Zum Inhalt

EuGH zu NFC-Zahlung

In einem Verfahren über Vertragsklauseln zu Bankkarten mit NFC-Funktion (Near Field Communication; üblicherweise als „kontaktlose Zahlungsfunktion“ bezeichnet) beschäftigte sich der EuGH mit der Zustimmungsfiktion im Anwendungsbereich der Zahlungsdienste-Richtlinie und um die Frage, wie die NFC-Funktion rechtlich einzuordnen ist und welche Folgen das hat.

Erklärungsfiktionsklausel unterliegt Prüfung nach Klausel-Richtlinie

Eine Klausel sah vor, dass die Kundenrichtlinien der Bank über eine Erklärungsfiktion (Verschweigen nach Mitteilung über Änderung über einen Zeitraum von zwei Monaten gilt als Zustimmung) geändert werden können.

Dazu führt der EuGH aus: Art 52 Nr 6 lit a der PSD II (Richtlinie 2015/2366) iVm deren Art 54 Abs 1 ist dahin auszulegen, dass er die Informationen und Vertragsbedingungen bestimmt, die von einem Zahlungsdienstleister mitzuteilen sind, der mit dem Zahlungsdienstnutzer gemäß den in diesen Bestimmungen vorgesehenen Modalitäten eine Vermutung der Zustimmung zur Änderung des zwischen ihnen geschlossenen Rahmenvertrags vereinbaren möchte. Art 52 Nr 6 lit a PSD II legt aber keine Beschränkungen hinsichtlich der Eigenschaft des Nutzers oder der Art der Vertragsbedingungen, die Gegenstand einer solchen Vereinbarung sein können, fest. Hiervon unberührt bleibt jedoch die Möglichkeit der Prüfung, ob diese Klauseln im Licht der Bestimmungen der Klausel-Richtlinie (RL 93/13) missbräuchlich sind, wenn es sich bei dem Nutzer um einen Verbraucher handelt.

 

NCF-Funktion ist ein „Zahlungsinstrument“

Ein „Zahlungsinstrument“ iSv Art 4 Nr 14 der PSD II ist jedes personalisierte Instrument und/oder jeder personalisierter Verfahrensablauf, das bzw der zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart wurde und zur Erteilung eines Zahlungsauftrags verwendet wird.

Bei der NFC-Funktion einer personalisierten multifunktionalen Bankkarte, mit der Kleinbetragszahlungen zulasten des verknüpften Kundenkontos getätigt werden können, handelt es sich um ein „Zahlungsinstrument“ iSv Art 4 Nr 14 der PSD II.

 

Kontaktlose Kleinbetragszahlung unter Verwendung der NFC-Funktion ist „anonyme“ Nutzung

Art 63 Abs 1 lit b der PSD II sieht eine Ausnahmeregelung für Kleinbetragszahlungsinstrumente (also Zahlungsinstrumenten, die gemäß dem Rahmenvertrag nur einzelne Zahlungsvorgänge bis höchstens 30 EUR betreffen oder die eine Ausgabenobergrenze von 150 EUR haben) vor, wenn das Zahlungsinstrument anonym genutzt wird, nämlich dass bestimmte Vorschriften der PSD II auf sie nicht anwendbar sind, konkret:

 Art 72 (Nachweis der Authentifizierung und Ausführung von Zahlungsvorgängen) und Art 73 (Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge, entspricht § 67 ZaDiG 2018) sowie Art 74 Abs 1 (Haftung des Zahlers für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge bis höchstens 50 Euro, entspricht § 68 Abs 1 ZaDiG 2018) und Abs 3 (keine Haftung des Zahlers nach Anzeige, außer bei betrügerischer Absicht, entspricht in etwa § 68 Abs 6 ZaDiG 2018).

Eine kontaktlose Kleinbetragszahlung unter Verwendung der NFC-Funktion einer personalisierten multifunktionalen Bankkarte ist als „anonyme“ Nutzung des fraglichen Zahlungsinstruments iSv Art 63 Abs 1 lit b der PSD II anzusehen.

 

Erleichterung nur, wenn Zahlungsdienstleister technische Unmöglichkeit der Sperre nachweist

Nach Art 63 Abs 1 lit a der PSD II finden einige Bestimmungen, nämlich Art 69 Abs 1 lit b (Anzeigeobliegenheit), Art 70 Abs 1 lit c und d (Sperrverpflichtung des Zahlungsdienstleisters) sowie Art 74 Abs 2 (keine Haftung bei fehlender starker Kundenauthentifizierung) auf Kleinbetragszahlungsinstrumente (also Zahlungsinstrumenten, die gemäß dem Rahmenvertrag nur einzelne Zahlungsvorgänge bis höchstens 30 EUR betreffen oder die eine Ausgabenobergrenze von 150 EUR haben) keine Anwendung, wenn das Zahlungsinstrument nicht gesperrt werden kann oder eine weitere Nutzung nicht verhindert werden kann.

 Art 63 Abs 1 lit a der PSD II ist dahin auszulegen, dass sich ein Zahlungsdienstleister, der sich auf die in dieser Bestimmung enthaltene Ausnahmeregelung berufen möchte, nicht darauf beschränken kann, zu behaupten, das betreffende Zahlungsinstrument könne nicht gesperrt oder seine weitere Nutzung nicht verhindert werden, obwohl dies nach dem objektiven Stand der Technik nicht nachweislich unmöglich ist.

Der Zahlungsdienstleister trägt die Beweislast dafür.

EuGH 11.11.2020, C-287/19 (VKI/Denizbank)
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Verbandsverfahren geklagt. Es handelt sich um eine Klausel, wonach die Leistung im Falle der Arbeitsunfähigkeit erstmalig an dem Fälligkeitstermin der Kreditrate erbracht wird, welcher dem Ablauf einer Frist von 6 Wochen ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit folgt (=Karenzzeit). Die Klausel, auf die sich der Versicherer auch im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren vom OLG Wien als unzulässig beurteilt, nachdem zuvor schon das HG Wien dem VKI recht gegeben hat. Das Urteil ist rechtskräftig.

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Musterprozess geklagt. Eine Verbraucherin hatte für den Fall der Arbeitsunfähigkeit für einen Kreditvertrag eine Restschuldversicherung bei der CNP Santander Insurance Europe DAC abgeschlossen. Nachdem sie wegen Long Covid eine Zeit lang arbeitsunfähig war, zahlte der Versicherer nicht alle Kreditraten. Der Versicherer zahlte jedoch kurz nach der Klagseinbringung durch den VKI den gesamten Klagsbetrag. Die Klausel, auf die sich der Versicherer im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren rechtskräftig für unzulässig erklärt.

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

47 Klauseln von Lyconet gesetzwidrig

47 Klauseln von Lyconet gesetzwidrig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat – im Auftrag des Sozialministeriums – eine Verbandsklage gegen die Lyconet Austria GmbH (Lyconet) geführt. Lyconet, ein im Netzwerk-Marketing tätiges Unternehmen, vertrieb unter anderem das „Cashback World Programm“. Dabei handelt es sich um eine Einkaufsgemeinschaft, die es Mitgliedern ermöglichen sollte, durch den Bezug von Waren und Dienstleistungen bei Partnerunternehmen Vorteile zu erhalten. Gegenstand der Klage waren 47 Vertragsklauseln, die Bestandteil von Lyconet-Vereinbarungen und sogenannten Lyconet Compensation-Plänen waren. Diese wurden vom VKI unter anderem aufgrund zahlreicher intransparenter Regelungen und damit einhergehender Unklarheiten kritisiert. Nachdem bereits die Unterinstanzen alle beanstandeten 47 Klauseln als gesetzwidrig beurteilt hatten, erkannte auch der Oberste Gerichtshof (OGH) sämtliche Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang