Zum Inhalt

HG Wien verurteilt AWD zu Schadenersatz

Falsche Anlageberatung zu Immobilienaktien - Mitverschulden des Geschädigten in Höhe von einem Drittel.

Dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) liegt wieder ein Ersturteil des Handelsgerichtes Wien in einem Schadenersatzprozess eines Rechtsschutz-Versicherten (vertreten von Rechtsanwalt Mag. Poduschka) gegen den AWD vor. Der AWD wird zur Zahlung von rund 50.000 Euro Schadenersatz wegen falscher Anlageberatung rund um Immobilienaktien verurteilt. Das Gericht sieht im Nicht-Lesen der unterzeichneten Gesprächs-notizen ein Mitverschulden des Anlegers, das allerdings geringer wiegt, als die mangelhafte Aufklärung durch den AWD-Berater. Der AWD muss daher 2 Drittel des Schadens ersetzen.

Der VKI führt gegen den AWD fünf Sammelklagen und eine Reihe von Muster-prozessen. In diesen Verfahren liegen noch keine Urteile in der Sache vor. Ab 14.9.2010 wird am HG Wien jede Woche weiter verhandelt.

Neben den VKI-Klagen sind über 600 weitere Einzelverfahren von AWD-Kunden - in der Mehrzahl mit Deckung von Rechtsschutzversicherungen - gerichtsanhängig. Der AWD bietet in diesen Verfahren - immer wenn er eine negative Gerichtsentscheidung befürchten müsste - einen Vergleich an. Allerdings verpflichtet der AWD die Geschädigten zu absolutem Stillschweigen. So soll der Öffentlichkeit der Umfang der Fehlberatungen möglichst verschwiegen werden. Nun erging in einem solcher Verfahren einmal doch ein Urteil des Handelsgerichtes Wien (HG Wien).

Das Urteil zeigt exemplarisch, wie seitens der AWD-Berater die Kunden im Zusammenhang mit Immobilienaktien systematisch falsch beraten wurden: Die Aktien der Immofinanz und auch von Conwert wurden "sicher" dargestellt. Im Sinn der Portfolio-Theorie von Markowitz solle man 50 - 60 Prozent des Vermögens "sicher" und 20 - 30 Prozent "mittleres Risiko" veranlagen. Nur mit 10 - 20 Prozent solle man ein höheres Risiko mit höherem Ertrag eingehen. Demgemäß empfahl der Berater den überwiegenden Teil des Vermögens in Immofinanz, Conwert und Immoeast anzulegen. Der Berater sprach immer von einer Anlage in "Immobilien" und betonte den Substanzwert der Unternehmen, ohne darauf hinzuweisen, dass sich der Aktienkurs unabhängig davon bildet und den Substanzwert durchaus unterschreiten kann.

Obwohl in den Gesprächsnotizen des AWD die kleingedruckte Klausel zu lesen ist, wonach "nur maximal 10% des insgesamt verfügbaren Kapitals in Immobilienaktien, andere Immobilienprodukte oder Alternative Investments verschiedener Emittenten" veranlagt werden sollte, empfahl der AWD-Berater hier (wie in vielen anderen Fällen) nahezu alles auf Immobilienaktien zu setzen.

"Das Urteil dokumentiert Schein und Sein beim AWD: In den Gesprächsnotizen wurde - versteckt im Kleingedruckten - ein richtiger Hinweis gegeben; in der Praxis wurde diametral gegenläufig beraten. Die Unterschrift unter das Gesprächsprotokoll wurde - nach Abschluss der Beratung und Kaufsorders - als reine Formalität bezeichnet," sagt Dr. Peter Kolba, Leiter des Bereiches Recht im VKI.

Das Gericht sah im Nicht-Lesen des Gesprächsprotokolls ein Mitverschulden des Anlegers im Ausmaß von einem Drittel.

"Hier folgt das Urteil nicht der anlegerfreundlichen Judikatur des deutschen BGH, der vom Anleger nicht verlangt, die mündlichen Ratschläge seines Beraters durch Studium der Unterlagen noch zu überprüfen," kommentiert Dr. Kolba.

"Es ist aber bezeichnend, wenn ein "Finanzoptimierer" und damit Sachverständiger für sich in Anspruch nimmt, dass man jedes Wort seiner Berater durch genaues Lesen des Kleingedruckten überprüfen muss, bevor man einen Vertrag abschließt, ansonsten der "Sachverständige" sich durch Einwand eines Mitverschuldens aus seiner Haftung zu stehlen versucht. Wie soll da eine vertrauensvolle Kundenbeziehung zustande kommen?" fragt Dr. Kolba.

HG Wien 11.8.2010, 49 Cg 10/10b
Volltextservice
Klagevertreter: Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH, Perg - OÖ

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Verbandsverfahren geklagt. Es handelt sich um eine Klausel, wonach die Leistung im Falle der Arbeitsunfähigkeit erstmalig an dem Fälligkeitstermin der Kreditrate erbracht wird, welcher dem Ablauf einer Frist von 6 Wochen ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit folgt (=Karenzzeit). Die Klausel, auf die sich der Versicherer auch im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren vom OLG Wien als unzulässig beurteilt, nachdem zuvor schon das HG Wien dem VKI recht gegeben hat. Das Urteil ist rechtskräftig.

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Musterprozess geklagt. Eine Verbraucherin hatte für den Fall der Arbeitsunfähigkeit für einen Kreditvertrag eine Restschuldversicherung bei der CNP Santander Insurance Europe DAC abgeschlossen. Nachdem sie wegen Long Covid eine Zeit lang arbeitsunfähig war, zahlte der Versicherer nicht alle Kreditraten. Der Versicherer zahlte jedoch kurz nach der Klagseinbringung durch den VKI den gesamten Klagsbetrag. Die Klausel, auf die sich der Versicherer im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren rechtskräftig für unzulässig erklärt.

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

47 Klauseln von Lyconet gesetzwidrig

47 Klauseln von Lyconet gesetzwidrig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat – im Auftrag des Sozialministeriums – eine Verbandsklage gegen die Lyconet Austria GmbH (Lyconet) geführt. Lyconet, ein im Netzwerk-Marketing tätiges Unternehmen, vertrieb unter anderem das „Cashback World Programm“. Dabei handelt es sich um eine Einkaufsgemeinschaft, die es Mitgliedern ermöglichen sollte, durch den Bezug von Waren und Dienstleistungen bei Partnerunternehmen Vorteile zu erhalten. Gegenstand der Klage waren 47 Vertragsklauseln, die Bestandteil von Lyconet-Vereinbarungen und sogenannten Lyconet Compensation-Plänen waren. Diese wurden vom VKI unter anderem aufgrund zahlreicher intransparenter Regelungen und damit einhergehender Unklarheiten kritisiert. Nachdem bereits die Unterinstanzen alle beanstandeten 47 Klauseln als gesetzwidrig beurteilt hatten, erkannte auch der Oberste Gerichtshof (OGH) sämtliche Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang