Zum Inhalt

Rechtsschutzdeckung für Amtshaftungsverfahren

Wird ein Amtshaftungsanspruch ausschließlich auf die Fehlbeurteilung von Streitigkeiten (Rechtsfrage) gestützt, für deren Durchsetzung wegen Vorvertraglichkeit keine Rechtsschutzdeckung besteht, so besteht auch für dessen beabsichtigte Geltendmachung kein Deckungsanspruch, weil der vorvertragliche Verstoß dafür mitverantwortlich und damit für das Amtshaftungsverfahren adäquat kausal ist.

Der Kläger schloss am 23. Juli 2015 bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung ab.

Der Kläger klagte am 22. Dezember 2016 einen Verein auf Zahlung von rd 130.000,-- EUR Entgelt. Er argumentierte, dass sein Arbeitsverhältnis als Landesgeschäftsführer wegen Streitigkeiten über die Obmannschaft ab 1. Jänner 2014 und durch die seiner Meinung nach „illegale Wahl“ eines neuen Obmanns nicht verlängert wurde. In diesem Verfahren beantragte der Kläger 2017 die Erlassung eines Versäumungsurteils mit der Begründung, die Beklagtenvertreter seien nicht vom rechtmäßigen organschaftlichen Vertreter des Vereins, sondern von einem „illegal gewählten“ Obmann bevollmächtigt worden, sodass der beklagte Verein nicht wirksam vertreten sei. Der Antrag auf Erlassung des Versäumungsurteils wurde abgewiesen (bestätigt durch den OGH im Jahr 2018).

Im gegenständlichen Verfahren begehrte der Kläger Rechtsschutzdeckung für ein Amtshaftungsverfahren gegen die Republik Österreich mit der Begründung, die Abweisung des Antrags auf Erlassung des Versäumungsurteils sei unvertretbar gewesen.

Die Klage auf Rechtsschutzdeckung wurde abgewiesen:

Ein Gesetzes- oder Pflichtenverstoß, mag er auch die spätere Rechtsverfolgung des Versicherungsnehmers adäquat-kausal begründet haben, kann den Versicherungsfall erst auslösen und damit den Zeitpunkt des Verstoßes in Bezug auf den konkreten Versicherungsnehmer in der Rechtsschutzversicherung festlegen, wenn dieser erstmals davon betroffen, dh in seinen Rechten beeinträchtigt wird oder worden sein soll. Das Erfordernis der Adäquanz bedeutet, dass der Verstoß für sich betrachtet geeignet sein muss, den Konflikt auszulösen, oder zumindest erkennbar nachgewirkt und den Streit nach dem Vorliegen weiterer Verstöße noch mitausgelöst haben muss.

Bei mehreren (gleichartigen) Verstößen ist auf den ersten abzustellen. War nach der Sachlage schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen, liegen in der Regel nicht mehrere selbständige Verstöße, sondern es liegt ein einheitlicher Verstoß im Rechtssinn vor.

In seinen Rechten beeinträchtigt war der Kläger durch den behaupteten rechtswidrigen Obmannwechsel erst, als er im Verein ab 1. Jänner 2014 nicht mehr „weiterbeschäftigt“ wurde und daher auch kein Gehalt erhielt. Erst damit begann sich die vom Rechtsschutzversicherer in Bezug auf den Kläger konkret übernommene Gefahr durch den Dauerverstoß zu verwirklichen.

Für das am 22. Dezember 2016 eingeleitete Ausgangsverfahren, in dem er sein ausstehendes Gehalt (seit 1. Jänner 2014) einklagte, bestand keine Rechtsschutzdeckung. Der Rechtsschutzversicherungsvertrag wurde erst am 23. Juli 2015 geschlossen. Aufgrund des Dauerverstoßes (Handlungen eines nicht befugten Vertreters des Arbeitgebers) ist Vorvertraglichkeit gegeben. Die in Art 2.3 ARB 2011 normierte Jahresfrist („Bei mehreren Verstößen ist der erste, adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei Verstöße, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben.“) bezieht sich ihrem Wortlaut nach nur auf das Vorliegen mehrerer Verstöße und nicht auf einen – wie hier – Dauerverstoß.

In dem Vorverfahren war die Frage, ob rechtmäßig ein Obmannwechsel stattgefunden hat sowohl für die Beurteilung der Klagsforderung als auch (ident) für den Antrag des Klägers auf Erlassung eines Versäumungsurteils zentral.

Der Amtshaftungsanspruch stützt sich neuerlich nur auf genau diese Streitigkeit, wenn auch im Sinn des AHG. Mit der Amtshaftungsklage will der Kläger damit gleichsam nachträglich Rechtsschutzdeckung für dieselbe Streitigkeit, für die wegen Vorvertraglichkeit keine Deckung besteht, erlangen. Der Verstoß (Obmannwechsel) wirkte erkennbar nach und löste damit nach der Lebenserfahrung auch weitere gerichtliche Verfahren aus. Insofern war er für die beabsichtigte Geltendmachung des Amtshaftungsanspruchs „adäquat kausal“, dh mitverantwortlich. Der vorvertragliche Streit war der Keim des Rechtskonflikts für das Ausgangsverfahren und das nun beabsichtigte Amtshaftungsverfahren.

Das Klagebegehren wurde somit wegen Vorvertraglichkeit abgewiesen.

OGH 23.6.2021, 7 Ob 11/21z

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Ausschlussklausel der Generali Versicherung AG

Unzulässige Ausschlussklausel der Generali Versicherung AG

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Generali Versicherung AG wegen einer Klausel geklagt, die den Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit Akten der Hoheitsverwaltung ausschließt. Das Handelsgericht Wien gab dem VKI recht und erklärte die eingeklagte Klausel für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln bei Hapimag

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln bei Hapimag

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

Unterlassungserklärung der HDI Versicherung AG

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die HDI Versicherung AG wegen einer Klausel in deren ARB 2018 idF vom 01.05.2021 abgemahnt. Diese Klausel sah zwar eine Anpassung der Versicherungssumme und der Versicherungsprämie an den VPI vor, nahm aber unter anderem die im Vertrag vorgesehenen Höchstentschädigungsleistungen von einer solchen Wertanpassung aus. Die HDI Versicherung AG gab am 15.07.2024 eine Unterlassungserklärung ab.

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Allianz Elementar Versicherungs AG wegen deren Dauerrabattklausel und deren Kündigungsklausel. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang