Das beklagte Inkassobüro treibt Forderungen der Wiener Linien gegenüber "Schwarzfahrern" ein. Im Auftragsverhältnis zur Wiener Linien GmbH & Co KG verrechnet das Inkassobüro dem Auftraggeber keinerlei Inkassospesen. Die Abgeltung der Inkassodienstleistung durch die Wiener Linien erfolgt nicht in finanzieller Form, sondern in der auf einen Zeitraum exklusiv eingeräumten Möglichkeit des Inkassobüros, durch die Einmahnung offener Schulden auf eigenes wirtschaftliches Risiko einen Ertrag zu erwirtschaften.
Der VKI vertrat im Verfahren die durch die Literatur unterstützte Rechtsansicht, dass die Geltendmachung von Inkassospesen als Schadenersatz voraussetze, dass der Schaden tatsächlich beim Gläubiger eingetreten sei. Der Schuldner könne somit zum Ersatz der Inkassospesen nicht herangezogen werden, wenn, wie im vorliegenden Sachverhalt festgestellt, der Gläubiger (= Wiener Linien) gegenüber dem Inkassobüro niemals zum Ersatz der Betreibungskosten verpflichtet ist. Der Hinweis im Inkassoschreiben, wonach die vom Schuldner verursachten Spesen unabhängig von der ursprünglichen Forderung gerichtlich geltend gemacht werden könnten, wurde vom VKI daher als irreführend angesehen.
Da das beklagte Inkassobüro in einem in der Tagsatzung angebotenen Vergleich in relevanter Weise vom Klagebegehren abgewichen sei und das Vergleichsangebot ein Minus zum Klagebegehren darstelle, nahm der VKI das Vergleichsangebot nicht an und sah die Wiederholungsgefahr als bestehend an.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren des VKI ab, da diese davon ausgingen, dass die Wiederholungsgefahr wegen des Vergleichsangebots weggefallen sei. Nun wies der OGH die dagegen erhobene außerordentliche Revision des VKI mangels erheblicher Rechtsfrage zurück.
Der OGH begründete seinen Zurückweisungsbeschluss im Wesentlichen wie folgt:
Ob der allgemein gehaltene Hinweis auf die Klagbarkeit der Inkassospesen zur Irreführung geeignet ist, hat laut OGH keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und stellt daher für den OGH keine erhebliche Rechtsfrage dar.
Die im Berufungsurteil vertretene Rechtsansicht, dass der von der beklagten Partei gegenüber den Wiener Linien abgegebene Honorarverzicht nicht die Schwarzfahrer vom Ersatz der durch sie verschuldeten Mehrkosten befreien soll, entspricht laut OGH den Grundsätzen zur bloßen Schadensverlagerung. Demnach ist vom Schädiger ein Schaden auch dann zu ersetzen, wenn der unmittelbar Verletzte (hier: Wiener Linien) keinen Vermögensnachteil erlitt, weil ein Dritter (hier: Inkassobüro) aufgrund besonderer Rechtsbeziehungen zum Verletzten das wirtschaftliche Risiko der Rechtsgutverletzung tragen muss. Nach der Judikatur soll nämlich die Tatsache, dass der Schaden aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Regelung nicht beim unmittelbar Angegriffenen, sondern bei einem Dritten eintritt, den Schädiger nicht entlasten. Die von den Vorinstanzen zum Vertrag zwischen dem beklagten Inkassounternehmen und den Wiener Linien vorgenommene Vertragsauslegung dahin, dass die Schwarzfahrer nicht von der Zahlungspflicht bezüglich der von ihnen schuldhaft verursachten Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen befreit werden sollen, ist daher laut OGH vertretbar und begründet nach Ansicht des OGH keine erhebliche Rechtsfrage.
OGH 12.07.2016, 4 Ob 139/16v
OLG Wien 29.04.2016, 2 R 85/15g
HG Wien 03.03.2015, 18 Cg 55/14y
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Klagsvertreter: Dr. Anne Marie Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwältin in Wien
OGH: Schuldner muss Inkassospesen zahlen, auch wenn beim Gläubiger kein Schaden eintritt
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führte - im Auftrag des Sozialministeriums - eine Verbandsklage gegen das Inkassobüro Intrum Justitia GmbH. Der Oberste Gerichtshof (OGH) wies bedauerlicherweise die außerordentliche Revison des VKI mangels erheblicher Rechtsfrage zurück.