Der klagende Anleger, ein Einzelunternehmer, erwarb über Beratung der RLB NÖ-Wien 2007 Beteiligungen an den Schiff-Fonds MS Santa Lorena/Santa Luciana und Lloyd Fonds Schiffsportfolio III (2. MS Sofia Schulte, MS Las Vegas und MS Lloyd Don Pascuale) in Höhe von jeweils EUR 10.000 zuzüglich 5 % Agio. Veranlagungszweck war - anders als bei sonstigen spekulativen Wertpapieren, die der Kläger daneben hielt - der Vermögensaufbau zur Altersvorsorge. Zuvor hatte der Kläger bereits ab 2003 - jeweils über Beratung der RLB NÖ-Wien - in mehrere MPC-Fonds investiert. Aufgeklärt wurde er jeweils von seinem langjährigen Bankbetreuer, der ihm Prognoserechnungen über Kapital und Ausschüttungen erstellte.
Der Bankberater informierte den Anleger über das 5%ige Agio, klärte ihn aber nicht über die weiteren 5,5 % an zusätzlicher Provision auf, die die RLB NÖ-Wien laut dem mit der CPM Anlagen Vertriebs GmbH in Liquidation geschlossenen Vertriebsvertrag erhielt. Auch über den Charakter der Ausschüttungen als Einlagenrückzahlungen wurde der Anleger nicht aufgeklärt. Wäre der Kläger über die zusätzlichen Provisionszahlungen ("Kick-backs") oder den Charakter der Ausschüttungen aufgeklärt worden, hätte er die Fondsbeteiligungen nicht gezeichnet, sondern hätte sein Geld - wie vor der Umschichtung - auf Sparbüchern gelassen.
Das HG Wien gab der Klage auf Schadenersatz vollinhaltlich statt:
- Auch wenn der Kläger kein unerfahrener Anleger war, hätte er über die Ausschüttungen, die er für Gewinn hielt, obwohl in Wahrheit eine teilweise Rückzahlung seiner Kapitaleinlage vorlag, aufgeklärt werden müssen. Insbesondere hätte er darüber aufgeklärt werden müssen, dass das Risiko besteht, dass er erhaltene Ausschüttungen wieder zurückzahlen muss.
- Die Zahlung einer zusätzlichen Provision (Kick-backs) neben dem Agio laut Vertriebsvertrag zwischen Bank und Vertriebsgesellschaft begründet eine wirtschaftliche enge Verbindung zwischen Bank und Fondsgesellschaft (vgl zur Zurechnung 4 Ob 129/12t, 4 Ob 50/11y), aus der besondere Aufklärungspflichten resultieren. Provisionsvereinbarungen sind schon deshalb aufklärungspflichtig, weil diese leicht zu Interessenkonflikten führen können, indem sie die Bank veranlassen, im Eigeninteresse ein Produkt zu vertreiben. Aufzuklären ist nicht nur über die Interessenkollision als solche, sondern auch über die Provisionshöhe.
- Der vom Anleger unterfertigte Beratungsverzicht steht dem Vorliegen eines Beratungsvertrags nicht entgegen, wenn eine Beratung in Wahrheit stattgefunden hat.
- Die Naturalrestitution (Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übertragung des Finanzprodukts an den Schädiger) ist nicht deshalb untunlich, weil die bekl Bank gem §§ 22 ff BWG bei Rücknahme - im Gegensatz zum privaten Anleger - verpflichtet wäre, die Veranlagungen mit Eigenmitteln zu unterlegen.
- Eine Verjährung kann nicht schon daraus abgeleitet werden, dass der Anleger den Verkaufsprospekt und die sonstigen Unterlagen unmittelbar nach Eingehen der Beteiligung ausgehändigt bekommen hatte. Ihm ist kein Vorwurf daraus zu machen, dass er auf die Äußerungen seines Beraters vertraut hat und den umfangreichen später zugesendeten Kapitalmarktprospekt nicht auf dessen Übereinstimmung mit den Angaben des Beraters überprüft hatte. Ebenso wenig beginnt die dreijährige Verjährungsfrist mit Ausbleiben der Ausschüttungen. Diese konnte sich der Anleger vielmehr damit erklären, dass die wirtschaftliche Situation eine sehr schwierige war, ohne aber darauf schließen zu müssen, dass die Substanz seines Investments angegriffen werde.
- Aus dem Nichtlesen der ausgehändigten Unterlagen und Risikohinweise ist kein Mitverschulden des Anlegers ableitbar.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand 19.1.2015).
HG Wien 14.1.2015, 51 Cg 47/13p
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Klagsvertreter: Dr. Wolfgang und Dr. Max Leitner, RA in Wien