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Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank über die zu finanzierende Kapitalanlage

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigte sich eingehend mit der Frage, wann einer Bank einem kreditsuchenden Kunden gegenüber aufklärungspflichtig wird über spezielle Risken der zu finanzierenden Kapitalanlage.

Das klagende Ehepaar fordert von der beklagten Bank Schadenersatz wegen eines Aufklärungsverschuldens im Zusammenhang mit dem Erwerb einer minderwertigen Eigentumswohnung. Über Vermittlung einer Wirtschaftsberatung entschlossen sich die Kläger zum Zweck der Steuerersparnis eine Eigentumswohnung zu erwerben. Zur Finanzierung des dafür nötigen Kaufpreises schlossen die Kläger ebenfalls über Vermittlung der Wirtschaftsberatung mit der beklagten Bank einen Darlehensvertrag. Im Wertermittlungsbogen nahm der damalige Filialleiter der Beklagten auf den Prospekt der Vermittlerin Bezug, in dem die Größe der Wohnung mit 87 qm und ihr Preis mit 256.650 DM angegeben waren. Zwei Jahre später ergab eine Bewertung der Beklagten, dass die Wohnung lediglich 156.000 DM wert wäre. Die Kläger machten eine Schadenersatzhaftung der Beklagten vor allem mit der Begründung geltend, dass der damalige Filialleiter sowie der Kreditsachbearbeiter bei Abschluss des Kreditvertrages gewusst hätten, dass sie, die Kläger, aufgrund arglistiger Täuschung durch die Vermittlerin eine minderwertige, baufällige und wesentlich ältere als im Prospekt der Vermittlerin angegebene Wohnung gekauft hätten. Die Finanzierung der weitgehend wertlosen Immobilien sei erst nach deren Besichtigung durch Mitarbeiter der Beklagten erfolgt.
Nachdem sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht dem Klagebegehren nicht stattgegeben haben, hob nun der BGH das Urteil auf und wies die Sache zu weiteren Sachverhaltserhebungen zurück. Der BGH begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:
Die kreditgebende Bank trifft eine Aufklärungs- und Warnpflicht unter anderem dann, wenn sie bei Vertragsschluss weiß, dass für die Bewertung des Kaufobjektes wesentliche Umstände durch Manipulation verschleiert wurden, oder dass der Vertragsschluss ihres Kunden auf einer arglistigen Täuschung des Verkäufers bzw. auf einer vorsätzlichen culpa in contrahendo (Verletzung der Aufklärungspflicht) beruht. Die Anleger können sich in Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgewährenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen. Die Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler, sei es auch nur über einen von ihm benannten besonderen Finanzierungsvermittler, angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles evident ist, so dass sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.
Im konkreten Fall besteht daher nach Auffassung des BGH eine eigene vorvertragliche Hinweis- und Aufklärungspflicht der kreditgebenden Beklagten, weil sowohl ihre Kenntnis von dem sittenwidrig überhöhten Kaufpreis als auch von den vorsätzlich falschen Angaben der für den Verkäufer tätig gewordenen Vermittlerin sowie ihres Prospekts über den damaligen Wert sowie über andere verkehrswesentliche Eigenschaften der Eigentumswohnung widerleglich vermutet wird, so dass von einem erkennbaren konkreten Wissensvorsprung der Beklagten gegenüber den Klägern bei Abschluss des Darlehensvertrages auszugehen ist.
BGH 17.10.2006, XI ZR 205/05

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