Die klagende Anlegerin hatte nach Empfehlung und Beratung der Volksbank Ried ihre Ersparnisse in Höhe von EUR 20.000 im Dezember 2003 in eine Beteiligung am Holland 47 ("geschlossener Immobilienfonds") investiert und ein Agio iHv 5 % (EUR 1.000) gezahlt.
Zuvor war ihr die Verkaufsbroschüre übergeben und erklärt worden, die Veranlagung hätte eine 10-jährige Laufzeit und sei sicher und ertragreich ("6 bis 9 % Rendite") sowie für den von ihr angestrebten Zweck einer Altersvorsorge bestens geeignet ("wegen der Investition in Sachwerte"). Über Risiken wurde die Anlegerin nur vage in Hinblick auf ein nicht näher definiertes "unternehmerisches Risiko" aufgeklärt.
Erst durch ein Schreiben der TVP im März 2013 wurde die Anlegerin auf die ernsten wirtschaftlichen Probleme des Fonds aufmerksam. Sie klagte im September 2013 auf Zahlung des investierten Kapitals (abzüglich der bereits erhaltenen Ausschüttungen und Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus der Beteiligung) sowie auf Feststellung der Haftung für allfällige zukünftige Schäden.
Das OLG Linz bestätigt das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts und hat die Berufung der Volksbank Ried und der - als Nebenintervenientin aufseiten der Bank beteiligten - CPM Anlagen Vertriebs GmbH in Liquidation (österr Vertriebsgesellschaft von MPC) verworfen:
- Die Volksbank Ried hat ihre Aufklärungspflicht grob fahrlässig verletzt:
- Nicht ausreichend sind die rückseitigen Hinweise auf der Beitrittserklärung ("Beitrittsbedingungen") und die Risikohinweise im vom Bankberater ausgefüllten Anlegerprofil. Diese können eine fundierte Beratung nach Ansicht des OLG Linz nicht ersetzen. Dem Argument der CPM, über das Totalverlustrisiko wäre gar nicht aufzuklären gewesen, weil dessen Verwirklichung aus damaliger Sicht und iZm der bisherigen Entwicklung anderer Holland-Fonds gar nicht vorhersehbar gewesen sei, hielt das Gericht entgegen, dass auch über den Wahrscheinlichkeitsgrad einer Risikoverwirklichung aufzuklären ist.
- Ebenso wenig erfolgte eine Aufklärung über das Risiko eines Totalverlusts oder darüber, dass es sich bei der "Verzinsung" von 6-9 % in Wahrheit um eine im Insolvenzfall rückforderbare Einlagenrückgewähr handelt. Letzteres war dem Berater nach den Feststellungen selbst nicht bekannt; andernfalls hätte er die Veranlagung "nicht so" empfohlen. Dass der Bankberater die Konstruktion des Fonds und die darin verborgenen Risiken des Holland 47 selbst nicht ganz verstanden hatte, exkulpiert die beklagte Bank nach Ansicht des OLG Linz freilich nicht. Vielmehr hätte der Berater seine mangelnden Kenntnisse zumindest offenlegen müssen.
- Das Nichtlesen der Risikohinweise auf der Rückseite der Beitrittserklärung und des Anlegerprofils begründet kein Mitverschulden.
Vielmehr bestand für die Anlegerin nach dem Beratungsgespräch und dem ihr übergebenen Verkaufsfolder keinerlei Grund zur Annahme, dass sich dort Aufklärungen über das Finanzprodukt finden würden, die dem Besprochenen widersprechen. Außerdem war das Formular der Beitrittserklärung beim "Unterzeichnungstermin" bereits handschriftlich vom Berater teilweise ausgefüllt und die von der Anlegerin zu unterfertigenden Stellen mit einem Kreuz markiert. Sie hatte demnach vor Unterzeichnung auch gar keine Gelegenheit mehr, die umfänglichen Beitrittsbedingungen auf der Rückseite der Beitrittserklärung durchzulesen.
- Der Verjährungseinwand ist unberechtigt:
CPM hatte diesbezüglich vorgebracht, aus der Zusendung des Umstrukturierungskonzepts 2007, mit dem 8 Hollandfonds zusammengelegt werden sollten, hätte jeder Anleger, der bis dahin geglaubt hat, eine sichere Veranlagung zu haben, das Risiko erkennen müssen. Das Gericht geht dagegen davon aus, dass die Anlegerin aus den 2007 übermittelten Schreiben die für die Anlageentscheidung kausalen Fehlinformationen nicht erkennen musste. Die Informationsschreiben seien vielmehr so abgefasst, dass ein unbedarfter Anleger nicht Verdacht schöpfen musste, das von ihm eingesetzte Kapital könnte verloren sein. Der Anlegerin ist es nach dem OLG Linz daher auch nicht vorwerfbar, wenn sie die beigelegten Unterlagen (etwa eine mehr als 100-seitige Informationsbroschüre), nicht las.
- Auch aus dem Hinweis im Schreiben vom 6.1.2010 ("Die Ausschüttung kann ganz oder teilweise Rückzahlungen aus der geleisteten Einlage enthalten") muss die Anlegerin nicht auf eine Rückforderbarkeit der an sie geleisteten Ausschüttungen schließen. Die Verjährungsfrist hat damit folglich noch nicht zu laufen begonnen.
- Ausdrücklich bejaht wurde vom OLG Linz ferner die Aktivlegitimation des VKI.
Dieser hatte sich - zwecks Führung eines Musterprozesses (§ 502 Abs 5 Z 3 ZPO) - die Ansprüche der Anlegerin zum Inkasso abtreten lassen. Nach Ansicht des Gerichts umfasst die dem Zessionar im Fall der Abtretung eines privatrechtlichen Anspruchs überbundene Rechtsposition auch das Recht, eine den abgetretenen Anspruch betreffende Feststellungsklage (§ 228 ZPO) zu erheben (vgl 8 Ob 123/09k).
Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand 20.4.2015), die ordentliche Revision an den OGH wurde vom OLG Linz nicht zugelassen.
OLG Linz 8.4.2015, 2 R 33/15h
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Klagsvertreter: Dr. Sebastian Schumacher, RA in Wien
Anmerkung:
Die Haftung der Volksbank Ried für eine Fehlberatung bei Vermittlung einer Beteiligung am Holland 47 wurde vom OLG Linz zuletzt mit Urteil vom 19.2.2015 auch in einem anderen Verfahren bejaht (3 R 5/15y).
Vgl auch die - bereits rechtskräftigen - Entscheidungen des OLG Wien 2.12.2013, 4 R 134/13z und 23.07.2014, 4 R 27/14s, wo eine Haftung des Beraters gleichermaßen auf Aufklärungspflichtverletzungen über Charakter und Rückforderbarkeit der Ausschüttungen gestützt wurde, ein Mitverschulden des (hier auch: kapitalmarkterfahreneren) Anlegers jeweils zur Gänze verneint wurde und dem Leistungsbegehren auf Naturalrestitution in Form der Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich erhaltener Ausschüttungen) Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Treuhandvertrag in Kombination mit dem Feststellungsbegehren bezüglich einer etwaig drohenden Rückforderung der Ausschüttungen stattgegeben wurde.