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Urteil: VAV-Kasko Abrechnung bei Totalschaden gesetzwidrig

Die Definition des Totalschadens in den Kaskoversicherungsbedingungen der VAV ist gesetzwidrig. Es kommt nämlich auch dann zu keinem vollen Ersatz der Reparaturkosten, wenn die Reparaturkosten die Differenz aus Wiederbeschaffungswert und Restwert unwesentlich übersteigen. Damit werden die Erwartungen des Durchschnittsverbrauchers nicht erfüllt.

Der VKI ging im Auftrag des BMASK mittels Verbandsklage gegen Klauseln in den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung (AKKB 2008/A) und in den Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS 2006) der VAV Versicherungs AG vor.

Das HG Wien beurteilt sechs der eingeklagten neun Klauseln als gesetzwidrig, insbesondere jene zur Totalschadensabrechnung in der Kaskoversicherung.

Die bekämpfte Klausel zur Totalschadensabrechnung lautet: "Ein Totalschaden liegt vor, wenn infolge eines unter die Versicherung fallenden Ereignisses die voraussichtlichen Kosten der Wiederherstellung zuzüglich der Restwerte den sich gemäß Punkt 1.2. (= Wiederbeschaffungswert) ergebenden Betrag übersteigen."

Diese Klausel höhlt nach Einschätzung des VKI den Wert des Versicherungsschutzes weitgehend aus, weil sie vor allem bei etwas älteren gebrauchten Fahrzeugen trotz einer wirtschaftlich noch sinnvollen Reparaturmöglichkeit nur zu einer Leistung des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Wrackwertes führt.

Dazu ein Beispiel: Der Zeitwert eines Kfz betrug im Unfallszeitpunkt € 4.140,--, der Wrackwert € 2.691,-- und die Reparaturkosten € 2.644,--. Nach der Klausel müsste die Versicherung nur € 1.449,-- bezahlen, somit nur 35 % des Zeitwertes.

Das HG Wien verweist darauf, dass in der Kaskoversicherung die Hauptleistungspflicht unter anderem im Ersatz der Reparaturkosten besteht. Ein Totalschaden ist dabei nach § 1323 ABGB nur dann anzunehmen, wenn der Zeitwert des Kfz erheblich hinter den veranschlagten Reparaturkosten zurückbleibt, wobei eine wirtschaftlich vertretbare Überschreitung des Zeitwertes durch die Reparatur zulässig ist.

Zweck der Kaskoversicherung ist es, einen gleichwertigen Versicherungsschutz für diejenigen Fälle zu schaffen, in denen man seinen Schaden nicht durch die Haftpflichtversicherung des Gegners ersetzt bekommt. Ein Durchschnittsverbraucher wird sich daher erwarten, dass ein Schaden von der Versicherung in der Höhe getragen wird, wie er auch von einem haftpflichtigen Schädiger zu begleichen wäre. Die Klausel sieht demgegenüber eine überraschende Einschränkung im Sinn des § 864a ABGB vor.

Die Klausel ist aber auch als gröblich benachteiligend zu beurteilen, weil der Versicherungsnehmer nach der Klausel nicht die Möglichkeit hat eine wirtschaftliche Reparatur des Fahrzeuges durchzuführen, wenn die Reparaturkosten die Schadensleistung im Totalschadensfall (Wiederbeschaffungswert minus Wrackwert) unwesentlich übersteigen. Er muss vielmehr mit der Versicherungsleistung und dem Wrackwert ein Fahrzeug gleicher Art und Güte am Gebrauchtwagenmarkt erwerben, wobei dies kaum zu finden sein wird. Selbst bei erfolgreicher Suche wird er häufig eine Aufzahlung leisten müssen und kann sich dabei nur bedingt über den Zustand des fremden Gebrauchtwagens informieren.

Eine gröbliche Benachteiligung ist aber auch deswegen anzunehmen, weil bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit einer Reparatur nach der österr. Rechtsprechung der Zeitwert (= Wiederbeschaffungswert) dem Reparaturaufwand ohne Berücksichtigung eines allfälligen Wrackwertes (= Restwertes) gegenüberzustellen ist.

Das HG Wien beurteilte außerdem folgende fünf vom VKI bekämpfte Klauseln in den ABS und AKKB als gesetzwidrig: eine gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoßende Prämienerhöhungsmöglichkeit, eine salvatorische Klausel, eine intransparente Darstellung der Folgen einer Obliegenheitsverletzung, eine nicht § 6 Abs 1 Z 2 KSchG konforme Vertragsverlängerungsbestimmung und eine zu weitgehende Überwälzung von Sachverständigenkosten.

Klauseln zur Beschreibung des örtlichen Geltungsbereiches in Bezug auf Europa im geografischen Sinn sowie zum Schriftformgebot wurden vom HG Wien hingegen als zulässig beurteilt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

HG Wien 3.12.2010, 19 Cg 148/10a
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer. RA in Wien

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