UNIQA hat für ihre Kund:innen das Kundenbindungsprogramm „myUNIQA plus“ eingerichtet. Dieses bietet Kund:innen Begünstigungen, wie einen myUNIQA plus Bonus bei Schadenfreiheit. Die Teilnahme zum Kundenbindungsprogramm myUNIQA plus setzt die Anmeldung zum elektronischen Postfach und die Zustimmung zur elektronischen Kommunikation voraus, um den Schadenfrei-Bonus in der Höhe von 5 % (bzw. bei Versicherungsnehmer:innen unter 26 Jahren 10 %) zu erhalten.
Bereits vor Einrichtung des Kundenbindungsprogramms myUNIQA plus hatte UNIQA für ihre Kund:innen den Vorteilsclub „QualitätsPartnerschaft“ eingerichtet, der für Schadenfreiheit einen Bonus in derselben Prozentsatzhöhe zu im Wesentlichen gleichen Voraussetzungen wie myUNIQA plus vorsah, aber nicht die Zustimmung zur elektronischen Kommunikation und dem elektronischen Postfach voraussetzte.
Der VKI hat die UNIQA wegen deren Klauseln geklagt, die die Möglichkeit, den Schadenfreibonus zu bekommen an eine Zustimmung der Kund:innen zur elektronischen Kommunikation knüpfen.
Das HG Wien beurteilte alle vier vom VKI eingeklagten Klauseln als unzulässig:
Klausel 1 (Punkt 2.1. der AGB myUNIQA plus):
„Der Kunde muss sich auf dem Kundenportal myUNIQA registriert haben und zum elektronischen Postfach angemeldet sein.“
Wie das HG Wien ausführt, ergibt sich daraus, dass der Schadenfrei-Bonus zu einem Großteil für Schadenfreiheit und Einzugsermächtigung gewährt wird, dass der Bonus jedenfalls zu einem überwiegenden Teil nicht in einem sachlich gerechtfertigten Zusammenhang zur durch die elektronische Kommunikation erwirkten Ersparnis von UNIQA steht. Dies folgt laut HG Wien auch schon daraus, dass der den unter 26-jährigen Kund:innen gewährte Bonus doppelt so hoch ist wie jener der über 26-jährigen, zumal der Versand von Post an unter 26-jährige Versicherungsnehmer:innen keine höheren Kosten verursachen kann als jener der über 26-jährigen Versicherungsnehmer:innen.
Damit müssen die Versicherungsnehmer:innen von UNIQA der elektronischen Kommunikation zustimmen, um einen wirtschaftlich zum überwiegenden Teil für Schadenfreiheit und Einzugsermächtigung gewährten Bonus zu erhalten. Der Bonus stellt auch zum überwiegenden Teil keine Abgeltung der durch die Vereinbarung der elektronischen Kommunikation bewirkten Kostenersparnis des beklagten Versicherers dar. Dieser sachlich nicht im Zusammenhang stehende Nachteil als Anreiz für die Zustimmung steht damit in Widerspruch zur geforderten Freiwilligkeit und stellt eine Umgehung des § 5a VersVG bzw. der Richtlinie (EU) 2016/97 und der sich daraus ergebenden freien Wahl des Verbraucher:innen bei der Zustimmung zur elektronischen Kommunikation dar.
Die Klausel verstößt damit gegen § 5a Abs 1 VersVG und ist daher unwirksam. Zudem ist sie laut HG Wien auch gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil sie die Möglichkeit, den Schadenfreibonus zu bekommen, entgegen § 5a Abs 1 VersVG an eine elektronische Kommunikation knüpft, wofür, worauf bereits verwiesen wurde, eine sachliche Rechtfertigung nicht besteht. Aufgrund der fehlenden sachlichen Rechtfertigung des Schadenfreibonus in Bezug auf den Verzicht auf die postalische Zustellung bzw. auf die Zustimmung zum ausschließlich elektronischen Postfach geht die Freiwilligkeit nach dem Urteil des HG Wien verloren, wodurch die Klausel Kund:innen gröblich benachteiligt.
Klausel 2 (Punkt 3.3 der AGB myUNIQA plus):
„Die Teilnahme endet mit dem Zeitpunkt, ab dem die unter Punkt 2.1. geregelten Voraussetzungen nicht mehr erfüllt werden oder der Kunde einer Herabsetzung des myUNIQA plus Bonus unter den Voraussetzungen des Punktes 8.2. widerspricht.“
Da Klausel 2.1 unwirksam ist, führt dies – wie das HG Wien ausführt – auch zur Unzulässigkeit der Klausel 3.3, die auf Klausel 2.1 verweist. Nach der Rechtsprechung hat der Verweis auf unzulässige Bestimmungen im Klauselwerk zwingend die Unzulässigkeit der verweisenden Bestimmung selbst zur Folge (RS0122040 [T31]).
Darüber hinaus besteht die Unzulässigkeit und Unwirksamkeit der Klausel auch zu dem zur Klausel 1 angeführten Gründen, da sie UNIQA gestattet, die Bonus-Vereinbarung im Fall des Widerrufs der Zustimmung zur elektronischen Kommunikation zu beenden, obwohl zwischen dieser und den Einsparungen der Beklagten in Bezug auf die elektronische Kommunikation keine sachliche Rechtfertigung besteht. Damit verstößt laut HG Wien auch diese Klausel im Ergebnis gegen den Grundsatz der Freiwilligkeit in Bezug auf die Zustimmung zur elektronischen Kommunikation.
Zudem sah das HG Wien in der Klausel auch einen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, da die Klausel UNIQA eine sachlich nicht gerechtfertigte Beendigung der Bonusvereinbarung ermöglicht, welche bewirkt, dass Kund:innen im Falle der Schadenfreiheit im Ergebnis eine höhere jährliche Gesamtbelastung trifft.
Klausel 3 (Punkt 3.2 der AGB myUNIQA plus):
„UNIQA kann myUNIQA plus zu jedem Monatsletzten unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Wochen in geschriebener Form kündigen.“
Da UNIQA durch diese Klausel ermöglicht wird, myUNIQA plus jederzeit zu kündigen, stellt dies laut HG Wien eine Umgehung der von § 5a VersVG vorgesehenen Wahlmöglichkeit des Kunden sowie der bereits angeführten Freiwilligkeit dar, zumal es dem beklagten Versicherer damit gestattet ist, die Bonusvereinbarung grundlos, sohin insbesondere im Fall des Widerrufs der Zustimmung zur elektronischen Kommunikation, durch den:die Versicherungsnehmer:in zu beenden.
Die Klausel ist – wie das HG Wien ausführt – auch aus den bereits zur Klausel 1 angeführten Gründen gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und unwirksam, weil kein sachlicher Rechtfertigungsgrund dafür besteht, dass Kund:innen diese Anwartschaft im Fall der Schadenfreiheit auf Gewährung des Schadenfrei-Bonus aufgeben müssen, wenn sie ihre Zustimmung zur elektronischen Kommunikation widerrufen, was im Ergebnis auch einer Erhöhung der Gesamtbelastung im Falle der Schadenfreiheit darstellt.
Klausel 4 (Punkt 8.2 der AGB myUNIQA plus):
„UNIQA darf den Prozentsatz der Höhe des myUNIQA plus Bonus in Punkt 6.2 pro Kalenderjahr um maximal 1 % im Vergleich zu dem im Vorjahr gewährten Prozentsatz absenken. UNIQA wird dem Kunden die beabsichtigte Herabsetzung durch Mitteilung in sein Kundenportal myUNIQA zur Kenntnis bringen und ihn darauf hinweisen, dass die Herabsetzung in Kraft tritt, wenn er ihr nicht binnen 12 Wochen widerspricht. Der Widerspruch des Kunden gilt als Beendigungsgrund (Punkt 3.3.).“
Laut HG Wien verstößt die Klausel gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, da sie UNIQA eine Beendigung der Bonusvereinbarung im Falle des Widerspruches der Kund:innen oder auch die – sachlich nicht gerechtfertigte – Reduktion der Bonuszahlungen durch eine Reduktion um maximal 1 % pro Jahr ermöglicht. Damit ergibt sich eine Erhöhung der jährlichen Gesamtbelastung der Kund:innen im Falle der Schadenfreiheit in Höhe von ca. 1 % der gesamten Prämiensumme pro Jahr oder durch die Kündigung bzw. Beendigung. Die Klausel ermöglicht UNIQA damit eine einseitige Erhöhungsmöglichkeit der jährlichen Gesamtbelastung und verstößt damit gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und gegen § 879 Abs 3 ABGB, weil die Erhöhung via Zustimmungsfiktion durchgeführt werden soll. Die Klausel sieht keine sachlich gerechtfertigten Gründe für die Senkung des Bonus vor. Damit ist die Klausel gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG. Da sie auch nur eine Absenkung des Bonus, aber keine gleichzeitige Ermöglichung einer Erhöhung vorsieht, verstößt sie auch aus diesem Grund gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG.
Die Klausel ist – wie das HG Wien ausführt - auch intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG und unwirksam, da sie den Kund:innen die geltende Rechtslage verschleiert, indem sie den Eindruck erweckt, dass UNIQA berechtigt sei, einseitig den Prozentsatz der Höhe des myUNIQA plus Schadenfrei-Bonus abzusenken bzw. im Falle eines Widerspruchs der Kund:innen myUNIQA plus zu beenden. Die Einräumung der Möglichkeit der jederzeitigen Beendigung bzw. Herabsetzung des Bonus bedeutet eine einseitige Preiserhöhung für Versicherungsnehmer:innen, für die wiederum keine sachliche Rechtfertigung besteht und die darüber hinaus auch nicht bloß geringfügig ist.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (Stand: 22.08.2024)
HG Wien 27.05.2024, 57 Cg 43/23h
Klagsvertreter: Mag. Matthias Strohmayer, LL.M., Rechtsanwalt in Wien