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Kredite: Verrechnet!

Was Konsumenten zusteht

Unfaire Klauseln haben Kredite teurer gemacht. Jetzt müssen Banken zuviel verrechnete Zinsen korrigieren. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) erklärt, wer davon betroffen ist.

Verbandsklagen, Musterprozesse und Sammelklagen: Seit Jahren kämpft der Verein für Konsumenteninformation (VKI) gegen unfaire Praktiken der Banken bei Kreditverträgen. Sei es bei Krediten, die Verbraucher vor 1997 aufgenommen haben - sei es bei jenen, die nach Einführung der Zinsgleitklausel 1997 durch einseitiges Aufrunden für einen Turboeffekt bei der Zinsbelastung sorgen.

VKI-Sieg vor Gericht

Das konsequente Vorgehen des VKI macht sich bezahlt, wie jüngste Gerichtsurteile zeigen. Immer mehr Banken sind gezwungen, unfaire Klauseln aus ihren Geschäftsbedingungen zu verbannen und geschädigten Konsumenten zu viel bezahlte Beträge rückzuerstatten. "Unser Erfolg gegen die "Aufrundungsspirale" bei Kreditverträgen nach 1997 ist ein gelungenes Musterbeispiel für eine präventive Marktkontrolle in Form von Verbandsklagen, wie sie der VKI seit über 10 Jahren - im Auftrag des jeweils für Konsumentenschutz zuständigen Ministeriums - betreibt", freut sich VKI-Geschäftsführer DI Hannes Spitalsky. Die Konsumenten bekommen Geld retour ohne sich einzeln mit ihrer Bank herumstreiten zu müssen.

Geld zurück für Kreditnehmer

Auch was Kredite anbelangt, die vor 1997 aufgenommen wurden und bei denen, so der VKI, einseitige Zinsanpassungsklauseln zu Lasten der Konsumenten üblich waren, zeigt sich der Leiter der VKI-Rechtsabteilung, Dr. Peter Kolba, optimistisch: "Für unsere Sammelklage gegen die BAWAG rechnen wir in wenigen Monaten mit einer richtungsweisenden Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofs". Bank Austria oder die Erste Bank zahlen in der Regel in "Kulanz" bereits seit längerer Zeit einen Gutteil der geforderten Beträge an die Kreditnehmer zurück.

Einseitiges Aufrunden gesetzwidrig

Im Jahr 1997 führten die Banken - unter dem Druck des Gesetzgebers - für variabel verzinste Verbraucherkredite weitgehend nachvollziehbare Zinsgleitklauseln ein. Die variablen Zinsen müssen danach an Parameter des Geld- und Kapitalmarktes (Vibor/Euribor bzw Sekundär-marktrendite) angepasst werden. Steigen diese Marktzinsen, dann steigen auch die Kreditzinsen. Fallen diese Marktzinsen, dann müssen auch die Kreditzinsen gesenkt werden.

Rundung nicht korrekt

Viele - aber nicht alle - Banken haben dennoch versucht, sich ein "Körberlgeld" zu verdienen. In den Zinsgleitklauseln war vorgesehen, dass bei jeder Zinsänderung auf den nächsten Achtel-, vereinzelt auch auf Viertelprozentpunkt, aufgerundet wird. Da in vielen Fällen jede Zinsänderung von einem gerundeten Ausgangswert weitergerechnet wurde, entstand eine "Aufrundungsspirale". Das hatte den Effekt, dass einige Banken ihren Kreditnehmern erheblich mehr an Zinsen verrechnet haben als bei einer fairen kaufmännischen Rundung.

Schaden für Kreditnehmer

Mag. Max Reuter, Leiter der Abteilung Finanz-Dienstleistungen, rechnet an einem Beispiel vor: "Der Schaden durch derartige "Aufrundungsspiralen" bei einem Kredit in der Höhe von 72.000 Euro (ungefähr eine Million Schilling) könnte beispielsweise bei ungehinderter Fortsetzung nach einer Gesamtlaufzeit von 10 Jahren (also nach dem Jahre 2007) über 7.000 Euro betragen. Unter den selben Bedingungen beläuft sich der bisher angefallene Zinsschaden zum Jahreswechsel 2002/2003 auf bis zu 3.000 Euro."

Unwirksame Klauseln

Der VKI ist gegen die Bank Austria, die Raiffeisenlandesbank NÖ Wien und die PSK - stellvertretend - mit Verbandsklage vorgegangen und bekam beim Obersten Gerichtshof Recht: In einer Zinsgleitklausel bei jeder Zinsänderung aufzurunden - statt etwa eine kaufmännische Rundung zu verwenden - ist sachlich nicht gerechtfertigt und verletzt das Gebot der Zweiseitigkeit. Solche Klauseln sind unwirksam. Die Banken dürfen sich auf solche Klauseln auch nicht berufen.

Zwischen 1997 und 2001

Bei Verbraucherkrediten mit variablen Zinsen, die zwischen 1.3.1997 und Sommer 2001 abgeschlossen wurden (und eine Aufrundungsklausel enthalten) und die noch nicht zurückbezahlt sind, müssen die Banken nun von sich aus den aushaftenden Saldo und den Zinssatz senken. Das bedeutet, dass die Kunden weniger zurückzahlen müssen und die aktuelle Zinsbelastung sinkt. Die Banken haben auch angekündigt diese Korrekturen vorzunehmen bzw sind dabei diese Korrekturen durchzuführen. Wurde dagegen ein solcher Kredit bereits zurückbezahlt, dann muss der Kunde selbst aktiv werden und die Korrektur bei der Bank verlangen.

Unterlassung aufgrund VKI-Mahnung

Der VKI hat - im Lichte dieser klaren Rechtsprechung des OGH - eine Reihe weiterer Banken abgemahnt und entsprechende Unterlassungserklärungen erhalten.

Bank

Unterlassungs-Erklärung vom

Umsetzung bis

Erste Bank

25.2.2003

 14.4.2003

Raiffeisen Landesbank Steiermark (1)

17.2.2003

-

Raiffeisenbank St. Margarethen-Seckau

3.3.2003

-

Bank Burgenland AG

3.3.2003

-

Oberbank AG

3.3.2003

-

Raiffeisenverband Salzburg (2)

10.3.2003

31.3.2003

Raiffeisenkasse Großgmain (2)

10.3.2003

31.3.2003

Salzburger Sparkasse

10.3.2003

14.6.2003

Sparkasse Mittersill

7.3.2003

-

Raiffeisenban Villach

6.3.2003

1.4.2003

Raiffeisenbank Region Melk

7.3.2003

1.7.2003

Raiffeisen-Landesbank Tirol AG

noch offen

-

Raiffeisenregionalbank Wiener Neustadt

7.3.2003

-

Raiffeisenbank Bruck an der Mur

noch offen

-

1) Angeblich keine Aufrundung berechnet.

2) Angeblich keine "Spirale" berechnet - bis 31.3.2003 Gutschrift von 0,0625% pro Jahr auf in diesem Jahr aushaftenden durchschnittlichen Kreditsaldo. 

Stand: März 2003  Kreditverträge prüfen

Auch diese Banken sind nun - je nachdem wie sie tatsächlich gerechnet haben - zu Korrekturen verpflichtet. Tun sie nichts, kann der VKI Vertragsstrafen fällig stellen. Wir werden aber auch weitere Banken, die solche Klauseln verwendet haben, abmahnen und allenfalls klagen," kündigt Peter Kolba an. Verbraucher mögen dem VKI Kopien von entsprechenden Kreditverträgen zusenden.

VKI-Hilfe für betroffene Kreditnehmer

Der VKI bietet im Internet (www.konsument.at) und in Form eines Infopaketes Hilfe für betroffene Kreditnehmer: Sei es bei der Abschätzung des Schadens und der Kontrolle der Richtigstellungen durch die Banken, sei es bei der Durchsetzung von Ansprüchen, wenn die Bank sich stur stellt.

Modellrechnungen

"Anhand von Modellrechnungen können wir betroffenen Kreditnehmern eine Abschätzung ihrer Ansprüche bieten", kündigt Max Reuter an. "Mit den Daten von Kreditbeginn, -laufzeit und -höhe kann man aus unseren Listen ablesen, um welchen Betrag der Kreditsaldo gesenkt und die Zinsen herabgesetzt werden sollten."

Kredite vor 1997

In der Zeit vor 1.3.1997 waren in Kreditverträgen - auch mit Verbrauchern - relativ unbestimmte und einseitige Zinsanpassungsklauseln üblich. Die Banken haben die Vertragszinsen bei Erhöhungen der Marktzinsen rasch erhöht, dagegen beim Absinken der Marktzinsen die Vertragszinsen nicht, nur zögerlich und nicht ausreichend gesenkt. Auch daraus entstand eine erhebliche Mehrbelastung für Kreditnehmer.

VKI-Verbandsklage 1995

Der VKI hat diese Praxis erstmals in einer Verbandsklage im Jahr 1995 aufgezeigt und bei Gericht die Entscheidung erwirkt, dass solche Klauseln gesetzwidrig und unwirksam sind. Das war der Grundstein für die Novelle zum Konsumentenschutzgesetz 1997 und zu den seit 1.3.1997 von den Banken eingeführten Zinsgleitklauseln.

Zu viel bezahlt

Rechnet man diese "Alt"-Kredite mit der heute geltenden Zinsgleitklausel nach, dann ergibt sich in der überwiegenden Zahl der Fälle eine zum Teil erhebliche Überzahlung durch die Kreditnehmer. Je nach Kredithöhe und Laufzeit variieren diese Beträge. Bei den vom VKI nachgerechneten Verträgen zeigen sich im Schnitt Überzahlungen von 40.000 bis 50.000 Schilling (jetzt in Euro: 2.907 bis 3.634) für einen 300.000 Schilling-Kredit mit siebenjähriger Laufzeit.

Geschätzte Schadenssummen

"In Fällen, wo etwa ein Häuselbauer vor 1997 eine Million Schilling  - also jetzt 72.673 Euro -  aufgenommen hat, kann die Schadenssumme aber auch über 350.000 Schilling/25.435 Euro ausmachen", erläutert Reuter, der den Gesamtschaden, mangels genauer Statistiken über alle Kredit-Verträge, nur schätzen kann: "Einige Hundert Millionen Euro sind es sicherlich."    

Reaktionen unterschiedlich

Die Banken reagieren unterschiedlich: Bank Austria oder die Erste zahlen in der Regel in "Kulanz" einen Gutteil der geforderten Beträge an die Kreditnehmer zurück. Die BAWAG oder beispielsweise auch Institute des Raiffeisensektors argumentieren, die Ansprüche seien verjährt bzw die Klauseln und die Abrechnungen korrekt.

VKI-Sammelklage erfolgreich

Der VKI hat daher gegen BAWAG und Raiffeisenbanken eine Reihe von Musterprozessen angestrengt. Gegen die BAWAG ist auch eine Sammelklage für 180 Kreditnehmer um einen Streitwert von rund 654.000 Euro bei Gericht anhängig. Untergerichte haben bisher - in Prozessen an denen der VKI nicht beteiligt war - uneinheitlich (pro und contra Banken) entschieden. Das Oberlandesgericht Wien hat aber vor kurzem in der Sammelklage gegen die BAWAG die Rechtsansicht des VKI bestätigt:

 Auch wenn Zinsanpassungsklauseln einseitig formuliert sind und nur von "Erhöhen" die Rede ist, sind sie in beiden Richtungen auszulegen, also auch Senkungen vorzunehmen. Zinsanpassungsklauseln vor 1997 sind gesetzwidrig, wenn sie unbestimmte und nicht nachvollziehbare Parameter enthalten.

Alte Kredite können - in ergänzender Vertragsauslegung - mit neuen Zinsgleitklauseln rückwirkend nachgerechnet werden. Wurde zu viel bezahlt, muss die Bank dies zurückerstatten.

Rückforderungsansprüche verjähren erst nach 30 Jahren.

Gute Aussichten

Nunmehr beschäftigt sich der Oberste Gerichtshof mit dem Fall: "Wir hoffen auf eine richtungsweisende Grundsatzentscheidung des OGH in wenigen Monaten", gibt sich Peter Kolba optimistisch.

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