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Öffentliches Angebot in Deutschland - kein Rücktrittsrecht nach KMG

Der Hinweis auf einer Website (Disclaimer), dass das Angebot nur für bestimmte Märkte gelte, ist ein zusätzliches Indiz dafür, auf welche Märkte ein Angebot ausgerichtet ist; er darf aber weder durch den sonstigen Inhalt der Website noch durch das tatsächliche Verhalten des werbenden Unternehmens widerlegt sein.

Ein Zertifikat auf der Website der deutschen Emittentin war mit einem Disclaimer versehen, zufolge dessen man mit der Bestätigung der "Akzeptieren"-Taste die weiteren Informationen und demnach das öffentliche Anbot abrufen konnte. Eine gezielte Ansprache von potenziellen Anlegern in Österreich, etwa durch Nennung von hier ansässigen Ansprechpartnern, Abwicklungs- und Zahlstellen oder Hinweise auf hier geltende Steuerregularien oder -sparmodelle, ist nicht erfolgt. Eine österreichische Anlegerin erwarb die Zertifikate und erklärte später den Rücktritt gem § 5 KMG.

Voraussetzung für das Rücktrittsrecht gem § 5 KMG ist ua, dass ein die Prospektpflicht auslösendes öffentliches Angebot vorliegt. Vom Begriff des öffentlichen Angebots sind nur Mitteilungen erfasst, mit denen (auch) Anleger in Österreich angesprochen werden. Nicht relevant ist, von welcher Stelle das Angebot ausgeht, zB wo der Server steht.

Die Verwendung von sog Disclaimern ist bei Emissionen weit verbreitet. Diese dienen der Abgrenzung des Adressatenkreises.

Der Emittent bzw Anbieter hat "angemessene Vorkehrungen" zu treffen, damit österreichische Anleger die Wertpapiere nicht erwerben können. Generell muss es bei Disclaimern oder technischen Barrieren ausreichend sein, dass der Anbieter seinen Willen erkennbar kundtut, in einem bestimmten Staat anbieten zu wollen oder eben nicht. Es kann nicht verlangt werden, dass der Anbieter sicherstellt, dass ein Erwerb eines Anlegers aus dem Inland nicht möglich ist. Eine Kombination von entsprechenden Erklärungen und angemessenen technischen Barrieren ist aber zumutbar.

Der Hinweis auf einer Website (Disclaimer), dass das Angebot nur für bestimmte Märkte gelte, ist ein zusätzliches Indiz dafür, auf welche Märkte ein Angebot ausgerichtet ist; er darf aber weder durch den sonstigen Inhalt der Website noch durch das tatsächliche Verhalten des werbenden Unternehmens widerlegt sein. Weitere Indizien für das Zielpublikum sind in erster Linie die Sprache des jeweiligen Landes und der Hinweis auf dort ansässige Ansprechpartner, Abwicklungs- und Zahlstellen oder Hinweise auf dort geltende Steuerregularien oder -sparmodelle. Weist das Angebot alle vorgenannten inhaltlichen Bezüge zu dem betreffenden Land auf, kann die Prospektpflicht in diesem auch durch einen Disclaimer nicht wirksam ausgeschlossen werden. Liegen dagegen keine oder nur einige der vorgenannten Indizien vor, kann sich der Anbieter durch einen entsprechenden Disclaimer von der Prospektpflicht im betreffenden Land befreien.

Im vorliegenden Fall ergibt sich ausreichend deutlich, dass der Adressatenkreis für dieses öffentliche Angebot der Emittentin auf den Zielmarkt Deutschland gerichtet war. Das Angebot hat sich erkennbar (nur) an Anleger mit Wohnsitz in Deutschland gerichtet hat. Einer positiven Kenntnis des Inhalts des Disclaimers durch den Anleger bedarf es nicht. Mangels Vorliegens eines öffentlichen Angebots im Inland besteht daher keine Prospektpflicht nach § 2 Abs 1 KMG. Ein auf § 5 KMG gestützter Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag kam daher nicht in Betracht.

OGH 20.1.2015, 4 Ob 164/14t

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