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Urteil: OGH zur Kostentransparenz bei Heimverträgen

Im Heimvertrag soll klar zum Ausdruck gebracht werden, für welche Leistungen (ihrer Art und ihrem Umfang nach) der Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe und für welche Leistungen der Heimbewohner aufkommt.

Der VKI führte im Auftrag des Sozialministeriums ein Verfahren gegen den Verein GIN zur Klärung der Frage zur Transparenz von Kostenklauseln bei Heimverträgen.

In der Praxis wird häufig vom Heimträger der Zuschuss von einem Sozialhilfe- oder Behindertenhilfeträger für den Verbraucher direkt eingehoben und vom Entgelt abgezogen. Der Konsument zahlt nur die Differenz. Die im Chancengleichheitsgesetz Wien (CGW) vorgesehenen Förderungen sollen Menschen mit Behinderung einen chancengleichen, selbstbestimmten Zugang zu allen Lebensbereichen ermöglichen. Gefördert wird grundsätzlich, was sich der Konsument nicht selbst leisten kann. Allerdings muss Verbrauchern gem § 22 Abs 2 CGW in jedem Fall eine Art Taschengeld verbleiben. Die ausbezahlten Förderungen beziehen sich grundsätzlich auf eine konkrete Leistung wie zB einer betreuten Wohnung.

Gegenständlich beschäftigte sich der OGH mit folgenden zwei Klauseln:

Klausel 1:
"§ 4 Veränderung des Entgelts…2. Für den Fall, dass der Kostenträger (FSW) die
Tagsätze nicht in der sich aus der Indexanpassung ergebenden Höhe anpasst, ist [der Beklagte] im Fall einer Erhöhung berechtigt, die Differenz den Klient/innen in Rechnung zu stellen. Für den Fall einer Verminderung vermindert sich auch ...
3. Senkt der zuständige Kostenträger (FSW) die Tagessätze, reduziert angeforderte Zahlungen oder stellt diese zur Gänze ein, so schuldet der/die Klient/in die ausstehenden Beträge zur Gänze."

Der OGH beurteilte die Klausel für unzulässig gemäß § 27d Abs 4 KSchG, der einen erhöhten Transparenzmaßstab für Heimverträge vorsieht. Die Klausel sieht eine uneingeschränkte Verpflichtung des Heimbewohners zur Zahlung der Differenz vor, die infolge von Nichtzahlung durch den Sozial- oder Behindertenhilfeträger entsteht. Damit enthält die Klausel weder eine Einschränkung dahin, dass diese Nichtzahlung durch den Sozial- oder Behindertenhilfeträger aufgrund einer Verminderung der geförderten finanziellen Mittel, weil etwa die Eigenleistungen des Heimbewohner höher sind, erfolgt, noch nimmt sie darauf Bedacht, dass nicht nur die Unterlassung der Anpassung der Tagessätze an das durch Indexierung angepasste Entgelt, sondern auch die Reduzierung oder Einstellung der Zahlungen durch den Sozialhilfe- oder Behindertenhilfeträger sachliche Gründe, wie beispielsweise eine vom Heimträger unrichtig vorgenommene Indexanpassung oder die Geltendmachung von Entgeltminderungsansprüchen (§ 27f KSchG) haben kann. Das heißt, dass die Klausel die Verpflichtung zur Zahlung der Differenz unabhängig davon auf den Heimbewohner überwälzt, ob es sich um Leistungen handelt, für die der Sozial- oder Behindertenhilfeträger aufzukommen hat und ob dem Heimbewohner das vorgesehene Taschengeld verbleibt. Dadurch erhält der Heimbewohner keine klare und verlässliche Information über seine Rechtsposition, sondern wird von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten.
 
Klausel 2:
"Der Zuschuss des Fonds Soziales Wien beträgt derzeit (brutto) für den Tagessatz Wohnen ... EUR ...
Der Eigenbetrag, den der/die Klient/in selbst zu leisten hat (Differenz auf die Gesamtkosten) beträgt derzeit ... EUR pro Tag."


Gemäß § 27d Abs 1 Z 6 hat ein Heimvertrag Angaben über die Fälligkeit und die Höhe des Entgelts, eine Aufschlüsselung des Entgelts jeweils für Unterkunft, Verpflegung, Grundbetreuung, besondere Pflegeleistungen und zusätzliche Leistungen sowie die vom Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe gedeckten Leistungen zu enthalten, dh eine Entgeltaufgliederung in sechs Kategorien. Durch diese Aufschlüsselung soll erreicht werden, dass klar zum Ausdruck kommt, für welche Leistungen der Träger der Sozial- und Behindertenhilfe (Fonds Soziales Wien) und für welche Leistungen der Heimbewohner aufkommt. Die Aufschlüsselung soll ebenfalls Doppelverrechnungen mit Landesförderungen verhindern und Gewährleistungsansprüche bestimmbar machen.

Auch diese Klausel beurteilte der OGH als intransparent gem § 27d Abs 1 Z 6 iVm Abs 4 KSchG. Grundsätzlich müsste eine Zuordnung des Zuschusses zu den Leistungen vorgenommen werden können, damit klar ist, welche Leistungen der Träger der Sozial- und Behindertenhilfe fördert und für welche der Verbraucher aufkommen muss. Bei korrekter Aufschlüsselung kann im Fall eines Entgeltminderungsanspruchs hinsichtlich nur einer Leistung (beispielsweise mangelhafte Verpflegung) der Heimbewohner nachvollziehen, in welchem Umfang er einen solchen geltend machen kann.

Kann ein Heimträger keine ziffernmäßige Aufschlüsselung des Zuschusses vornehmen, weil der Sozial- und Behindertenhilfeträger selbst den von ihm geleisteten Tagessatzbetrag nicht den einzelnen Leistungen zuordnet, sodass eine solche Aufschlüsselung auch ihm nicht möglich ist, muss sich dieser dennoch um bestmögliche Kostentransparenz bemühen. Der VfGH hat hierzu ausgeführt dass, die Heimträger die in Anwendung der landesgesetzlichen Regelungen (vgl etwa § 12 Abs 2 CGW) gewährten Leistungen in ihre Heimverträge aufnehmen bzw deren Inhalt umschreiben müssen. Sollte es von Seiten der zuständigen Organe des Landes keine (bezifferbare) Aufstellung der vom Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe übernommenen Leistungen geben, sei der in § 27d Abs 1 Z 6 KSchG enthaltenen Verpflichtung bereits dadurch Genüge getan, dass der Heimträger den Verbraucher im Heimvertrag angemessen über den Inhalt der bestehenden landesrechtlichen Regelungen und deren Anwendung informiere (G 40-41/2019, G 43/2019).

Es wird in gegenständlicher Klausel weder darauf hingewiesen, dass eine weitere Aufschlüsselung durch den Sozial- oder Behindertenhilfeträger nicht erfolgte, noch werden Information über den Inhalt der bestehenden landesrechtlichen Regelungen und deren Anwendung in Bezug auf die geförderten Leistungen getätigt, sodass der Heimbewohner kein klares Bild über die an sich vom Sozial- und Behindertenhilfeträger geschuldeten Leistungen erhält. Die Klausel erfüllt demnach nicht das Transparenzerfordernis von § 27d Abs 4 KSchG.

OGH 19.02.2020, 7 Ob 22/20s
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien



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