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EuGH zu nichtiger Klausel in einem Fremdwährungskredit

Im polnischen Anlassfall wurden Wechselkursklauseln eines Fremdwährungskredites für unzulässig befunden. Der EuGH präzisiert in dieser Entscheidung die Folgen von missbräuchlichen Klauseln. An sich darf eine missbräuchliche Klausel nicht angewandt werden. Der Verbraucher kann sich aber nach Hinweis des nationalen Gerichts dafür entscheiden, dass er will, dass die Klausel aufrecht bleibt. Entscheidet er sich dagegen und kann der Vertrag ohne diese Klausel nicht aufrecht bleiben, so fällt der gesamte Vertrag weg, außer die Unwirksamkeit des Vertrags hätte für den Verbraucher nachteilige Folgen, wie etwa dass er dadurch den Kreditvertrag auf einmal zur Gänze zurückzahlen muss. Bei der Beurteilung, ob das für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hat, ist auf den Zeitpunkt des Rechtsstreites abzustellen und nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

Die Kreditnehmer schlossen 2008 einen Kreditvertrag. Dieser Vertrag lautete auf polnische Zloty (PLN), war aber an eine Fremdwährung, nämlich den Schweizer Franken (CHF), gekoppelt. Bei der Auszahlung des Darlehens wurde der in CHF angegebene Sollsaldo auf der Grundlage des bei dem Kreditgeber am Tag der Auszahlung geltenden Ankaufskurses PLN-CHF ermittelt, während die monatlichen Darlehensraten je nach dem bei dieser Bank zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt geltenden PLN-CHF-Verkaufskurs berechnet wurden. Die Kreditnehmer müssen die Kosten tragen, die mit der Wechselkursdifferenz zwischen dem bei Auszahlung der Kreditmittel verwendeten Ankaufskurs dieser Währung und dem für die Rückzahlungsraten herangezogenen Verkaufskurs dieser Währung verbunden sind. Der Kreditgeber konnte einseitig die Währungsumrechnungskurse bestimmen. Das polnische Gericht beurteilte die Klauseln zum Wechselkurs für missbräuchlich. Die Kreditnehmer klagten auf Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages.

Folgen des Wegfalls der missbräuchlichen Klausel
Eine missbräuchliche Klausel in einem Verbrauchervertrag ist für den Verbraucher unverbindlich; der Vertrag bleibt für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend, wenn er ohne die missbräuchlichen Klausel bestehen kann (Art 6 Abs 1 Klausel-RL 93/13). Es ist grundsätzlich anhand der im nationalen Recht vorgesehenen Kriterien zu prüfen, ob in einem konkreten Fall ein Vertrag aufrechterhalten werden kann, wenn einige seiner Klauseln für unwirksam erklärt wurden.
Das polnische Gericht war der Ansicht, dass der Kreditvertrag nach Wegfall der Klausel über die Wechselkursdifferenz in geänderter Form fortbestehen kann, nämlich nicht mehr an die CHF-Währung gekoppelt, während der Zinssatz an den niedrigeren CHF-Zinssatz gebunden bliebe; das polnische Gericht bezweifelte aber offenbar, dass das polnische innerstaatliche Recht eine solche Änderung des Vertrages zulässt.
Der EuGH führt dazu aus, dass es einem nationalen Gericht nicht verwehrt ist, gemäß seinem innerstaatlichen Recht nach Feststellung der Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln zu der Auffassung zu gelangen, dass dieser Vertrag ohne diese Klauseln keinen Fortbestand haben kann, weil ihr Wegfall dazu führen würde, dass sich der Hauptgegenstand dieses Vertrags seiner Art nach ändert.

Auf welchen Zeitpunkt ist abzustellen?
Das nationale Gericht kann ausnahmsweise die missbräuchliche Klausel durch eine dispositive nationale Regelung ersetzen, wenn der Wegfall der Klausel zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages führen würde, und dies für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte.
Diese Folgen sind nach den zum Zeitpunkt des Rechtsstreits bestehenden oder vorhersehbaren Umständen zu bewerten, dh nach den tatsächlichen und gegenwärtigen Interessen des Verbrauches, und nicht nach den Umständen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

Verbraucher kann sich für Weiterbestehen der missbräuchlichen Klausel entscheiden
An sich muss das nationale Gericht die missbräuchliche Klausel nach Art 6 Abs 1 der Klausel-RL von Amts wegen streichen. Die fragliche Klausel kann aber dann aufrecht bleiben, wenn der Verbraucher nach einem Hinweis des nationalen Gerichts die Missbräuchlichkeit und Unverbindlichkeit nicht geltend machen möchte und somit der betreffenden Klausel freiwillig und aufgeklärt zustimmt. Die Klausel-RL möchte den Verbraucher gegen die Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch Gewerbetreibende schützen. Sie geht nicht so weit, dass sie auch gegen den Willen des Verbrauchers zwingenden Charakter hat.
Entsprechend kann der Verbraucher auf die nachteiligen Folgen, die sich aus der Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags als Ganzes ergeben, verzichten, wenn er sich nicht auf diesen Schutz berufen möchte. Für die Beurteilung der Folgen einer missbräuchlichen Klausel ist daher der vom Verbraucher zum Ausdruck gebrachte Wille entscheidend.

Rückgriff auf allgemeine nationale Rechtsgrundsätze?
Eine missbräuchliche Klausel darf nur ausnahmsweise durch eine dispositive Regelung des nationalen Gesetzes oder durch Vorschriften, die im Falle einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien des betreffenden Vertrags anwendbar sind, ersetzt werden, nämlich dann wenn ihr ersatzloser Wegfall den Verbraucher besonders nachteilig träfe. Dies setzt aber voraus, dass diese Bestimmungen selber keine missbräuchlichen Klauseln enthalten.
Art 6 Abs 1 der Klausel-RL 93/13 steht einer Schließung von Lücken eines Vertrags nach Wegfall einer missbräuchlichen Klausel entgegen, die nach allgemeinen nationalen Vorschriften nach den Grundsätzen der Billigkeit oder der Verkehrssitte bestimmt ist.


EuGH 3.10.2019, C-260/18, Dziubak

Das Urteil im Volltext.

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