Zum Inhalt

Berechnung des hypothetischen heutigen Vermögensstands bei fehlerhafter Anlageberatung (OGH)

1. Der Anlageberater haftet nicht für das positive Vertragsinteresse; der Anleger kann nur verlangen, er möge so gestellt werden, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt hätte.

2. Der Anlageberater haftet dabei für den Vertrauensschaden, der durch eine Differenzrechnung zu ermitteln ist: Vom hypothetischen heutigen Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis ist der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen.

Die Klägerin investierte im Jahr 2007 über Beratung der A***** GmbH, über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt worden ist, 180.000 EUR in Finanzprodukte der Nebenintervenientin. Im September 2009 verkaufte die Klägerin diese Produkte mit einem Gesamtverlust von 13,18% bzw. knapp 30.000 EUR.

Im Verfahren vor dem OGH ist zwischen den Parteien nicht mehr strittig, dass die Gemeinschuldnerin aufgrund fehlerhafter Beratung der Klägerin für jenen Schaden einzustehen hat, den diese dadurch erlitt, dass sie ihr Vermögen zum Teil in Produkte der Nebenintervenientin veranlagt hatte. Strittig ist nur mehr die Höhe des erlittenen Schadens und dessen Berechnung.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) enschied hiezu wie folgt:

Berechnung des Schadenersatzes

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, das Erstgericht habe Feststellungen dahin zu treffen, welche Veranlagungsvariante mit mittlerem Risiko und einer Rendite von mehr als 6 % für die Klägerin bei richtiger Beratung in Frage gekommen wäre, ob die Klägerin diese Veranlagungsvariante auch tatsächlich in Erwägung gezogen (also nicht trotz richtiger Beratung die selben Veranlagungsprodukte der Nebenintervenientin erworben hätte) und wie sich diese real entwickelt hätte, ist nicht zu beanstanden.

Jedenfalls steht der Klägerin nicht der reale Schaden als positiver Schaden zu, der in der Differenz von Erwerbspreis und Veräußerungspreis der empfohlenen Produkte liegt.

Maßgeblich für die Ermittlung des hypothetischen heutigen Vermögensstands sind die konkreten Umstände und Vereinbarungen bei Abschluss des Beratungsvertrags, insbesondere die erklärten Veranlagungsziele des Anlegers, nicht jedoch objektive Vergleichsparameter wie etwa eine Sparbuchveranlagung, eine Veranlagung in einen "seriösen österreichischen Immobilienfonds" oder der Erwerb "festverzinslicher österreichischer Wertpapiere".

Es kann also nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Anleger bei richtiger Aufklärung eine völlig risikolose Veranlagung vorgenommen hätte; maßgeblich für die Höhe des Schadenersatzes sind der Veräußerungserlös und der Kurs der Alternativanlage.

Beweislast

Die Klägerin trägt nach stRsp des OGH die Beweislast für ihren hypothetischen heutigen Vermögensstand: Danach hat der durch eine falsche Beratung Geschädigte den Eintritt des Schadens und dessen Höhe zu beweisen; er hat daher nicht nur die tatsächlich eingetretene Vermögenslage zu behaupten und zu beweisen, sondern - als Minuend der vorzunehmenden Differenzrechnung - auch den hypothetischen heutigen Vermögensstand, der ohne die schädigende Handlung bestünde.

Bei Haftungsprozessen gegen Anlageberater ist nicht - wie im Arzthaftungsrecht - von einer Beweislastumkehr auszugehen. Vielmehr trifft die Beweislast, dass bei pflichtgemäßem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, den Geschädigten. Die Anforderungen an den Beweis des bloß hypothetischen Kausalverlaufs sind allerdings geringer als die Anforderungen an den Nachweis der Verursachung bei einer Schadenszufügung durch positives Tun. Die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, lässt sich naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten, weil dieses Geschehen eben nicht tatsächlich stattgefunden hat. Der Geschädigte hat daher (lediglich) ein Vorbringen zu erstatten, mit dem die Verursachung eines Schadens plausibel gemacht wird, dem Schädiger steht dann der Nachweis offen, dass ein anderer Verlauf wahrscheinlicher sei.

OGH 28.01.2011, 6 Ob 231/10d
Volltextservice
Klagevertreter: Rechtsanwalt MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger, Götzis

OGH 28.1.2011, 6 Ob 231/10d im Volltext

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Ausschlussklausel der Generali Versicherung AG

Unzulässige Ausschlussklausel der Generali Versicherung AG

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Generali Versicherung AG wegen einer Klausel geklagt, die den Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit Akten der Hoheitsverwaltung ausschließt. Das Handelsgericht Wien gab dem VKI recht und erklärte die eingeklagte Klausel für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln bei Hapimag

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln bei Hapimag

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

Unterlassungserklärung der HDI Versicherung AG

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die HDI Versicherung AG wegen einer Klausel in deren ARB 2018 idF vom 01.05.2021 abgemahnt. Diese Klausel sah zwar eine Anpassung der Versicherungssumme und der Versicherungsprämie an den VPI vor, nahm aber unter anderem die im Vertrag vorgesehenen Höchstentschädigungsleistungen von einer solchen Wertanpassung aus. Die HDI Versicherung AG gab am 15.07.2024 eine Unterlassungserklärung ab.

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Allianz Elementar Versicherungs AG wegen deren Dauerrabattklausel und deren Kündigungsklausel. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang