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Urteil: Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude bereits ab einer Bagatellgrenze

In einem Musterprozess des VKI - im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums - hat der OGH nun geklärt, dass der Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude nur dann nicht zusteht, wenn aufgetretene Mängel am Urlaubsort selbst eine Bagatellgrenze nicht erreichen. Eine hypothetische Preisminderung von 50 Prozent muss keinesfalls erreicht werden.

Die Konsumenten buchten eine einwöchige Pauschalreise mit ihrem Enkelsohn nach Zypern zu einem Reisepreis von € 2.556,00. Die Katalogbeschreibung des letztlich gebuchten Hotel entsprach den Vorgaben der Konsumenten. Es sollte über einen Sandstrand und über eine Kinderbetreuungsmöglichkeit für den Enkelsohn verfügen. Tatsächlich war aber während der gesamten Aufenthaltsdauer weder ein Sandstrand noch eine Kinderbetreuung verfügbar.

Unter Abtretung des Anspruches der Konsumenten klagte der VKI auf Reisepreisminderung in Höhe von jeweils 20% für die fehlende Kinderbetreuung und für den fehlenden Sandstrand sowie auf Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude für zwei Erwachsene in Höhe von € 50,00 pro Person und Tag sowie für den Enkel in Höhe von € 30,00 pro Tag.

Das Erstgericht sprach 15% für den fehlenden Sandstrand und 10% für die fehlende Kinderbetreuung zu. Den Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude wies das Gericht unter Berufung auf 2 Ob 79/06s mit der Begründung ab, dass die Mängel die Erheblichkeitsschwelle nicht überschreiten würden, sodass die entgangene Urlaubsfreude mit der Reisepreisminderung abgegolten sei.

Das HG Wien als Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und führte zum Anspruch auf entgangene Urlaubsfreude unter Berufung auf 10 Ob 20/05x aus, dass wegen der fehlenden Kinderbetreuung als wesentlicher Bestandteil der Reise zwar grundsätzlich der Anspruch nach § 31e Abs 3 KSchG gegeben sei; dieser sei aber bereits durch den Zuspruch des hohen Preisminderungsanspruches mitabgegolten. (Das Gericht ging irrtümlich davon aus, dass das Erstgericht für die fehlende Kinderbetreuung 15% Preisminderung zugesprochen hatte). Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil nicht von der "auszugsweise zitierten" höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sei.

Der VKI brachte außerordentliche Revision auf Zuspruch von Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude für die Erwachsenen in Höhe von nur mehr € 20,00 pro Person und Tag ein.

Die außerordentliche Revision sei im Interesse der Rechtssicherung zulässig und auch berechtigt.

Der OGH befasste sich in dieser Entscheidung eingehend mit der Entstehungsgeschichte des § 31e Abs 3 KSchG, der Lehre und Rechtsprechung des OGH und der Berufungsgerichte sowie der Rechtslage in Deutschland und kam daher zur Rechtsauffassung, dass für die Bestimmung der in § 31e Abs 3 KSchG geforderten erheblichen Leistungsbeeinträchtigung als Grundvoraussetzung für den Zuspruch von Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude nicht auf die (hypothetische) Preisminderung abgestellt werden könne.

Dagegen sprächen schon - wie in der außerordentlichen Revision vorgebracht  - die unterschiedlichen Zielsetzungen von Gewährleistung und Schadenersatz. Zweck des § 31e Abs 3 KSchG sei es, immaterielle Nachteile, nämlich die Beeinträchtigung des Genusses einer Urlaubsreise, insbesondere die mit der Enttäuschung einer (berechtigten) Erwartung verbundenen Unlustgefühle und Missempfindungen abzugelten. Die Preisminderung hingegen solle lediglich die durch den Mangel gestörte subjektive Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung wiederherstellen und damit einen Vermögensschaden ausgleichen.

Der Gesetzgeber hätte nach den Materialien (173 BlgNR 22. GP 23) ausdrücklich darauf verzichtet, den Schadenersatz an die Voraussetzung zu knüpfen, dass der Reisende zur Minderung des Reisepreises um mehr als 50% berechtigt wäre. Vielmehr sollte bloß eine allgemeine Mindestschwelle vorgesehen und Schadenersatz bei nur geringfügigen Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden.

Eine zu restriktive Handhabung des § 31e Abs 3 KSchG würde die Bestimmung weitestgehend ihres Anwendungsbereiches berauben, womit sich die österreichische Rechtsanwendung in Widerspruch zu den Vorgaben der Pauschalreiserichtlinie und des EuGH setzen würde. Mit den Vorgaben der Richtlinie sei zwar eine Bagatellgrenze vereinbart, nicht jedoch das Abstellen auf eine hypothetische Preisminderung von 50 Prozent.

Der Vorschlag Riedlers (Bemessung des Schadenersatzes für entgangene Urlaubsfreude unter Berücksichtigung der Preisminderung für Reisemängel, ZVR 2008, 408 [411]) die Erheblichkeit nach § 31e Abs 3 KSchG in Anlehnung an den Begriff des "unerheblichen Mangels" an § 932 Abs 2 ABGB zu verstehen, habe viel für sich. Nach Riedler ist die "Harmonisierung" dieser beiden Begriffe systemimmanent und steht im Einklang mit dem allgemeinen Gewährleistungsrecht des ABGB und deckt sich auch mit den Materialien. Der Anspruch nach § 31e Abs 3 KSchG komme daher nur dann nicht in Betracht, wenn ein nur unerheblicher Teil der vertraglichen Leistung nicht erbracht worden sei, also nur ein unerheblicher Mangel vorliege, der weder Gewährleistungs- noch Schadenersatzpflichten des Veranstalters auslöse, als zum Beispiel kein Preisminderungsrecht des Reisenden begründe. Funktionierten hingegen nur geringfügige Kleinigkeiten nicht oder nicht ausreichend, so komme wegen dieser bloß geringfügigen (=unerheblichen) Mängel dem Reisenden weder ein Preisminderungsrecht noch ein Anspruch auf Ersatz entgangener Urlaubsfreude zu.

Im vorliegenden Fall sei die angesprochene Bagatellgrenze jedenfalls erfüllt, stehe doch bei einem Badeurlaub der Aufenthalt am Strand und das Baden erfahrungsgemäß im Vordergrund. Auch die - ausdrücklich zugesagte - Kinderbetreuungsmöglichkeit sei nicht zur Verfügung gestanden. Im Hinblick auf Art und Gewicht der Mängel könne auch keine Rede davon sein, dass die durch die Mängel hervorgerufenen (immateriellen) Unlustgefühle durch die Preisminderung angemessen abgegolten seien. Jedenfalls angemessen sei auch der geltend gemachte Betrag von € 20,00 pro Person und Tag. Dies sowohl in Relation zum Gesamtreisepreis wie auch von der absoluten Höhe des Betrages her.

Letztlich hielt der OGH noch fest, dass nach § 31e Abs 3 KSchG zwar unter anderem auch auf die Höhe des Reisepreises Bedacht zu nehmen ist, dieser Faktor aber nicht allein oder auch nur überwiegend für die Bemessung des Anspruches herangezogen werden kann. Nach dem Gesetzeswortlaut handelt es sich nämlich um nur einen von mehreren Faktoren, genannt an letzter Stelle. Auch auf die Frankfurter Tabelle kann nicht abgestellt werden, denn diese betrifft lediglich die Preisminderung.

OGH, 18.09.2009, 6 Ob 231/08a
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Klagevertreter: Mag. Nikolaus Weiser, RA in Wien

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