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Urteil: Gesetzwidrige Klauseln in Heimverträgen

Der Oberste Gerichtshof bestätigte in einem Verbandsverfahren des VKI - im Auftrag des BMASK- die Gesetzwidrigkeit und damit Nichtigkeit mehrerer Klauseln in Verträgen von Alten- und Pflegeheimen in Schärding.

Konkret ging es zuletzt (der Heimträger hatte nach Klagseinbringung ein teilweises Anerkenntnis abgegeben) um die folgenden drei Heimvertragsklauseln:

1. Vertragsauflösungsklausel 1

Der Heimträger ist weiters berechtigt, den Vertrag bei besonders schwerwiegenden Verstößen des Heimbewohners mit sofortiger Wirkung vorzeitig aufzulösen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Bewohner b. eine unmittelbar drohende Gefahr für das Heim, andere Heimbewohner oder Bedienstete des Heimträgers verursacht.

Die Klausel wurde beanstandet, weil hier nicht auf ein Verschulden des Bewohners abgestellt wird (was z.B. bei dementen oder nicht zurechnungsfähigen Bewohnern problematisch sein kann), und weil nicht näher konkretisiert wird, was unter "unmittelbar drohender Gefahr" zu verstehen ist. Hier könnten z.B. auch geringfügige Eingriffe in fremdes Eigentum zum Anlass einer sofortigen -Vertragsauflösung genommen werden. Diese Regelung qualifizierte das Gericht daher als sittenwidrig gemäß § 879 Abs 3 ABGB iVm § 27i KSchG, denn dabei werde auch nicht berücksichtigt, ob den Heimbewohner oder die Heimbewohnerin überhaupt ein Verschulden treffe.

Das OLG Linz bestätigte diese Entscheidung. In § 27i Abs 1 KSchG werde das Kündigungsrecht des Heimträgers auf schriftliche Kündigungen aus wichtigen Gründen eingeschränkt. Die Auflösung mit sofortiger Wirkung stelle einen besonders schwierigen Eingriff in die Interessen der Heimbewohner dar und sei im Übrigen auch noch unklar formuliert. Der Hinweis auf die Gefahr lasse weder die geschützten Rechtsgüter noch die geforderte Intensität erkennen.

2. Vertragsauflösungsklausel 2

Der Heimträger ist weiters berechtigt, den Vertrag bei besonders schwerwiegenden Verstößen des Heimbewohners mit sofortiger Wirkung vorzeitig aufzulösen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Bewohner a. eine mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte gerichtlich strafbare Handlung, vor allem zum Nachteil anderer Heimbewohner, des Heimträgers oder dessen Bediensteter begeht.

Das Begehren hinsichtlich dieser Klausel war vom Erstgericht zunächst abgewiesen worden. Das OLG Linz änderte die Entscheidung ab und führte aus, dass auch bei einer Auflösung "wegen strafbarer Handlungen" an einer Festlegung fehle, dass diese nur bei Verschulden in Betracht käme. Dies sei umso wichtiger, als gerade in Pflegeeinrichtungen die Frage der Zurechnungsfähigkeit von erheblicher Bedeutung sei.

"Gerichtlich strafbare Handlung" könne aber auch im Sinne eines objektiven Tatbestandes verstanden werden. So stelle etwa der § 30 Abs 2 Z 2 MRG (Kündigungsbeschränkungen zu Lasten des Vermieters) ausdrücklich darauf ab, dass sich der Mieter einer solchen Verfehlung "schuldig machen" müsse. Außerdem müsse die Beklagte im Sinne der ständigen Judikatur die "kundenfeindlichste Auslegung" von Vertragsklauseln im Verbandsprozess gegen sich gelten lassen. Es fall dabei vor allem ins Gewicht, dass in der Klausel nur davon die Rede sei, dass die strafbare Handlung "vor allem" zum Nachteil der anderen Bewohner, des Heimträgers oder dessen Bediensteter begangen werde.

OGH zur Frage der außerordentlichen Kündigung beim Heimvertrag
Der OGH gab der ordentlichen Revision der Beklagten gegen die Entscheidung der Berufungsinstanz zu beiden Auflösungsklauseln nicht statt.
Er äußerte sich in seiner Entscheidung zur bislang strittigen Frage, ob neben den in § 27i KSchG geregelten Möglichkeiten zur Kündigung durch den Heimträger unter Einhaltung von Kündigungsfristen bei bestimmten Kündigungsgründen auch - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für Dauerschuldverhältnisse - eine sofortige Auflösung aus besonders wichtigen Gründen, die eine Fortsetzung des Vertrages unzumutbar machen, zulässig ist.

Der OGH führt dazu aus, dass es sich bei dem Grundsatz, dass Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen auch aufgelöst werden können, um eine sehr allgemeine Wertung handle, die nur als "äußerstes Notventil" auf verschiedenste Bereiche ausgedehnt worden sei. Hätte der Gesetzgeber wie hier selbst dieses "äußerste Notventil" untersagen oder auf ein bloßes Kündigungsrecht einschränken wollen, so wäre eine klare Stellungnahme im Gesetz oder der Regierungsvorlage zu erwarten gewesen.
Klar sei aber aus beiden, dass dem Gesetzgeber offenbar keine Fälle vorweg regelbar schienen, in denen dieses "äußerste Notventil" greifen sollte. Außerdem verweist der OGH auf das Transparenzgebot der §§ 6 Abs 3 und 27d KSchG. Vor allem die letztere Bestimmung solle offenbar eine möglichst detaillierte Darstellung der Vertragslage bewirken.

Es sei nun für den OGH - wie auch anscheinend für den Gesetzgeber- vorweg keine Konstellationen ersichtlich, die es einerseits trotz der ohnehin nach § 27i KSchG bestehenden Kündigungsmöglichkeiten mit einer bloß einmonatigen Kündigungsfrist zum Monatsende (d.h. maximal 2 Monate) und der dabei festgelegten Voraussetzungen (zumutbare Abhilfemassnahmen) im Sinne des dargestellten "Notventils" erfordern würden, das Vertragsverhältnis sofort aufzulösen, und die andererseits so konkret und bestimmt beschreibbar wären, dass dies dem hier geltenden Transparenzgebot entsprechen würde.

Bestünde doch bei einer allgemeinen unbestimmten Bezugnahme auf ein "Notventil" die Gefahr, dass dadurch - alte und pflegebedürftige - Verbraucher (Heimbewohner) von der Durchsetzung ihrer Rechte auf Aufrechterhaltung des Heimvertrags abgehalten werden, weil ihnen ein unklares Bild ihrer vertraglichen Position vermittelt wird und sie mit der Unsicherheit der Befürchtung einer (jederzeitigen) Auflösbarkeit ihres Heimvertrags konfrontiert wären.

Jedenfalls sei aber eindeutig, dass Auflösungsgründe, die nicht einmal zu einer Kündigung im Sinne des § 27i KSchG ausreichen, keinesfalls Anlass für eine außerordentliche sofortige Auflösung sein können. Dies treffe im Sinne der Grundsätze über die "verbraucherfeindlichste" Auslegung im Verbandsprozess nach § 28 KSchG auf beide hier zur Beurteilung anstehenden Auflösungsklauseln zu. Auch wenn dem beklagten Sozialhilfeverband zuzubilligen sei, dass unter "strafbaren Handlungen" regelmäßig wohl auch nur ein schuldhaftes Verhalten verstanden werden könne, zeige doch § 27i Abs 1 Z 3 KSchG über den Kündigungsgrund bei Fehlverhalten eines Heimbewohners, dass dort alle zumutbaren Maßnahmen der Abhilfe und Ermahnungen gefordert werden.
Als weitere Voraussetzung wird festgelegt, dass es dem Träger oder anderen Bewohnern nicht weiter zugemutet werden kann, den Heimvertrag über die Kündigungsfrist hinaus aufrecht zu belassen.
Es könne nun dahingestellt bleiben, ob etwa ein schwerer Diebstahl im Sinne des § 128 Abs 1 Z 1 StGB, der unter Ausnützung des Zustands eines Bestohlenen, der diesen hilflos macht, erfolgt und der mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bedroht ist, schon den Tatbestand des § 27i Abs 1 Z 3 KSchG verwirklicht und ob nicht vorweg versucht werden muss, (auch) hier Abhilfe zu schaffen. Jedenfalls ist dieser Fall im Allgemeinen durch die Bestimmung des § 27i Abs 1 Z 3 KSchG als erfasst anzusehen, sodass jedenfalls nur die Möglichkeit einer Kündigung bestünde und insoweit die fristlose sofortige Auflösung entsprechend der Klausel als unzulässig anzusehen ist.

Noch mehr gelte dies hinsichtlich der zweiten Auflösungsklausel betreffend eine "unmittelbar drohende Gefahr", etwa für das Heim. Dabei werde im Klauseltext weder auf die Schwere der Gefahr noch darauf abgestellt, dass diese für "Leib und Leben" verwirklicht sein müsste. Im Sinne wiederum des heranzuziehenden Grundsatzes der "verbraucherfeindlichsten" Auslegung im Rahmen des Prüfungsverfahrens nach § 28 KSchG wäre hier also etwa auch die bloße Gefahr, dass ein Heiminsasse einen bloß unbedeutenden Sachschaden anrichtet, schon ausreichend.

3. Pflegeklausel

Die individuelle Hilfe und Betreuung umfasst alle Pflegemaßnahmen, soweit das Pflegepersonal auf Grund seiner Ausbildung zur Erbringung nach bestehenden Vorschriften berechtigt ist und darüber hinaus die hierfür erforderlichen medizinisch-technischen Voraussetzungen vorhanden sind und die im Einzelfall erforderlichen Hygienevorschriften eingehalten werden können.

Das Erstgericht beurteilte die Klausel zunächst als gesetzmäßig, das OLG Linz hingegen änderte die Entscheidung zu Gunsten der HeimbewohnerInnen ab. Auch der OGH qualifizierte sie als gesetzwidrig:
Die "besonderen Pflegeleistungen" würden gerade im Bereich der Altenbetreuung regelmäßig als eine Hauptleistung verstanden (unter Bezug auf Ganner in Klang ABGB3 § 27d KSchG Rz 11). Der Träger muss dabei angeben, bis zu welchem Pflegestandard oder bis zu welcher Pflegestufe er solche Leistungen aktuell oder in Zukunft erbringt (vgl. dazu Kathrein in FS Welser aaO 434; Apathy aaO § 27d KSchG Rz 8). Es sei davon auszugehen, dass das Leistungsangebot im Vertrag nach Qualität und Quantität zu beschreiben ist (vgl. Ganner aaO Rz 11).

Hier konkret bekämpft wurde nun die Einschränkung, dass die individuelle Hilfe und Betreuung nur soweit erbracht wird, als das Pflegepersonal aufgrund seiner Ausbildung zur Erbringung "nach bestehenden Vorschriften" berechtigt ist und darüber hinaus die erforderliche medizinisch-technischen Voraussetzungen vorhanden sind und die "im Einzelfall erforderlichen Hygienevorschriften" eingehalten werden können. Der OGH verwies bezüglich dieser Klausel auf eine Vorentscheidung, ebenfalls in einem Verbandsverfahren des VKI zu Heimverträgen, in der er gleichfalls davon ausgegangen sei, dass eine bloße Beschreibung durch Verweise auf gesetzliche Regelungen oder Regelungen einer Verordnung nicht in Betracht komme, weil dies zusätzliche Nachforschungen über die angeführten Normtexte erfordere (3 Ob 180/08d). Umso mehr habe dies zu gelten, wenn völlig allgemein auf "bestehende" (welche?) und damit für den einzelnen Heimbewohner kaum nachvollziehbare Vorschriften verwiesen und damit dem Ansatz des Gesetzes, klare und transparente Rechtsverhältnisse zu schaffen, nicht entsprochen werde.

OGH vom 2.4.2009, 8 Ob 119/08w
OLG Linz vom 13. 6. 2008, GZ 1 R 78/08h
LG Ried im Innkreis vom 6. 3. 2008, GZ 1 Cg 92/07p

Klagevertreter: Mag. Nikolaus Weiser, RA in Wien und Wels

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