. Der OGH begründet dies mit dem Rechtsstaatsprinzip, wonach gerichtliche Entscheidungen in der Regel erst nach deren Rechtskraft vollstreckbar sind. Vor Ausschöpfung der zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten hatte die beklagte Partei keine Veranlassung, ihre AGB entsprechend zu ändern. Hinsichtlich jener Klauseln, zu denen die beklagte Partei Unterlassungserklärungen abgegeben hatte und sie damit die Gesetzwidrigkeit selbst zugestanden hat, sah der OGH die Einräumung einer Leistungsfrist als unbegründet, da die beklagte Partei seit der Unterlassungserklärung ausreichend Zeit gehabt hätte, die beanstandeten Klauseln zu ändern.
OGH 11.9.2012, 6 Ob 24/11i
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Klagevertreter: RA Dr. Walter Reichholf, Wien