Neuerdings salopp als "Kick-Back" werden Provisionen bezeichnet, die Anlageberater für den Verkauf bestimmter Finanzprodukte einstreichen. Oftmals ahnen Anleger davon nichts und vertrauen vielmehr auf eine "unabhängige" Beratung des Finanzfachmanns.
Der deutsche BGH beanstandet bei derartigen verheimlichten Rückvergütungen eine besondere Gefährdungssituation für die Anleger. Denn im Interesse einer anleger- und objektgerechten Beratung müssen Anleger in die Lage versetzt werden, das Umsatzinteresse des Beraters einschätzen zu können. Anleger müssen also erkennen können, ob der Berater z.B. eine bestimmte Fondsbeteiligung vor allem deshalb empfiehlt, um selbst daran zu verdienen.
Nach der jüngsten Entscheidung des BGH hätte eine Bank ihrem Kunden offenbaren müssen, dass sie für den Verkauf des empfohlenen Medienfonds eine Provision in Höhe von rund acht Prozent der investierten Summe kassiert.
Mit dem Beschluss trifft der BGH einige Klarstellungen zu seiner ständigen Rechtsprechung:
Noch die vorinstanzlichen Urteile anerkannten eine Aufklärungspflicht nur dann, wenn Innenprovisionen mindestens 15 Prozent der investierten Summe betragen. Der BGH stellt nunmehr aber bei Beratungsverträgen eine Aufklärungspflicht unabhängig von der Rückvergütungshöhe fest.
Nach ständiger Judikatur kennzeichnen einen Beratungsvertrag auf Anlegerseite unzureichende ökonomische Kenntnisse und der fehlende Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge; vom Berater wird eine fachkundige Bewertung und Beurteilung erwartet. Im Jahr 2006 (BGH XI ZR 56/05, 19.12.2006) entschied der BGH, dass ein zur Neutralität verpflichteter unabhängiger Makler aus der breiten Palette der in Betracht zu ziehenden Aktien- und Fondsanlagen stets allein die für den Anleger günstigste zu empfehlen habe. Der BGH verdeutlicht schon in einer früheren Entscheidung (BGH III ZR 25/92, 13.05.1993) die herausgehobene Vertrauensstellung eines unabhängigen Finanzberaters: "Als unabhängiger individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, muss er besonders differenziert und fundiert beraten."
Eine fehlende Aufklärung ist grundsätzlich auch kausal für den Vertragsabschluss, weil der Anleger besonderen Wert auf die Beratung eines unabhängigen Finanzfachmannes legt. Die Rückabwicklung des Kaufes bzw. ein Schadensersatzanspruch, der auf den Ersatz des negativen Interesses (z.B. Kurs- oder Fondsverluste) zielt, wird daher regelmäßig durchgreifen.
Die Gefährdungssituation der Anleger wird weiter dadurch verschärft, wenn weitere Einrichtungen des Vertriebssystems (z.B. die zuständige Gebietsfiliale des Beratungsunternehmens) mit einer zusätzlichen Vermittlungsgebühr von einem bestimmten Fondsverkauf profitieren.
Der aufklärungspflichtige Interessenkonflikt ist nicht auf den Anwendungsbereich des deutschen Wertpapierhandelsgesetzes beschränkt. Nach Ansicht des BGH ist für die Offenbarungspflicht nicht das Finanzprodukt, sondern das Bestehen eines vertragswidrigen Interessenkonflikts heranzuziehen. Erfasst von der Judikatur zu Aufklärungspflichten über verdeckte Rückvergütungen sind somit grundsätzlich auch Kapitalanlageprodukte des sog. "grauen Kapitalmarkts" (insb. geschlossene Fonds). In Ermangelung einschlägiger Urteile offen bleibt, ob diese Judikatur auch für den Versicherungsbereich und Bausparverträge anzuwenden ist.
Der in Deutlichkeit außerordentlich erfreuliche Beschluss des deutschen obersten Zivilgerichtes zum Schutz von Kapitalanlegern fällt just zu einem Zeitpunkt, da auch der deutsche Gesetzgeber die Rechte geschädigter Anleger stärken will. Ausweislich eines Kabinettsbeschlusses vom 18.2.2009 sollen zugunsten der Anleger insbesondere die Verjährungsfristen von Schadensersatzansprüchen verlängert sowie die Beratungs- und Dokumentationspflichten von Banken verschärft werden. Die Neuerungen soll der deutsche Bundestag noch vor der Wahl im September 2009 verabschieden.
BGH 20.1.2009, XI ZR 510/07