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Urteil: Durchgriffshaftung bei der "Limited"

Der OGH hatte sich anlässlich einer Klage eines Arbeitnehmers einer Gesellschaft, mit der Frage der Durchgriffshaftung in einer Limited auf den Gesellschafter zu befassen.

Die Limited (genauer "Private Company Limited by Shares" - im Folgenden kurz auch Ltd) ist eine nicht börsennotierte Kapitalgesellschaft nach britischem Recht. Mangels Kapitalaufbringungsvorschriften (ein Pfund) und des einfachen Gründungsvorganges erfreut sich die Limited auch in Österreich immer größerer Beliebtheit.

In einer Limited gilt genauso wie etwa in einer österreichischen GmbH oder AG das Trennungsprinzip: Das Gesellschaftsvermögen ist streng zu trennen vom Vermögen der beteiligten Gesellschafter. Für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet grundsätzlich nur die Gesellschaft mit ihrem Vermögen. Die Sphärentrennung wird aber ausnahmsweise von den Fällen des Haftungsdurchgriffs durchbrochen: Unter bestimmten Umständen ist eine direkte Haftung, also eine Durchgriffshaftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten möglich. Mögliche Gründe für die Durchgriffshaftung sind vor allem die 1) qualifizierte Unterkapitalisierung, 2) die Sphärenvermischung und 3) der Rechtsformmissbrauch.

1) Qualifizierte Unterkapitalisierung
Von einer qualifizierten Unterkapitalisierung spricht die hA, wenn die Kapitalausstattung einer Gesellschaft eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichend ist und einen Misserfolg zu Lasten der Gläubiger bei normalem Geschäftsverlauf mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt. Während es bei der österreichischen GmbH (€ 35.000,-) und AG (€ 70.000,-) zumindest gewisse Kapitalaufbringungsvorschriften gibt, fehlt dies bei der Limited zur Gänze. Die Durchgriffshaftung wegen qualifizierte Unterkapitalisierung kann daher bei der Limited eine besondere Rolle spielen.

2) Sphärenvermischung
Gemäß dem Trennungsprinzip ist das Gesellschaftsvermögen strikt getrennt vom Privatvermögen der Gesellschafter. Werden entgegen der gesetzlichen Konzeption der Kapitalgesellschaft diese aber so vermischt, dass sie nicht mehr (hinreichend) unterschieden werden können, spricht man von der Vermögens- bzw Sphärenvermischung, die einen Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter rechtfertigen kann.

3) Rechtsformmissbrauch
Niemand darf sich der Rechtsform einer juristischen Person zu dem Zweck bedienen, Dritte zu schädigen oder Gesetze zu umgehen.

Da ein vom Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen die Limited wegen offener Ansprüche erwirkter Exekutionstitel (gerichtlicher Vergleich) nicht einbringlich war, klagte er den Alleingesellschafter aufgrund der Durchgriffshaftung wegen Rechtsformmissbrauch.

Die Gesellschaft war in England nach englischem Recht registriert, entfaltete aber im Gründungsstaat keine Geschäftstätigkeit, sie wurde ausschließlich in Österreich - durch das Auftreten ihres Alleingeschäftsführers - tätig. Der Alleingesellschafter war mit einer Einlage von 100 Pfund beteiligt. Er wurde nicht operativ tätig, hatte auch mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags mit dem Kläger nichts zu tun und hatte davon auch nichts gewusst.

Der OGH sprach dazu aus, dass die bloße (erlaubte) Inanspruchnahme einer von der englischen Rechtsordnung bereitgestellten Gesellschaftsform (hier: Limited) noch kein Rechtsmissbrauch sei. Es müsste also zur Wahl einer bestimmten Rechtsform noch ein besonderer Missbrauchsvorsatz dazutreten, der jedoch hier nicht vorliegt. Auch wenn eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat mit geringeren Anforderungen an die Einzahlung des Mindestgesellschaftskapitals gegründet wird, um damit in einem anderen Mitgliedstaat dessen Recht über die Errichtung von Gesellschaften mit höheren Anforderungen an die Einzahlung des Mindestgesellschaftskapitals zu umgehen, so stellt dies im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU noch keine missbräuchliche Umgehung der Gesetze im Sinn des vorstehend erörterten Rechtsformmissbrauchs dar. Zum Vorwurf der Gefährdung der Gläubigerbefriedigung durch "Unterkapitalisierung" wurde in erster Instanz kein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, daher beschäftigte sich der OGH leider nicht mit dieser Möglichkeit, die vielleicht erfolgversprechender für den Kläger gewesen wäre. Die Klage wurde abgewiesen.

OGH 30.09.2009, 9 ObA 125/08k

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