Der PRESSE vom 23.4.2012 war zu entnehmen, dass in einem Verbandsklageverfahren der Arbeiterkammer gegen ein Unternehmen der OGH zur Entscheidung von zwei Rechtsfragen einen "verstärkten Senat" gebildet habe. Es geht um die Frage eines analogen Verbotes von Tatsachenbestätigungen in AGB und um die Wirkung einer Unterlassungserklärung, die mit der Bedingung versehen ist, dass die neuen Klauseln des Unternehmens jedenfalls nicht "sinngleiche Klauseln" seien und daher nicht unter die Verpflichtung fallen.
Während die erste Frage eine spannende Rechtsfrage darstellt, die vom OGH bislang durchaus nicht einheitlich gelöst wurde, stellt die Frage der Wirkungen von bedingten Unterlassungserklärungen eine Grundsatzfrage dar, die auf die Rahmenbedingungen der Verbandsklage in Österreich Einfluss hat.
Diese Situation gab es bereits einmal. Die Verbandsklage wurde 1979 mit dem Konsumentenschutzgesetz eingeführt. Der VKI und die AK haben damals begonnen Unternehmen wegen der Verwendung gesetzwidriger Klauseln in AGB außergerichtlich abzumahnen. Doch dann hat einmal ein Unternehmen auf eine solche Abmahnung schlicht nicht reagiert und wurde vom VKI geklagt. Erst im Verfahren verwies des Unternehmen darauf, dass es - im Lichte der Abmahnung - seine AGB sowieso geändert habe und daher die Klagsvoraussetzung der Wiederholungsgefahr weggefallen sei. Der OGH gab dem Unternehmen Recht (OGH 24.3.1988, 6 Ob 572/87, KRES 1h/5) und wies die Klage des VKI kostenpflichtig ab.
Die Folgen waren weitreichend: VKI und AK haben die Unternehmen nicht mehr abgemahnt, sondern sofort geklagt, um diese negativen Folgen hintanzuhalten.
Es war ein Wunsch der Wirtschaft, durch die KSchG-Novelle 1997 ein Abmahnverfahren in Österreich wieder zu ermöglichen. Man führte zu § 28 KSchG folgenden Abs 2 ein:
"Die Gefahr einer Verwendung und Empfehlung derartiger Bedingungen besteht nicht mehr, wenn der Unternehmer nach Abmahnung durch eine gemäß § 29 klageberechtigte Einrichtung binnen angemessener Frist eine mit angemessener Konventionalstrafe (§ 1336 ABGB) besicherte Unterlassungserklärung abgibt."
Die Abmahnung ist nicht zwingend vorgesehen, aber wenn der Verband abmahnt, dann kann eine entsprechende Unterlassungserklärung des Unternehmens die Verbandsklage verhindern - denn die Wiederholungsgefahr fällt weg.
Nun muss man wissen, dass sich die Unternehmen - nach den Vorgaben der Verbände - nicht nur zur Unterlassung der Verwendung der inkriminierten Klauseln, sondern auch zur Unterlassung der Verwendung sinngleicher Klauseln verpflichten müssen, damit man von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr sprechen kann. Die Unternehmen haben daher durchaus das Bedürfnis abzuklären, ob die neuen AGB, die es zu verwenden gedenkt, von Verband akzeptiert oder als "sinngleich" verfolgt werden und damit die Konventionalstrafe fällig gestellt wird.
Um da "auf Nummer sicher" zu gehen hat sich bei einigen Unternehmen (vor allem Banken) die Unsitte herausgebildet, neben der Unterlassungserklärung zu den "alten" Klauseln die "neuen" Klauseln mitzuteilen und diese als "nicht sinngleich" außer Streit zu stellen.
Diese Vorgangsweise würde die Verbände nun aber zwingen, sich mit den neuen AGB inhaltlich auseinanderzusetzen, um Klarheit zu erhalten, ob die - derart bedingte - Unterlassungserklärung wirksam ist oder nicht. Das schafft erheblichen Aufwand und der Verband würde quasi gezwungen, sich an der kreativen Neufassung von AGB im Interesse der Unternehmen hart an die Grenzen der Gesetzmäßigkeit zu beteiligen.
Die bislang einheitliche und ständige Judikatur des OGH hat dieser Methode einen Riegel vorgeschoben. Eine bedingte oder eingeschränkte Unterlassungserklärung beseitigt die Wiederholungsgefahr nicht (OGH 7.9.2000, 8 Ob 17/00h, ecolex 2001/5). Die Weigerung, eine Unterlassungserklärung zu "sinngleichen Klauseln" abzugeben, ebenfalls nicht (OGH 9.3.1999, 5 Ob 227/98p, ecolex 1999/216). Will der Unternehmer Ersatzklauseln aus der Unterlassungserklärung ausklammern, wird dadurch die Wiederholungsgefahr auch nicht beseitigt (OGH 3.9.2009, 2 Ob 153/08a, RdW 2009/720; OGH 17.11.2009, 1 Ob 131/09k). Die Verbände - so die Begründung - sollen nicht zur Vorabkontrolle von Ersatzklauseln gezwungen werden. Die Einbringung einer Klage gegen die "alten" AGB soll nicht von der Beurteilung der "neuen" abhängen.
Soweit die klare Judikatur des OGH bisher. Nun droht eine Änderung, denn wozu sollte der OGH eine einheitliche Judikatur sonst in einem "verstärkten Senat" beraten?
Die Wirtschaftsseite - vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bollenberger - argumentiert mit der Lehre - vertreten durch Univ. Prof. Dr. Bollenberger - dafür, dass bei nicht sinngleichen Ersatzklauseln in der Unterlassungserklärung eine Verbandsklage gegen die "alten" AGB nicht möglich sein soll. Das würde dazu führen, dass die Verbände nun gezwungen würden, die "neuen" Ersatzklauseln genau zu prüfen und es ihr Risiko bliebe, ob diese - bei Klage - vom Gericht als sinngleich angesehen werden oder nicht.
Diese Rollenverteilung hätte aber eine klare Konsequenz: Zur Vermeidung dieses Aufwandes (das Abmahnverfahren wird ohne Kosten für das Unternehmen abgewickelt) müssten die Verbände wieder dazu übergehen, sofort Verbandsklagen einzubringen und das Abmahnverfahren wäre - nun zum zweiten Mal - durch eine solche Judikatur tot.
Ob das der Sache dient mögen jene beantworten, die hier versuchen die präventive Klauselkontrolle durch die Verbraucherschutzverbände zu unterlaufen.
Also: Keine Gefahr für die Verbandsklage, wohl aber für das Abmahnverfahren bei Schwenk in OGH-Judikatur.