Der Kläger verlangte vom beklagten Anlageberater Schadensersatz wegen behaupteter Pflichtverletzungen anlässlich der Zeichnung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds. Der Kläger trat 1992 einem Beteiligungs KG-Fonds bei. In den Jahren 1994 bis 1997 erhielt er Ausschüttungen. In der Folgezeit unterblieben weitere Ausschüttungen. Die Anleger wurden stattdessen aufgefordert, zur Vermeidung einer Insolvenz des Fonds Nachschüsse zu leisten, was er auch zweimal (1999 und 2004) tat.
Der Kläger hat behauptet, der Anlageentscheidung sei eine fehlerhafte Beratung durch den Beklagten vorangegangen. Dieser habe die Beteiligung als sicher bezeichnet. Ein Hinweis auf ein unternehmerisches Risiko, vor allem auf die Möglichkeit des Totalverlusts, und auf die mangelnde Eignung des Fonds zur Altersvorsorge sei nicht erfolgt. Genauso wenig sei über das Fehlen eines Zweitmarkts (Fungibilität der Anlage) und das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung aufgeklärt worden. Über die Beratungspflichtverletzungen des Beklagten habe ihn sein Anwalt Ende 2004 informiert.
Das Erstgericht und das Berufungsgericht wiesen die Schadenersatzklage wegen Verjährung ab: Der Kläger hätte spätestens seit der Aufforderung des Fonds im Jahre 1999, Nachzahlungen zu leisten, gewusst, dass er von dem Beklagten unrichtig informiert worden sei. Der Kläger hätte 1999 einen ganz konkreten Anlass gehabt, den Prospekt eingehend durchzulesen und sich darüber zu informieren, welche Art von Anlage er denn nun tatsächlich gezeichnet hatte. Wäre dies geschehen, hätte er dem Prospekt die notwendigen Fakten zur eingeschränkten Veräußerungsmöglichkeit und zur Kommanditistenhaftung entnehmen können.
Der BGH hob die Urteile auf und wies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können. Begründet hat dies der BGB wie folgt:
Der Anleger, der bei seiner Entscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder -vermittlers in Anspruch nimmt, misst den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Beraters oder Vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht bei. Die Prospektangaben, die notwendig allgemein gehalten sind und deren Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken, viele Anleger von einer näheren Lektüre abhält, treten demgegenüber regelmäßig in den Hintergrund. Vertraut daher der Anleger auf den Rat und die Angaben "seines" Beraters oder Vermittlers und sieht er deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzusehen und auszuwerten, so ist darin im Allgemeinen kein in subjektiver und objektiver Hinsicht "grobes Verschulden gegen sich selbst" zu sehen.
Es ist nicht die eigentliche Funktion des Prospekts, die Richtigkeit der im Rahmen eines mündlichen Beratungs- oder Vermittlungsgesprächs gemachten Angaben lange Zeit nach der Anlageentscheidung kontrollieren zu können. Den Anleger trifft keine im Fall der Unterlassung mit dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit verbundene Obliegenheit, bei Entdeckung eines Fehlers den regelmäßig sehr umfangreichen Anlageprospekt vorsorglich auf mögliche weitere Fehler durchzuarbeiten. Unterlässt es ein Anleger grob fahrlässig, sich trotz eines konkreten Anlasses über einen bestimmten Umstand zu informieren, wird er so behandelt, als hätte er hiervon Kenntnis. Der Zusammenhang zwischen der Obliegenheitspflichtverletzung und der Unkenntnis fehlt aber bei solchen Informationen, die der Anleger nicht gezielt hätte suchen müssen, sondern die er nur anlässlich einer anderweitig angelegten - und von ihm unterlassenen - Recherche gegebenenfalls hätte erlangen können.
BGH 22.07.2010, III ZR 203/ 09