Der klagende Versicherungsnehmer (VN) schloss mit dem beklagten Versicherer (VR) einen Rechtsschutzversicherungsvertrag ab. In den AGB (MKRB 2010) war folgende Klausel enthalten: "Art 13.1. Kündigung im Schadenfall: Nach Bestätigung des Versicherungsschutzes oder Erbringung der Leistung haben der Versicherungsnehmer und der Versicherer das Recht, die Versicherung mit einmonatiger Frist zu kündigen;…". Nach Meldung eines Schadenfalls durch die Kl gab die Bekl dafür eine Deckungserklärung ab und kündigte das Versicherungsverhältnis. Die Kl begehrte die Feststellung, dass der Rechtsschutz-Versicherungsvertrag auch nach dem Kündigungsschreiben aufrecht bestehe.
Der Klage wurde stattgegeben: Eine analoge Anwendung der gesetzlich geregelten Kündigungsrechte im Schadenfall auf die Rechtsschutzversicherung kommt nicht in Betracht, sodass die Kündigungsrechte in der Rechtsschutzversicherung imparitätisch gestaltet werden können. Auch wenn das Kündigungsrecht in der Rechtsschutzversicherung nicht vollständig paritätisch sein muss, bedeutet dies aber nicht, dass sich der VR ein unbeschränktes Kündigungsrecht einräumen und damit den VN, der nur eingeschränkte Kündigungsmöglichkeiten hat, gröblich benachteiligen darf.
Nach der Klausel sind zwar VN und VR zur Kündigung des Rechtsschutzversicherungsvertrags nach Bestätigung des Versicherungsschutzes oder Erbringung der Leistung berechtigt. Aber auch bei Parität (dh formaler Gleichheit) der Kündigungsrechte ist die Klausel einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. In den in der Klausel genannten Fällen wird der VN, sofern im Zusammenhang mit der Bestätigung oder Leistungserbringung durch den VR nicht besondere (negative) Umstände eintreten, sich kaum veranlasst sehen, den Versicherungsvertrag zu kündigen.
Nach der Klausel steht der Bekl bei einmaliger Bestätigung des Versicherungsschutzes oder Leistungserbringung ein uneingeschränktes Kündigungsrecht im Schadenfall zu, auch im Bagatellfall. Dadurch wird ihr die Möglichkeit eingeräumt, die Prämien während eines langen Zeitraums zu lukrieren und beim ersten Versicherungsfall (mag dieser zB auch nur in einer einmaligen Rechtsberatung liegen) den Versicherungsvertrag zu kündigen. Die jederzeit mögliche Kündigung durch den VR wird dadurch zum Willkürakt, wird doch die Kündigung in sein freies Ermessen gestellt. Die Kündigungsrechte sind zwar formal gleich geregelt, jedoch besteht in diesen Fällen eine ganz erheblich unterschiedliche Interessenlage, die den VR ohne sachliche Rechtfertigung deutlich grob bevorzugt. Er kann nach der Klausel uneingeschränkt kündigen, während diese Möglichkeit für den VN keinen besonderen Wert hat.
Inhaltlich besteht insofern ein grobes Ungleichgewicht. Art 13.1. MKRB 2010 konkretisiert nicht die Voraussetzungen, unter denen der VR sein Kündigungsrecht aus sachlich nachvollziehbaren Kriterien ausüben kann. Wird dem VR eine völlig undeterminierte Kündigungsmöglichkeit beim ersten - noch so kleinen - Rechtsschutzversicherungsfall eingeräumt, ist diese Kündigungsregelung mangels objektivierbarer Kriterien gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. Die von der Bekl auf diese Klausel gestützte Kündigung ist unwirksam und der Rechtsschutzversicherungsvertrag weiterhin aufrecht.
OGH 25.5.2016, 7 Ob 84/16b