Schon in der Vergangenheit beschäftigten Dauerrabattklauseln die Gerichte. Viele vom VKI beanstandeten Klauseln wurden dabei als unzulässig beurteilt. Kurz davor hat das OLG Graz die Laufzeitrabattklausel der Grazer Wechselseitigen für unzulässig erklärt. Nunmehr hatte das OLG Wien über eine Dauerrabattklausel zu entscheiden.
Gegenstand des Verbandsverfahrens waren folgende Klauseln in den Bedingungen der Allianz:
Klausel 1:
Hinweis auf Prämiennachlass auf Grund langjähriger Vertragsdauer (Dauerrabatt)
Besondere Bedingung Nr. 8545
Prämiennachlass auf Grund langjähriger Vertragsdauer (Dauerrabatt)
Sach-, Haftpflicht-, Unfall- und Rechtsschutzsparten
(Ausgenommen sind Technische-Versicherung, Industrie-Versicherung, Transport-Versicherung)
Bei der Berechnung der Jahresprämie wurden die auf Grund der vereinbarten zehnjährigen Vertragsdauer entstehenden kalkulatorischen Vorteile berücksichtigt (Dauerrabatt). Die Jahresprämie ist somit die ermäßigte Prämie nach Abzug des Dauerrabattes.
Im Fall vorzeitiger Vertragsauflösung verpflichtet sich der Versicherungsnehmer zur Nachzahlung des berücksichtigten Dauerrabattes. Die Höhe der Nachzahlung ist von der tatsächlichen Vertragsdauer abhängig und beträgt bei einer Beendigung des Vertrages
- vor dem vollendeten vierten Jahr 60%,
- nach vier vollen Jahren 55%,
- nach fünf vollen Jahren 50%,
- nach sechs vollen Jahren 40%,
- nach sieben vollen Jahren 30%,
- nach acht vollen Jahren 20%,
- nach neun vollen Jahren 10%
der aktuellen, ermäßigten Jahresprämie (= ermäßigte Jahresprämie zuzüglich der jährlichen Wertanpassungen).
Eine Nachzahlung kann nicht gefordert werden, wenn der Versicherer den Vertrag kündigt oder die Kündigung durch den Versicherungsnehmer dadurch begründet ist, dass der Versicherer die Erbringung der fälligen Versicherungsleistung verweigert hat.
Das OLG Wien beurteilte die Dauerrabattklausel der Allianz als gröblich benachteiligend und daher unzulässig. Im vorliegenden Fall entwickeln sich die vom Versicherer rückforderbaren Beträge – wie das OLG Wien ausführt - nicht streng degressiv, beträgt der Prozentsatz der Rückzahlungsverpflichtung doch für die ersten drei Jahre unverändert 60 %, was dazu führt, dass Versicherungsnehmer:innen bei einer Vertragsauflösung nach einem oder zwei vollen Versicherungsjahren mehr zurückzahlen müssen, als sie an Rabatt erhalten haben. Dies entspricht exakt dem vom Obersten Gerichtshof zu 7 Ob 156/20x (vom VKI geführtes Verbandsverfahren) beurteilten Fall.
Tatsächlich schließt die Klausel 1 eine Dauerrabattrückforderung bloß für einen einzigen Fall der Kündigung durch Versicherungsnehmer:innen aus, nämlich für den Fall, dass die Allianz die Erbringung der fälligen Versicherungsleistung verweigert. Die Klausel schließt alle anderen denkmöglichen wichtigen Gründe für die Vertragsbeendigung durch Versicherungsnehmer:innen nicht von der Nachverrechnung des Dauerrabatts aus, etwa die unrechtmäßige Verzögerung der Leistung einer Entschädigung durch den Versicherer. Außerdem sind auch andere Kündigungsfälle denkbar – etwa bei Eintritt des Versicherungsfalls (§§ 96 Abs 1, 113 und 158 Abs 1 VersVG), vertraglich vereinbarten Fällen der Kündigung oder vorzeitiger Vertragsbeendigung wegen Interessewegfall nach Vertragsbeginn (§ 68 Abs 2 VersVG). Diese Fälle sind von der Nachverrechnung nicht ausgeschlossen, weshalb das OLG Wien die Klausel als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB beurteilte.
Klausel 2:
Besondere Bedingung Nr. 6954
Jährliches Kündigungsrecht nach drei Jahren für beide Vertragspartner
In Ergänzung der diesem Versicherungsvertrag (je versicherter Sparte handelt es sich um einen rechtlich selbstständigen Versicherungsvertrag) zugrundeliegenden Allgemeinen und Besonderen Bedingungen haben beide Vertragspartner das Recht, gegenständlichen Versicherungsvertrag, unabhängig von der in der Versicherungsurkunde festgesetzten Dauer zum Ende des dritten Jahres nach Vertragsbeginn oder danach jeweils zum Ende der laufenden Versicherungsperiode unter Einhaltung der Kündigungsfrist schriftlich zu kündigen.
Für den Versicherungsnehmer gilt eine Kündigungsfrist von einem Monat, für den Versicherer gilt eine Kündigungsfrist von drei Monaten, vereinbart.
Das Recht zur Kündigung aus sonstigen rechtlichen Gründen bleibt davon unbeschadet.
Hat der Versicherer mit Rücksicht auf die vereinbarte Vertragszeit eine Ermäßigung der Prämie oder sonstige Vorteile gewährt, so kann er bei vorzeitiger Auflösung des Vertrages die Nachzahlung des Betrages fordern, um den die Prämie höher bemessen worden wäre, wenn der Vertrag nur für den Zeitraum geschlossen worden wäre, während dessen er tatsächlich bestanden hat, dies gilt nicht bei Kündigung durch den Versicherer gemäß dieser Besonderen Bedingung.
Das OLG Wien beurteilte die Klausel als gesetzwidrig und damit nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB und verwies dabei auf die vom VKI erwirkte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 7 Ob 156/20x (Rz 99ff), in der der OGH eine im Wesentlichen gleiche Klausel für unzulässig erklärte.
Leistungsfrist:
Die Leistungsfrist wurde für die Unterlassung der Verwendung der Klauseln vom OLG Wien mit sechs Monaten festgesetzt. Da nur eine geringfügige Änderung des EDV-Systems erforderlich ist, um ein weiteres „Sich-berufen“ auf die unzulässigen Klauseln zu verhindern, gewährte das OLG Wien - ganz im Sinne der vom VKI erwirkten OGH-E zu 7 Ob 81/17p - keine Leistungsfrist für das Unterlassen des „Sich-Berufens“ auf die Klauseln.
Folgen des Urteils:
Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern. Hier finden Sie einen Musterbrief, den die Arbeiterkammer Oberösterreich, die den VKI mit diesem Verbandsverfahren beauftragt hat, vorbereitet hat.
Das Urteil ist rechtskräftig.
OLG Wien 13.05.2024, 2 R 20/24m
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien