Die EU-Kommission hat über sechs - ausländische - Banken eine Rekordstrafe von 1,7 Milliarden Euro wegen der Manipulation von Leitzinsen (LIBOR) verhängt. Laut EU-Kommissar Joaquin Almunia wurden ua Verbraucher durch diese Manipulationen bei variabel verzinsten Verbraucherkrediten geschädigt. Fragt sich, ob die geschädigten Verbraucher Schadenersatz erlangen können?
Zunächst ist festzuhalten, dass österreichische Verbraucher, die bei einer österreichischen Bank einen variablen Verbraucherkredit abgeschlossen haben (das sind etwa auch die rund 200.000 Fremdwährungskreditnehmer), gegen Ihre Vertragsbank keinen Anspruch auf Schadenersatz daraus begründen können, dass die nun mit Geldbuße bestraften Banken rechtswidrig gehandelt haben.
Andererseits sind beide Vertragspartner bei einem solchen variabel verzinsten Verbraucherkredit davon ausgegangen, dass der Referenzzinssatz am Markt gebildet und nicht manipuliert wird. Daher könnten sich - aus dem Recht der Irrtumsanfechtung bzw der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage - sehr wohl Ansprüche der Verbraucher gegen ihre Vertragsbank ergeben.
Allerdings müsste ein Verbraucher, um Ansprüche begründen zu können, genau wissen, wann welche Manipulationen erfolgt sind und wie der Kurs ohne diese Manipulationen ausgesehen hätte. Dabei bestehen zwei Hürden:
- Die EU-Kommission gibt idR (der VKI hatte dies im Zinsenstreit mit den österr. Banken und unter Berufung auf den Lombard-Kartell-Fall letztlich erfolglos versucht) die Akten eines Kartellverfahrens nicht zur Akteneinsicht frei.
- Es würde hohe Sachverständigen-Gebühren erfordern, solche Akten zu durchforsten und die oben gestellten faktischen Fragen fachkundig zu beantworten.
Wenn daher in den Zeitungen von zivilrechtliche Klagen berichtet wird, dann handelt es sich offenbar um Klagen, die in den USA geführt werden (sollen). Dort gibt es eine richtige Sammelklage und auch einen Ausforschungsbeweis - also Bedingungen, unter denen auch Verbraucher Chancen haben. Diese Situation haben wir in Europa bzw in Österreich (wo ein Entwurf für eine Gruppenklage seit 2007 in der Schublade liegt) nicht.
Die 1,7 Milliarden Euro fließen auch in das allgemeine EU-Budget. Würde man auch nur einen Bruchteil dieser Gelder für den Verbraucherschutz zweckwidmen und die Verbraucherorganisationen materiell unterstützen, dann könnten auch europäische Verbraucher in solchen Situationen auf Schadenersatz hoffen.