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Parkplatzfalle: OGH klärt Rechtsfrage nicht

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führte - im Auftrag des Sozialministeriums - ein Verbandsverfahren gegen einen Parkplatzbetreiber. Der OGH beantwortete die Rechtsfrage, ob das Provozieren von Besitzstörungen zur Erzielung von Einnahmen als rechtsmissbräuchliche, irreführende oder aggressive Geschäftspraktik anzusehen ist, wegen Einzelfallbezogenheit nicht und wies die außerordentliche Revision des VKI bedauerlicherweise zurück.

Das LG Eisenstadt als Erstgericht teilte - wie berichtet  - die Rechtsansicht des VKI und gelangte zum Ergebnis, dass die Intention des Parkplatzbetreibers nicht primär in der Einhaltung der jeweiligen Parkordnungen oder Hintanhaltung unberechtigter Benutzung gelegen gewesen sei, sondern in der Erfassung möglichst vieler Falschparker und zu diesem Zweck der Provokation von Besitzstörungen mit der daran anknüpfenden Aufforderung zur Zahlung eines Geldbetrags.

Diese verwerfliche Vorgangsweise diene vorrangig der Generierung von Einkommen für den beklagten Parkplatzbetreiber. Das erstinstanzliche Gericht führte weiters aus, dass die Abstellbedingungen beim Parkplatz in der Simmeringer Hauptstraße nur an einer Stelle angebracht waren, an der sich die Autofahrer nachvollziehbar nicht die Zeit nahmen und nehmen konnten, die ganze Tafel genau zu lesen. Ein derartiges Verhalten sei sittenwidrig.

Gegen das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts erhob der Parkplatzbetreiber Berufung. Der Berufung des Parkplatzbetreibers wurde Folge gegeben.

Das Berufungsgericht führte dabei aus, dass in der Begründung des Erstgerichts eine moralische Bewertung des beanstandenden Verhaltens anklinge, die mit der Funktion eines modernen Lauterkeitsrechts unvereinbar sei (4 Ob 225/07b). 

Das Berufungsgericht ging zudem davon aus, dass bei einem durchschnittlichen Kraftfahrzeuglenker die Kenntnis vorausgesetzt werden müsse, dass private Liegenschaften nur mit - gegebenenfalls schlüssig erklärter - Zustimmung des Liegenschaftseigentümers oder Nutzungsberechtigten genutzt werden dürfen. An die zur Vermeidung einer diesbezüglichen Irreführung erfolgte Kennzeichnung solcher Liegenschaften als Privateigentum seien nach Ansicht des Berufungsgerichts keine hohen Anforderungen zu stellen. Das Berufungsgericht erachtete die vorgenommene Beschilderung der Parkplätze im Zusammenhang mit den sonstigen festgestellten Umständen (Abgrenzung etwa mittels eines Baustellenzaunes beim Parkplatz in der Muthgasse) selbst für den flüchtig betrachtenden Verbraucher als vollkommen ausreichend, um auch einem in Zeitdruck befindlichen Parkplatzsuchenden ausreichend deutlich zu machen, dass es sich um eine private Liegenschaft handle, deren Nutzung der Zustimmung des Berechtigten bedürfe.

Beim Parkplatz in der Simmeringer Hauptstraße meinte das Berufungsgericht, dass vom Durchschnittsverbraucher anzunehmen sei, dass er sich mit den Nutzungsbedingungen - auch wenn er sie nicht vom Fahrzeug aus ausreichend wahrnehmen konnte - auseinandersetzt, indem er sich zur Erlangung der erkennbar an den Nutzer der Parkfläche gerichteten Information etwa zu Fuß zum Schild zurückbegibt, aber nicht, den Parkplatz zu benützen und die offensichtlich vom Nutzungsberechtigten aufgestellten Nutzungsbedingungen zu ignorieren.

Auch das Berufungsgericht ging also davon aus, dass Fahrzeuglenker sich vor Befahren des Parkplatzes Simmeringer Hauptstraße nicht über die Nutzungsbedingungen informieren können, sondern dies nachholen müssen, indem sie vom abgestellten Auto zum Informationsschild zu Fuß zurückkehren.

Das Verhalten, welches das Berufungsgericht von einem Durchschnittsverbraucher erwartete, wird jedoch nach den Feststellungen des Erstgerichts bereits als vollendete Besitzstörung vom Parkplatzbetreiber gewertet und mit der Übermittlung einer Zahlungsaufforderung über EUR 175 und der Androhung einer Besitzstörungsklage quittiert.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes zwar durch Verweis auf das Ersturteil, der rechtlichen Beurteilung wären jedoch auch die Tatsachen, die das Erstgericht festgestellt hat, zugrunde zu legen gewesen, nämlich, 

  • dass es dem Beklagten bekannt war und ist, dass es sehr viele Beschwerden erfasster "Falschparker" über unzureichende Ausschilderung der Privatparkplätze gibt bzw. dass es auch mehrfach Beschwerden gibt, wonach auch nur kurzes Befahren und unmittelbares Verlassen des Parkplatzes nach Erkennen der Privatparkplatzeigenschaft schon zum "Erfassen als Falschparker" führt, der beklagte Parkplatzbetreiber jedoch keine nennenswerte Veränderung der Parkplatzbeschilderung tätigte;
  • dass tatsächlich das wirtschaftliche Interesse des Beklagten bzw. seines Unternehmens darin liegt, möglichst viele unberechtigt Parkende zu erfassen und (mit Aufforderungsschreiben bzw. Besitzstörungsklagen) zu verfolgen, weshalb er auch wenig Interesse daran hat, die Parkplätze deutlicher auszuschildern bzw. die Privatparkplatzeigenschaft zu verdeutlichen;
  • dass sowohl der VKI als auch der ÖAMTC gehäuft mit Beschwerden ihrer Mitglieder bzw. der Konsumenten über die Vorgehensweise des Beklagten bzw. der CPO Car Parking Operators GmbH, insbesondere betreffend die Parkplätze 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 209-211 und 1190 Wien, Muthgasse 19-21, befasst gewesen sind.

Beim Lesen der Urteile von Erst- und Berufungsgericht wird unseres Erachtens deutlich, wie sehr auch rechtliche Beurteilungen vom unmittelbaren Eindruck, den Zeugen und Parteien hinterlassen, abhängt, den nur der Erstrichter hat, während die Instanzen ein reines Aktenverfahren führen.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhob der VKI außerordentliche Revision. Es fehlt - wie der VKI in seiner Revision ausgeführt hat - jegliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur zu entscheidenden Rechtsfrage: Ist das Provozieren von Besitzstörungen zur Generierung von Einnahmen aus einer daran anschließenden außergerichtlichen Abmahnung samt Zahlungsaufforderung als rechtsmissbräuchliche, irreführende oder aggressive Geschäftspraktik anzusehen? Somit liegt unseres Erachtens eine erhebliche Rechtsfrage vor.

Der OGH führte nun in seinem Beschluss, mit dem er die außerordentliche Revision des VKI zurückwies, Folgendes aus: 

Ob die konkreten Ausschilderungen der Parkplätze tatsächlich zur Irreführung der Lenker geeignet seien, hänge entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab und begründe daher keine erhebliche Rechtsfrage. Wegen Einzelfallbezogenheit befasste sich der OGH daher inhaltlich nicht mit den aufgeworfenen Rechtsfragen und wies die außerordentliche Revision des VKI mangels erheblicher Rechtsfrage zurück. 

Die - wie der OGH ausführt - stark von den Umständen des Einzelfalls geprägte Beurteilung des Berufungsgerichts sei laut OGH jedenfalls vertretbar, ohne dass er dies näher begründete.

Anmerkung:

In diesem Verbandsverfahren ging es rein um die Frage, ob in diesen konkreten Situationen ein Verstoß gegen das UWG, dh eine unlautere, aggressive oder irreführende Geschäftspraktik, vorliegt. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Konsumenten bei den gegenständlichen Parkflächen eine Besitzstörung begangen haben. Das LG für ZRS Wien hat bei einem auch in diesem Verfahren gegenständlichen Parkplatz die Besitzstörungsklage wegen fehlender Wiederholungsgefahr abgewiesen und somit die Entscheidung des BG Döbling bestätigt (siehe hierzu "LG ZRS Wien: Besitzstörungsklage wegen fehlender Wiederholungsgefahr abgewiesen").

OGH 20.12.2016, 4 Ob 251/16i
OLG Wien 30.9.2016, 2 R 108/16s
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Klagsvertreterin: Dr. Anne Marie Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwältin in Wien

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