Zum Inhalt

AMIS-Skandal - Derzeit keine "Staatshaftung"

Der Verfassungsgerichtshof hat eine Klage auf Staatshaftung wegen mangelhafter Umsetzung der Richtlinie derzeit zurückgewiesen.

Der VfGH hat die Klage einer durch die Insolvenz des Finanzdienstleisters Amis geschädigten Anlegerin zurückgewiesen. Die geschädigte Anlegerin klagte den Bund nach Art. 137 B-VG aus dem Titel der Staatshaftung auf einen Betrag von € 6.185,57,-. Eine Staatshaftung setzt voraus, dass es durch das Verhalten von Organen eines Mitgliedstaates zur Verletzung einer gemeinschaftsrechtlichen Norm gekommen ist. Der Staatshaftungsanspruch wurde im vorliegenden Fall darauf gestützt, dass die Anlegerentschädigungs-RL nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sei. Die Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen verfügt nämlich nicht über einen ausreichenden Haftungsfonds, um alle geschädigten Anleger zu befriedigen.

Das Handelsgericht Wien hatte im November 2005 über das Vermögen der AFC und der Amis Asset Management Service AG das Konkursverfahren eröffnet. Die Klägerin hatte mit der Amis Asset Management Investment Service AG, deren Betrieb später auf die AFC abgespalten wurde, einen Vertrag über einen Sparplan geschlossen und aufgrund dessen einen Betrag von S 120.000,-- auf ein Konto der RZB Österreich AG überwiesen.

Am 2. 5. 2006 hatte die Klägerin Ihre Forderung bei der Anlegerentschädigung (AeW) von Wertpapierfirmen gemäß § 23c des Wertpapieraufsichtgesetzes (WAG) angemeldet; diese hatte den Eintritt in den Schadensfall  abgelehnt.  Die Ablehnung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Antragsteller nach dem Wissensstand der AeW  keine Gelder in die AFC oder in die Gesamtrechtsvorgängerin eingezahlt hätten; solche Gelder - so die AeW - müssten daher auch nicht zurückgezahlt werden.

Hintergrund der Weigerung dürfte auch sein, dass AeW die berechtigten Entschädigungserwartungen aller Anleger gar nicht erfüllen könnte, weil sie notorisch unterdotiert ist. Zwar besteht eine Nachschusspflicht aller Mitgliedsunternehmen, also aller WPDLU Österreichs, die aber zum Schutz dieser Unternehmen gesetzlich limitiert ist.

Die Klägerin sah die Europäische Richtlinie, die Österreich (wie alle anderen Mitgliedstaaten auch) zur Schaffung einer effizienten Anlegerentschädigung verpflichtet hatte, nicht richtlinienkonform umgesetzt.

Die Anlegerentschädigungs-RL ist durch die WAG-Novelle BGBl. I 63/1999 umgesetzt worden. Als Entschädigungseinrichtung im Sinne des WAG dient die "Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH (kurz AeW). Gesellschafter sind etwa 175 Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Der beklagte Bund ist nicht Gesellschafter.

Die Klägerin führte den Vorwurf der Unterlassung der ordnungsgemäßen Umsetzung der Anlegerentschädigungs-RL im Wesentlichen wie folgt aus:

Die AeW werde allein durch Beiträge ihrer Mitgliedsunternehmen (dabei handelt es sich um sämtliche WPDLU’s) finanziert und müsse auch aus diesen Beiträgen allfällige Entschädigungen leisten. Gemäß § 23c Abs 3 WAG alt bzw. § 76 Abs 3 WAG 2007 seien die Beiträge der Mitgliedsinstitute allerdings dadurch begrenzt, dass diese im Geschäftsjahr höchstens zu Beitragsleistungen im Ausmaß von 10% des Eigenkapitals verpflichtet sind. Der Haftungsfonds der AeW beschränke sich sohin auf ca € 5,5 Mio. Dem gegenüber stünden Ansprüche von  16.000 Amis Anlegern; insgesamt somit ein Forderungsbetrag von ca € 140 Mio.

Aufgrund unzureichender Umsetzung der RL sei das österreichische Entschädigungssystem nicht in der Lage, die Ansprüche sämtlicher Amis-Anleger zu erfüllen.

Der Vorwurf an den Gesetzgeber war, dass er es verabsäumt habe, ein Entschädigungssystem durch gesetzliche Maßnahmen zu konstruieren, das gewährleistet, dass 100% der berechtigten Ansprüche binnen einer Frist von 3 Monaten ab Feststellen des Anspruches erfüllt werden.

Die Argumente des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit der Klage

Die Staatshaftung setze voraus, dass es durch das Verhalten von Organen eines Mitgliedstaats zur Verletzung einer gemeinschaftsrechtlichen Norm gekommen ist, die bezweckt, dem einzelnen Rechte zu verleihen; weiters müsse ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen diesem Verstoß und dem Schaden bestehen, der dem Einzelnen entstanden ist. Ein Anspruch aus dem Titel der Staatshaftung  könne überdies nur geltend gemacht werden, wenn die Klägerin von allen innerstaatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch gemacht hat.

Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof stand noch nicht fest, dass im Falle des Obsiegens der Anleger gegen die AeW als Haftungsfonds nur das angesammelte Eigenkapital zur Verfügung stehen werde. Selbst wenn die zur Verfügung stehenden Eigenmittel unzureichend sein sollten - so der VfGH - könnten die AeW und ihre Gesellschafter in der Lage und gewillt sein, durch Darlehen oder sonstige Finanzierungsmittel einen ausreichenden Haftungsfonds zu schaffen. Das WAG würde diese Möglichkeit nicht von vornherein ausschließen.

Der VfGH brachte damit zum Ausdruck, dass die potenten Unternehmen des Finanzsektors, wie Banken und Versicherungen, für den erlittenen Schaden geradestehen sollen.

Die Geltendmachung der Staatshaftung war aber schon deshalb unzulässig, weil noch offen war, ob in Zukunft tatsächlich ein Schaden für die Klägerin als Anlegerin entstehen wird, der nicht aufgrund der innerstaatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten zugesprochen und auch abgegolten wird.

Es sind somit vorerst die Entscheidungen des OGH zur Haftung der AeW für den Fall Amis abzuwarten. Wird die Haftung bejaht, stellt sich in weiterer Folge die Frage, ob die AeW die Anlegerforderungen  bedienen kann.

VfGH A 2/08-25, 24. 6. 2009
Klagevertreter: Dr. Johannes Neumayer

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Verbandsverfahren geklagt. Es handelt sich um eine Klausel, wonach die Leistung im Falle der Arbeitsunfähigkeit erstmalig an dem Fälligkeitstermin der Kreditrate erbracht wird, welcher dem Ablauf einer Frist von 6 Wochen ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit folgt (=Karenzzeit). Die Klausel, auf die sich der Versicherer auch im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren vom OLG Wien als unzulässig beurteilt, nachdem zuvor schon das HG Wien dem VKI recht gegeben hat. Das Urteil ist rechtskräftig.

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Musterprozess geklagt. Eine Verbraucherin hatte für den Fall der Arbeitsunfähigkeit für einen Kreditvertrag eine Restschuldversicherung bei der CNP Santander Insurance Europe DAC abgeschlossen. Nachdem sie wegen Long Covid eine Zeit lang arbeitsunfähig war, zahlte der Versicherer nicht alle Kreditraten. Der Versicherer zahlte jedoch kurz nach der Klagseinbringung durch den VKI den gesamten Klagsbetrag. Die Klausel, auf die sich der Versicherer im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren rechtskräftig für unzulässig erklärt.

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

47 Klauseln von Lyconet gesetzwidrig

47 Klauseln von Lyconet gesetzwidrig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat – im Auftrag des Sozialministeriums – eine Verbandsklage gegen die Lyconet Austria GmbH (Lyconet) geführt. Lyconet, ein im Netzwerk-Marketing tätiges Unternehmen, vertrieb unter anderem das „Cashback World Programm“. Dabei handelt es sich um eine Einkaufsgemeinschaft, die es Mitgliedern ermöglichen sollte, durch den Bezug von Waren und Dienstleistungen bei Partnerunternehmen Vorteile zu erhalten. Gegenstand der Klage waren 47 Vertragsklauseln, die Bestandteil von Lyconet-Vereinbarungen und sogenannten Lyconet Compensation-Plänen waren. Diese wurden vom VKI unter anderem aufgrund zahlreicher intransparenter Regelungen und damit einhergehender Unklarheiten kritisiert. Nachdem bereits die Unterinstanzen alle beanstandeten 47 Klauseln als gesetzwidrig beurteilt hatten, erkannte auch der Oberste Gerichtshof (OGH) sämtliche Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang