Im polnischen Anlassfall nahmen zwei Konsument:innen im Jahr 2008 einen Fremdwährungskreditvertrag (FWK) in Schweizer Franken (CHF). Geplante Laufzeit waren 40 Jahre. Die Wechselkursschwankungen zwischen polnischen Zloty und CHF hatten zur Folge, dass der Unterschied zwischen dem von den Konsument:innen 2014 zurückgezahlten Betrag und dem Betrag, der zurückgezahlt worden wäre, wenn das Darlehen auf polnische Zloty ausgestellt und zum geltenden Satz verzinst worden wäre, 6.732 Euro betrug.
Nach § 9 Nr 2 der Vertragsbedingungen werden die Darlehensraten in der Fremdwährung angegeben und nach dem in der Bank geltenden Tabelle angegebenen Verkaufskurs des Schweizer Franken abgebucht.
Die Konsument:innen hielten die Indexklausel des FKW für missbräuchlich, da sie keine Angaben darüber enthalte, wie die Bank den Wechselkurs festlege.
Ad Transparenz einer Umrechnungsklausel
Bezüglich dieser Klausel ist das Transparenzerfordernis des Art 5 der Klausel-RL (93/13) maßgeblich (nicht Art 4 Abs 2 der RL, da das Ausgangsverfahren weder den Hauptgegenstand des Vertrags noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt auf der einen Seite und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, auf der anderen Seite, betrifft).
Das Erfordernis der Transparenz der Vertragsklauseln kann nicht auf deren bloße Verständlichkeit in formeller und grammatikalischer Hinsicht beschränkt werden. Vielmehr muss ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher in die Lage versetzt werden, die konkrete Funktionsweise dieser Klausel zu verstehen und somit auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien die möglicherweise beträchtlichen wirtschaftlichen Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einzuschätzen. Eine Klausel eines Kreditvertrags, nach der der Kredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde, muss so verständlich sein, dass ein Durchschnittsverbraucher nicht nur die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung der Fremdwährung, an die der Kredit gekoppelt ist, erkennen, sondern auch die – möglicherweise erheblichen – wirtschaftlichen Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einschätzen kann.
Die Konsumenten verstanden § 9 Nr 2 der allgemeinen Bedingungen so, dass danach die Ein- und Verkaufskurse der Indexierungswährung auf der Grundlage eines objektiv bestimmten Wechselkurses festgelegt werden, wie er von der Polnischen Nationalbank festgelegt wird. Der Kreditgeber hingegen meint, der Ein- und Verkaufskurs der Fremdwährung sei nach § 9 Nr 2 der Preis gewesen, der in der in der Bank geltenden Tabelle angegeben sei. In der Praxis habe sich der Wechselkurs aus den von der Polnischen Nationalbank veröffentlichten mittleren Devisenkursen auf der einen Seite und der Gesamtlage auf dem Devisenmarkt, der Stellung der Bank im Devisenbereich und der voraussichtlichen Kursentwicklung auf der anderen Seite zusammengesetzt. Die gegenständliche Indexklausel scheint dadurch gekennzeichnet sein, dass ihr Modalitäten für die Bestimmung des Wechselkurses fehlen.
Die Wahrung des in Art 5 der Klausel-RL vorgesehenen Transparenzerfordernisses durch einen Gewerbetreibenden ist anhand der Informationen zu beurteilen, über die der Gewerbetreibende zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Verbraucher verfügte. Der Umstand, dass sich die Wechselkurse langfristig entwickeln, kann es jedoch nicht rechtfertigen, dass in den Vertragsbestimmungen Kriterien, anhand deren die Bank den Wechselkurs festlegt und der Verbraucher damit diesen Wechselkurs jederzeit bestimmen kann, nicht erwähnt werden.
Zusammengefasst heißt dies:
Einer Klausel eines Darlehensvertrags, die die Ein- und Verkaufskurse einer Fremdwährung, an die das Darlehen gekoppelt ist, festlegt, muss es einem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher ermöglichen, auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien zu verstehen, wie der zur Berechnung der Höhe der Tilgungsraten verwendete Fremdwährungswechselkurs festgelegt wird, damit dieser Verbraucher die Möglichkeit hat, den Wechselkurs jederzeit selbst zu bestimmen.
Ad Folgen des Missbräuchlichkeit einer Klausel
Das nationale Gericht muss eine missbräuchliche Klausel nach Art 6 Abs 1 der Klausel-RL unangewendet lassen.
Die Wahrung des in Art 5 der Klausel-RL vorgesehenen Erfordernisses der Klarheit und Verständlichkeit einer Vertragsklausel stellt einen der Gesichtspunkte dar, die im Rahmen der Beurteilung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel vom nationalen Gericht nach Art 3 Abs 1 der Klausel-RL zu berücksichtigen sind. Bei dieser Beurteilung hat das nationale Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände der Rechtssache zunächst zu prüfen, ob ein Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben vorliegt, und dann, ob zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches Missverhältnis im Sinne dieser Bestimmung besteht.
Eine Indexklausel, die es dem Verbraucher vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht durchzuführenden Prüfungen nicht ermöglicht, den vom Gewerbetreibenden angewandten Wechselkurs jederzeit selbst zu bestimmen, ist missbräuchlich.
Wenn das nationale Gericht die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag feststellt, steht Art 6 Abs 1 der Klausel-RL einer nationalen Rechtsvorschrift, die dem nationalen Gericht erlaubt, diesen Vertrag durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel anzupassen, entgegen. Eine vom nationalen Gericht für missbräuchlich erklärte Klausel muss nach Art 6 Abs 1 der Klausel-RL unangewendet bleiben, ohne dass ihr Inhalt geändert werden könnte.
Die vom vorlegenden Gericht in Betracht gezogene Auslegung liefe letztlich darauf hinaus, den Inhalt der gegenständlichen Indexklausel abzuändern, da sie durch Aufnahme der Bezugnahme auf den „Marktwert“ der Fremdwährung eine Änderung des Verständnisses dieser Klausel zur Folge hätte.
Der Umstand, dass die Kläger nur geringes Interesse an der Indexklausel des Vertrags gezeigt haben, kann den Grundsatz, dass eine missbräuchliche Klausel unangewendet bleiben muss, nicht in Frage stellen.
Zusammengefasst heißt dies:
Nach Auslegung von Art 5 und 6 der Klausel-RL ist es dem nationalen Gericht, das die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags iSv Art 3 Abs 1 der Klausel-RL festgestellt hat, nicht gestatten, eine Auslegung dieser Klausel vorzunehmen, um ihrer Missbräuchlichkeit abzuhelfen, auch wenn diese Auslegung dem gemeinsamen Willen der Vertragsparteien entsprechen sollte.