Gegenstand des Verbandsverfahrens waren folgende zwei Klauseln:
Klausel 1:
„15 Jahre nach Rentenzahlungsbeginn vermindert sich die vertragliche Rente. Die Rente unterliegt dem nachstehenden Gewinn- und Abrechnungsverband und wird gemäß § 16 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen angepasst. Die Höhe der Gesamtrente ab dem 16. Versicherungsjahr ist abhängig von der Gesamtverzinsung innerhalb der ersten 15 Versicherungsjahre.“
Das Handelsgericht (HG) Wien gab dem VKI Recht und sprach klar aus, dass die Klausel 1 – nach den getroffenen Feststellungen – nicht Gegenstand einer bloß individuellen Vereinbarung mit einzelnen Versicherungsnehmer:innen war und somit der Klauselkontrolle iSd § 28 KSchG unterliegt.
Die Klausel lässt es laut HG Wien zu, dass die Wiener Städtische einseitig Änderungen sowohl betreffend Inhalt als auch Ausmaß der Leistung in unbeschränktem Ausmaß durchführen kann, weshalb die Klausel gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB ist.
Es liegt nach der Entscheidung des HG Wien auch ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG vor, da der Versicherer ermächtigt wird, die zu erbringende Leistung einseitig zu ändern, ohne dass dies den Verbraucher:innen zumutbar ist. Die dadurch ermöglichte einseitige Leistungsänderung ist weder geringfügig noch sachlich gerechtfertigt.
Auch liegt – wie das HG Wien weiter ausführt – ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG vor, da eine Leistungsänderung ohne jegliche Beschränkung die wahre Rechtslage, wonach eine solche unzulässig ist, verschleiert. Zusätzlich ist nicht ersichtlich, in welchem Ausmaß die Leistung geändert werden kann, was jedenfalls intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG ist.
Auch das Oberlandesgericht (OLG) Wien beurteilte die Klausel 1 als unzulässig. Die Entscheidung des OLG Wien wurde bezüglich Klausel 1 rechtskräftig.
Klausel 2:
„Sinkt der jährliche Gewinnanteilsatz unter das für die Bonusrente erforderliche Ausmaß, so werden die Bonusrente und die Bonusrentenanteile nach festgelegten versicherungsmathematischen Grundsätzen gekürzt.“
Das HG Wien beurteilte die Klausel 2 als unzulässig: Da in der Klausel lediglich die Rede von einer Kürzung der Bonusrente ist, rechnen die Konsument:innen nicht damit, dass erhebliche Teile der Bonusrente wegfallen können (vgl RS0121727). Somit wird ihnen auch in dieser Hinsicht die Möglichkeit genommen bzw erschwert, die wirtschaftliche Tragweite ihrer Veranlagungsentscheidung, die immerhin Jahrzehnte weit reicht, vorherzusehen. Es liegt laut HG Wien ein Verstoß gegen das aus dem Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG abzuleitende Gebot der Vollständigkeit vor, da die Auswirkungen der Klausel für Konsument:innen unklar bleiben (RS0115219), selbst wenn die angesprochenen „versicherungsmathematischen Grundsätze“ genehmigt und zulässig seien.
Das OLG Wien bestätigte die Entscheidung des HG Wien und beurteilte die Klausel 2 ebenfalls als unzulässig. Das OLG Wien führte hierzu aus: Ein Querverweis in einem Klauselwerk oder ein Verweis (zB) auf Preislisten führt (für sich allein) noch nicht zur Intransparenz im Sinn von § 6 Abs 3 KSchG. Allerdings muss laut OLG Wien die Auffindung durch eine unmittelbar zielführende, auch dem:der Durchschnittsverbraucher:in leicht verständliche Verweisung ermöglicht werden (stRsp, vgl RS0122040 T3).
Die hier angegriffene AVB-Klausel beschränkt – wie das OLG Wien weiter ausführt - sich auf die Möglichkeit einer Rentenkürzung "nach festgelegten versicherungsmathematischen Grundsätzen" ohne jegliche Erklärung, wo diese Grundsätze festgelegt oder auffindbar seien. Schon dieses somit unklare Bild über vertragsrelevante Umstände führt laut OLG Wien zur Unzulässigkeit der Klausel infolge Intransparenz nach § 6 Abs 3 KSchG.
Gegen die Entscheidung des OLG Wien zur Klausel 2 richtete sich die Revision der Wiener Städtischen, die der OGH – für uns nicht nachvollziehbar – für berechtigt erachtete.
Bei der Beurteilung der Unverständlichkeit sei laut OGH zu unterscheiden, ob der Verwender eine möglichst verständliche Formulierung gewählt oder die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (für Durchschnittskund:innen) unnötig schwer verständlich formuliert hat.
Es könne – wie der OGH ausführt – nicht angehen, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen keine termini technici mehr verwenden könnten, weil sie den Verbraucher:innen nicht geläufig sind. Gerade im Bereich komplexerer Anlage- oder Versicherungsprodukte sei eine gewisse Mindestkundigkeit der Verbraucher:innen zu unterstellen, damit nicht etwa ganze Branchen ihre juristische Kommunikationsfähigkeit verlieren würden. Auch durch ein Zuviel an Information könne laut OGH das Transparenzgebot ad absurdum geführt werden. Das Transparenzgebot finde seine Grenze nämlich dort, wo es funktionslos werde.
Der OGH hält fest, dass die Forderung nach einer detaillierten Erklärung „versicherungsmathematischer Grundsätze“ im Rahmen Allgemeiner Versicherungsbedingungen – neben der ohnehin gegebenen aufsichtsrechtlichen Kontrolle dieser Grundsätze – ein solches Zuviel an Information wäre, dass das Transparenzgebot funktionslos machen würde.
Der OGH änderte somit die Entscheidung der Vorinstanzen ab und untersagte die Klausel 2 nicht.
HG Wien 24.08.2024, 43 Cg 59/23h
OLG Wien 25.11.2024, 2 R 176/24b
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien