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AWD zu Schadenersatz für Beratungsfehler bei "Boden-Invest" verurteilt

Der VKI hat nun auch rund um Falschberatungen von AWD-Beratern im Zusammenhang mit dem Verkauf von Kommanditbeteiligungen an Boden-Invest ("Victor") einen Musterprozess gegen den AWD in erster Instanz gewonnen.

Vor Jahren hatten sich beim VKI viele Konsumenten über die Beratung des AWD rund um Beteiligungen an "Boden-Invest" beschwert. Damals konnte mit dem AWD eine rasche und zufriedenstellende außergerichtliche Einigung erzielt werden. In Fällen, die sich erst später beim VKI meldeten sah sich der AWD nun nicht mehr an diese Lösung gebunden und verweigerte Schadenersatz. Daher wurde zu dieser Frage nunmehr doch ein Musterprozess geführt. Das Verfahren zeigt zweierlei: Schon bei "Boden-Invest" wurde von den AWD Beratern mit der "Sicherheit von Immobilien" geworben und wurden Vergleiche zu sicheren Sparprodukten hergestellt. Wie auch heute (bei Immofinanz) argumentiert der AWD im Fall einer Klage, in den Gesprächsnotizen ausreichend aufgeklärt zu haben. Der Haken: Diese wurden in der Regel von den Beratenen - voll Vertrauen auf den Berater - ungelesen unterzeichnet. Das Urteil enthält daher auch dazu und zur Frage der Verjährung sehr erhellende Ausführungen.

Die Konsumentin zeichnete aufgrund der entgeltlichen Vermittlung und Finanzberatung durch den AWD (= beklagte Partei) mit Zeichnungsschein eine Beteiligung an der "Victor KEG". Laut Zeichnungsschein sollte diese Kommanditbeteiligung treuhändig auf Rechnung der Anlegerin von der ATI Vermögenstreuhandgesellschaft m.b.H. - in der Folge "ATI" genannt - erworben und gemäß den Bestimmungen des Treuhand- und Verwaltungsvertrages treuhändig verwaltet werden. Die Anlegerin war laut Zeichnungsschein verpflichtet, die Kommanditbeteiligung durch Übernahme einer Einlage von ATS 144.000.- in monatlichen Raten zu ATS 1.000.- zu leisten.

Laut Zeichnungsschein sollte die Dauer der Beteiligung an der Gesellschaft zwölf Jahre betragen, wobei sich das Vertragsverhältnis automatisch um jeweils ein weiteres Jahr verlängern sollte, wenn das Treuhandverhältnis nicht unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist auf den im Zeichnungsschein gewählten (angekreuzten) Endzeitpunkt mittels eingeschriebenen Briefes gekündigt wird. Die Anlegerin hat die Kommanditbeteiligung per 30.09.2009 gekündigt, woraufhin ihr von Seiten der Treuhänderin ATI Vermögenstreuhandgesellschaft m.b.H. mit Schreiben vom 10.12.2009 bekanntgegeben wurde, das Auseinandersetzungsguthaben per 30.09.2009 betrage 83,21 % der einbezahlten Kommanditeinlage, somit EUR 8.707,67. Dieser Betrag wurde in weiterer Folge Ende Dezember 2009 auch an die Anlegerin überwiesen.

Von der AWD-Beraterin wurde der Anlegerin - als gleichwertige Alternative zu einem Bausparvertrag für die beiden Enkelkinder - der hier maßgebliche Ansparvertrag mit der Bezeichnung "VICTOR" von der Firma Kapital & Wert angeboten. Die Beraterin der beklagten Partei hat gegenüber der Anlegerin die Sicherheit des Investments aufgrund der Veranlagung in Immobilien betont und den zu erwartenden Ertrag mit durchschnittlich 6-8% p.a. angegeben.

Von Seiten der Beraterin wurde nicht darauf hingewiesen, dass der Ertrag möglicherweise auch wesentlich niedriger sein könnte oder gar ein Kapitalverlust eintreten könnte. Dass es sich bei der Veranlagung um eine Kommanditbeteiligung handelt, wurde weder angesprochen noch der Charakter einer Kommanditbeteiligung erörtert.

Gemeinsam mit dem Zeichnungsschein hat die Anlegerin auch eine Gesprächsnotiz zur Beratung unterfertigt, ohne dass aber deren Inhalt mit ihr erörtert wurde. Es ist ihr auch nicht aufgefallen, dass dort unter dem Punkt Anlageziel und Risikobereitschaft das Kästchen "höheres Kapitalwachstum bei mittlerer Risikobereitschaft" angekreuzt ist und dass unter der Rubrik Aufklärung über Risken das Kästchen "Kursschwankungen" angekreuzt ist mit dem Zusatz "6-8%". Die Anlegerin wollte bei dieser Veranlagung jedenfalls keinerlei Risiko eingehen, sondern Geld für ihre Enkelkinder ansparen. Wegen der höheren Rendite hat sie sich für das ihr vom Berater der beklagten Partei angebotene Produkt entschieden; wäre ihr bekannt gewesen, dass es überhaupt keine Gewähr für die prognostizierte Rendite gibt und sogar die Gefahr eines Kapitalverlustes besteht, so hätte sie sich keinesfalls für diese Veranlagung entschieden.

Entgegen dem Inhalt des Zeichnungsscheins hat die Anlegerin bei bzw. vor Unterfertigung des Zeichnungsscheines weder den Treuhand- und Verwaltungsvertrag, noch den Gesellschaftsvertrag oder den Veranlagungsprospekt samt Zusatzprospekt für Veranlagungen in Immobilien ausgefolgt erhalten oder auch nur zur Kenntnis genommen. Erst im Anschluss an die Zeichnung der Kommanditbeteiligung am 26.11.1997 wurde der Anlegerin eine umfangreiche Broschüre übermittelt, die sowohl den Veranlagungsprospekt samt Zusatzprospekt für Veranlagungen in Immobilien gemäß den Bestimmungen des KMG als auch den im Zeichnungsschein erwähnten Gesellschaftsvertrag sowie den Treuhand- und Verwaltungsvertrag enthält. Dass die Anlegerin diese zur Gänze - insbesondere das Kapitel über die Veranlagung (Kapitel 2) sowie die Veranlagungsrichtlinien - las, konnte nicht festgestellt werden.

Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien urteilte, dass der AWD die geschädigte Konsumentin beim Abschluss eines Treuhandvertrages über eine Beteiligung an der BODEN-INVEST Beteiligungsgesellschaft mbH Co. "Victor" KEG (kurz: "Victor KEG") über die Sicherheit dieser Anlage falsch beraten hat. Der AWD muss nun der Konsumentin Schadenersatz leisten. 

Zur rechtlichen Beurteilung führt das Gericht aus: 

Die Veranlagung bot nicht die von der Anlegerin gewünschte und ihr gegenüber kommunizierte Sicherheit (= die gleiche Sicherheit wie ein Bausparvertrag) und stellt daher die Beratung durch den AWD eine den §§ 13 ff WAG alt widersprechende und daher rechtswidrige Anlageberatung dar. Da die Anlegerin die gegenständliche Veranlagung ohne das Beratungsfehlverhalten der beklagten Partei nicht erworben hätte, ist die Anlegerin so zu stellen, wie sie bei ordnungsgemäßer Beratung stünde. Der Schaden der Anlegerin beträgt im konkreten Fall EUR 1.479,20 zuzüglich des Zinsentgangs aus der hypothetischen Alternativveranlagung (4%).

Es wurde nicht festgestellt, dass die Konsumentin bereits zuvor Kenntnis von dem mir der Kommanditbeteiligung verbundenen Risiko erlangt hätte.

Es ist aufgrund der diesbezüglich restriktiven herrschenden Rechtsprechung davon auszugehen, dass keine Erkundigungsobliegenheit der geschädigten Anlegerin besteht und die Verjährungsfrist demnach nicht bereits dann zu laufen beginnt, wenn die (leichte) Möglichkeit besteht, Kenntnis vom Schaden zu erlangen. Die bloße Möglichkeit zur Ermittlung der maßgeblichen Umstände hinsichtlich des Schadenseintritts reicht für den Beginn der Verjährungsfrist demnach nicht aus.

Im konkreten Fall hatte die Anlegerin erst im Juni 2009 Kenntnis davon erlangt, dass mit ihrer Veranlagung das Risiko eines Kapitalverlustes verbunden ist. Demnach ist der Ersatzanspruch nicht verjährt.

Die unterlassene Kündigung des Investments bzw. die unterlassene Sistierung der Einzahlungen begründet kein Mitverschulden bzw. keine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit. Eine Kündigung bzw. eine Sistierung der Einzahlungen hätte ex ante betrachtet nur dann gefordert werden dürfen, wenn die Anlegerin die zukünftige Entwicklung der Kapitalmärkte voraussehen hätte können, was selbstverständlich nicht anzunehmen ist. Im Übrigen durfte die Anlegerin auch auf die Aussagen ihrer Anlageberaterin vertrauen. Schließlich begründet auch das Nichtlesen des KMG-Veranlagungsprospekts bzw. des Tätigkeitsberichts der Victor KEG kein Mitverschulden der Anlegerin, weil dieser vor Abschluss ihres Investments keinerlei Unterlagen zur Einsicht übergeben wurden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

BGHS 03.12.2010, 9 C 794/10w
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Klagevertreter: Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt  in Wien

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