Im Anlassfall hatte der klagende Anleger nach Empfehlung und Beratung der Volksbank Ried im September 2003 eine Beteiligung am Holland 47 ("geschlossener Immobilienfonds") um EUR 20.000 gezeichnet und ein Agio iHv 5 % (EUR 1.000) gezahlt. Sein Bankberater hatte ihm die Verkaufsbroschüre übergeben und erklärt, der investierte Betrag werde nach "+/- 10 Jahren" zurückgezahlt und bis dahin werde es - mit einer Schwankungsbreite von 6-9 % - zu jährlichen Ausschüttungen iHv 7-8 % kommen.
Der Anleger ging - nach den Feststellungen ebenso wie der Berater - fälschlich davon aus, dass es sich dabei um jährliche Zinserträge handelt. In Wahrheit handelt es sich aber um (nicht gewinngedeckte) Kapitalrückzahlungen auf die geleistete Kommanditeinlage, die zum Wiederaufleben der Außenhaftung führen.
Über das Risiko eines Totalverlusts wurde der Anleger nur schlagwortartig in Hinblick auf das Bestehen "eines unternehmerischen Risikos" aufgeklärt. Als der Anleger im Dezember 2012 einen Fernsehbeitrag zum Thema sah, wurde ihm das mit der Beteiligung einhergehende Risiko bewusst. Er klagte auf Zahlung des investierten Kapitals abzüglich der bereits erhaltenen Ausschüttungen (iHv rund EUR 9.000) und Feststellung der Haftung für künftige Schäden.
Nach den Feststellungen hätte der Anleger die Beteiligung nicht gezeichnet, wenn er gewusst hätte, dass es sich bei den Ausschüttungen um keine Zinserträge, sondern rückforderbare Beträge handelt, wenn er über das Totalverlustrisiko ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre oder wenn er über die tatsächlichen Beendigungsmodalitäten bzw die Laufzeit der Investition richtig informiert worden wäre. Hinsichtlich der über die zwischengeschaltete IVS-Invest GmbH (an der die VB seinerzeit Gesellschafterin war) erhaltenen Provisionen (insgesamt iHv 6,5 %, davon weitergeleitet an die VB EUR 900), der Rolle der IVS-Invest GmbH als "Obervermittlerin" und der hohen Vertriebs- und Weichkosten iHv insgesamt 21 % bezogen auf das Kommanditkapital bejahte das LG Ried zwar ebenfalls eine "gravierende Verletzung der Informationspflicht" der Bank, verneinte aber nach den getroffenen Feststellungen die Kausalität dieser Umstände für die Anlageentscheidung des Klägers.
In rechtlicher Hinsicht hat das LG Ried die Einwände der Bank zur Gänze verworfen:
- Die Informationspflichten (gem §§ 11 ff WAG 1997) über die potentielle Verpflichtung zur Rückzahlung der Ausschüttungen, das Totalverlustrisiko und die näheren Beendigungsmodalitäten sind Bringschulden des Beraters. Die beklagte Bank hat ihre diesbezüglichen Verpflichtungen grob fahrlässig verletzt, indem sie keine anlage- und anlegergerechte Beratung durchführte und den Kläger über wesentliche Eigenschaften des Produkts unzureichend, falsch oder gar nicht aufklärte.
- Das Nichtlesen der Risikohinweise auf der Rückseite der Beitrittserklärung und des Anlegerprofils begründet kein Mitverschulden. Da der Bankberater nicht einmal andeutungsweise darüber aufgeklärt hat, dass es sich bei den jährlichen Ausschüttungen bloß um Kapitalrückzahlungen und keine Zinsen handelt (sondern es nach den Feststellungen selbst nicht wusste und die Beteiligung andernfalls auch nicht empfohlen hätte), ist es dem Anleger nicht vorwerfbar, dass er keine Notwendigkeit zum Lesen der kleingedruckten Risikohinweise erkannt hat. Ferner suggeriert die dem Anleger übergebene und von diesem gelesene Verkaufsbroschüre nach Ansicht des Gerichts ganz im Gegenteil eine "trügerische Sicherheit", die in Wahrheit nicht besteht.
- Der Verjährungseinwand ist unberechtigt: Aus den 2007 übermittelten Schreiben (Umstrukturierungskonzept 2007) musste der Anleger mit seinem Kenntnis- und Erfahrungsstand die für die Anlageentscheidung kausalen Fehlinformationen nicht erkennen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand 17.11.2014).
LG Ried im Innkreis 24.10.2014, 2 Cg 51/13z
Volltextservice
Klagsvertreter: Dr. Sebastian Schumacher, RA in Wien
Anmerkung: Vgl auch die - bereits rechtskräftigen - Entscheidungen des OLG Wien 2.12.2013, 4 R 134/13z und 23.07.2014, 4 R 27/14s, wo eine Haftung des Beraters gleichermaßen auf Aufklärungspflichtverletzungen über Charakter und Rückforderbarkeit der Ausschüttungen gestützt wurde, ein Mitverschulden des (hier auch: kapitalmarkterfahreneren) Anlegers jeweils zur Gänze verneint wurde und dem Leistungsbegehren auf Naturalrestitution in Form der Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich erhaltener Ausschüttungen) Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Treuhandvertrag in Kombination mit dem Feststellungsbegehren bezüglich einer etwaig drohenden Rückforderung der Ausschüttungen stattgegeben wurde. Offen lassend 8 Ob 135/10a; zur Unzulässigkeit eines auf Naturalrestitution gerichteten Leistungsbegehrens bei komplexeren Anlageprodukten (mehrere Kredit- und Lebensversicherungsverträge) zuletzt 8 Ob 66/14k; zum Nichtbestehen eines Sicherstellungsanspruchs analog § 1052 S 2 ABGB 1 Ob 104/14x.