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Urteil: Deutscher BGH zur Aufklärungspflicht des Arztes

Bei möglichen schwerwiegenden Nebenwirkungen eines Medikaments ist neben dem Hinweis in der Gebrauchsinformation des Pharmaherstellers auch eine Aufklärung durch den das Medikament verordnenden Arzt erforderlich. Der Arzt darf nicht darauf vertrauen, daß der Patient den Warnhinweis in der Packungsbeilage lesen und befolgen werde.

Die beklagte Gynäkologin hatte der 30jährigen Klägerin, welche - wie in der elektronischen Patientendatei vermerkt war - eine Raucherin war, das Antikonzeptionsmittel "Cyclosa" zur Regulierung ihrer Menstruationsbeschwerden verschrieben. In der Gebrauchsinformation wurde vor einem erhöhten Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko für Raucherinnen gewarnt, Frauen über 30 Jahren vom Rauchen bei gleichzeitiger Einnahme des Präparates ausdrücklich abgeraten. In der Folge erlitt die Klägerin einen Schlaganfall, der durch die Wechselwirkung zwischen dem Präparat "Cyclosa" und dem von der Klägerin während der Einnahme zugeführten Nikotin verursacht worden war.

Sie klagte die Ärztin auf Schadenersatz wegen Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht. Die Untergerichte wiesen die Klage ab, der BGH folgte der Revision und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Es habe sich hier, ausgehend vom Warnhinweis, um eine typischerweise auftretende Nebenwirkung des Medikaments gehandelt. Daher hätte die Ärztin ihre Patientin über die spezifischen Gefahren informieren müssen, die für eine Raucherin bei der Einnahme des Medikaments bestanden, umsomehr als sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der elektronischen Patientendatei der Eintrag "Raucherin" befand.

In Anbetracht der möglichen schweren Folgen, die sich für die Lebensführung der Klägerin bei Einnahme des Medikaments ergeben konnten und hier tatsächlich verwirklicht haben, mußte die Beklagte darüber aufklären, daß das Medikament in Verbindung mit dem Rauchen das erhebliche Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls in sich barg. Nur dann hätte die Klägerin ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben können, nämlich entweder auf die Einnahme des Medikamentes zu verzichten oder das Rauchen einzustellen.

Gerade wegen der bei Rauchern in Betracht zu ziehenden Sucht war die Gabe des Medikaments nur bei einem eindringlichen Hinweis des verordnenden Arztes auf die Gefahren zu verantworten, die bei seiner Einnahme und gleichzeitigem Rauchen bestanden.

Deshalb darf in einem solchen Fall der Arzt nicht darauf vertrauen, daß die Patientin den Warnhinweis in der Packungsbeilage lesen und befolgen werde. Im Hinblick auf die Schwere des Risikos reicht es auch nicht aus, daß die Beklagte gesagt haben will, "daß Pille und Rauchen sich nicht vertragen". Damit ist der Klägerin nicht hinreichend verdeutlicht worden, welch schwerwiegende Folgen des Rauchens bei gleichzeitiger Medikamenteneinnahme eintreten konnten.

BGH 15.03.2005, VI ZR 289/03

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