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Gebäude von Generali
Bild: HJBC/Shutterstock.com

OGH: Ausnahmesituationsklausel der Generali unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Generali Versicherung AG (Generali) wegen Klauseln aus deren Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung geklagt. Anlass für die Verbandsklage war unter anderem eine Klausel, die es der Generali erlaubt, Deckungen bei COVID-19-bedingten Rechtsstreitigkeiten abzulehnen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte nun die Gesetzwidrigkeit dieser und einer weiteren Klausel.

Gegenstand des Revisionsverfahrens waren drei von vier Klauseln der Verbandsklage des VKI. Der OGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts und beurteilte folgende Klauseln als unzulässig:

Klausel 1:

Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen […] in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind.

Der OGH beurteilte diese Klausel aufgrund des Begriffes „Ausnahmesituation“ als intransparent und daher unzulässig. Der Begriff „Ausnahmesituation“ ist – wie der OGH ausführt – so unbestimmt, dass im allgemeinen Sprachbereich keine klaren Kriterien bestehen, die eine zweifelsfreie Zuordnung jeder möglichen Situation entweder als Regelfall oder als Ausnahme zulassen. Der OGH bestätigte die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach der Begriff „Ausnahmesituation“ zahlreiche Interpretationen zulässt, die von der bloß unüblichen Situation bis hin zum nicht beherrschbaren außerordentlichen Zufall reichen. Da der Verbraucher aber die Reichweite des Risikoausschlusses – und damit seine Rechtsposition – nicht verlässlich abschätzen kann, besteht laut OGH die Gefahr, dass er aufgrund des unbestimmten Begriffs „Ausnahmesituation“ davon absieht, allenfalls berechtigte Ansprüche gegen den Versicherer geltend zu machen.

Klausel 4:

Das Wahlrecht nach Pkt. 1. und 2. bezieht sich nur auf Personen, die ihren Kanzleisitz am Ort des Gerichtes oder der Verwaltungsbehörde haben, die für das durchzuführende Verfahren in erster Instanz zuständig ist. Wenn am Ort dieses Gerichtes oder der Verwaltungsbehörde nicht mindestens vier solche Personen ihren Kanzleisitz haben, erstreckt sich das Wahlrecht auf eine im Sprengel des zuständigen Landesgerichtes ansässige vertretungsbefugte Person.

Der OGH beurteilte bereits zu 7 Ob 156/20x [Klausel 11] eine inhaltsgleiche Klausel. Er führte dazu aus, eine Klausel in Rechtsschutzversicherungsbedingungen, wonach das freie Anwaltswahlrecht auf Personen eingeschränkt wird, die ihren Kanzleisitz am Ort des Gerichts oder der Verwaltungsbehörde haben, ist unvollständig und intransparent, selbst wenn sie sich am Gesetzestext orientiert. Sie lässt nämlich die (im Sinne der Rechtsprechung des EuGH) erforderliche Information weg, dass bei richtlinienkonformer Auslegung unter bestimmten Voraussetzungen ein nicht ortsansässiger Rechtsanwalt gewählt werden kann. Das ist dann der Fall, wenn sich der nicht ortsansässige Rechtsvertreter dazu bereit erklärt, seine Leistungen wie ein ortsansässiger Vertreter zu verrechnen, weil damit der Sinn und Zweck der Klausel (kostensparende und prämiensenkende Wirkung) gewahrt bleibt. Die Klausel 4 verletzt laut OGH das Transparenzgebot, weil in ihr diese wesentliche Information weggelassen wird und deren Fehlen geeignet ist, beim Adressaten eine unrichtige Vorstellung von seinen Rechten zu erwecken und ihn von der Verfolgung berechtigter Ansprüche abzuhalten.

Der OGH sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung des OGHs abzugehen. Klausel 4 ist somit laut OGH intransparent und daher unwirksam.

OGH 09.11.2022, 7 Ob 169/22m

Das Urteil im Volltext.

Klagsvertreter: Dr. Stefan LANGER, Rechtsanwalt in Wien

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