Das Urteil hat 184 Seiten! In die Urteilsbegründung eingeflossen sind die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens und des Strafverfahrens. Die für den zweiten Rechtsgang vom OGH aufgetragenen Ergänzungen werden damit nun ordentlich abgehandelt und nachgeliefert, das System AMIS wird nachvollziehbar veranschaulicht:
Aufgrund des investmentfondrechtlichen Dreiecks, dessen Prinzipien (insbes. Trennungsprinzip) bei AMIS durchgängig verletzt waren, sei die eminente Gefahr einer Veruntreuung der Anlegergelder, wie sie dann tatsächlich erfolgt ist, für die staatliche Aufsicht geradezu angezeigt gewesen. Die BWA/FMA hätte schon einschreiten müssen, als ihr mit der ersten Prüfung aus Mai 1999 bekannt wurde, dass ein Veruntreuungsrisiko der Kundengelder insofern besteht, als AMIS ganz offensichtlich trotz gesetzlichen Verbots selbst Kundengelder entgegennimmt. Die Behörde hätte sich nicht damit begnügen dürfen, AMIS diese Praxis zu untersagen und nur zu kontrollieren ob dieses Konto tatsächlich geschlossen wird, zumal es AMIS ja möglich war und tatsächlich gelungen ist, das geschlossene Konto zunächst durch ein anderes und später flächendeckend durch die Zwischenschaltung eines nominee, des TFA, zu ersetzen. Wenn dem OGH bislang Feststellungen dazu gefehlt haben, inwieweit das Bankkonto, auf das 1999 Kundeneinzahlungen erfolgten, den schädigenden Praktiken förderlich gewesen wäre, zumal die Kundengelder zunächst tatsächlich an die Luxemburger Fonds transferiert worden seien, so wurden diese Feststellungen mit dem vorliegenden Urteil nunmehr getroffen: Aus dem Strafurteil ergibt sich, dass Böhmer und Loidl im März 1999 einen groß angelegten Betrug im Rahmen der von ihnen beherrschten AMIS-Gruppe beschlossen, der in seinem innersten Kern grundsätzlich einfach aufgebaut war ("Loch auf, Loch zu"-Methode). Die Aufrechterhaltung diese betrügerischen Konstrukts über mehrere Jahre gelang ihnen auch deshalb, weil sie grundlegende Sicherungs- und Kontrollmechanismen außer Kraft setzten, und einfache und übliche Abstimmungsvorgänge nicht durchgeführt wurden.
Vor diesem Hintergrund erscheinen die Rückkauf-Malversationen (sog. Redemptions; dieses System begann spätestens im Jänner 2000) als praktisch zwangsläufige Folge eines sich von Beginn an abzeichnenden betrügerischen "Pyramidenspiels". In Wahrheit war AMIS bereits nach einem Geschäftsjahr, nämlich im Jahr 2000 zahlungsunfähig! Grundlegende Sicherungs- und Kontrollmechanismen des Investmentfondrechts waren bei AMIS außer Kraft gesetzt, was der staatlichen Aufsicht zwar frühzeitig aufgefallen ist, woran sie allerdings keine wesentlichen Konsequenzen geknüpft hat. Das dadurch geschaffene, hohe Malversationsrisiko war für einen mit dem AMIS-Fakten sowie den Kapitalmarktgegebenheiten vertrau-ten, objektiven Betrachter ohne weiteres erkennbar. Die BWA hätte, nachdem bei der Prüfung im Mai 1999 das unzulässige Halten von Kundengeldern erkannt wurde, weitere Erhebungen über den Verbleib der Kundengelder anstellen müssen. Bei ent-sprechender Fachkenntnis hätte die BWA die Gefahr von Malversationen aufgrund des Verstoßes ge-gen das Trennungsprinzip sofort erkannt und deshalb weitere Maßnahmen - wie schon im ersten Rechtsgang beschrieben - setzen müssen. Hätte sie das getan, wäre der Schaden der Anleger verhindert worden, denn entweder wäre AMIS zum rechtmäßigen Zustand zurückgekehrt, dann wären künftige Malversationen unterblieben; oder AMIS hätte das nicht getan, dann wäre ihren Geschäftsleitern die Geschäftsführung untersagt und letztlich die Konzession entzogen worden. Die Untätigkeit der staatlichen Aufsicht war daher für den Anlegerschaden kausal, rechtswidrig und, da unvertretbar, auch schuldhaft.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
LGZ Wien 10.12.2010, 30 Cg 18/06x-144
Klagevertreter: Dr. Benedikt Wallner, RA in Wien